Kapitel 23

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Vor einem Kampf war ich immer ruhig. Ich redete nicht oder zumindest nicht viel. Mein Handy schaltete ich immer am Morgen des Kampftages aus. Ich konnte, keine Nachrichten wie, „Ich wünsche dir viel Glück oder Erfolg" oder so ein Bullshit gebrauchen. Denn es war so, beim Boxen kam es nicht auf Glück an. Es kam auf die richtige Einstellung an.

Ein Boxkampf bestand je nachdem aus vier bis maximal zwölf Runden. In jeder der Runden entschieden die Ringrichter, welcher der Kämpfer dominierte. Dabei wurde in jeder Runde auf klare Treffer, effektive Aggressivität, sowie die Aktivität eines Kämpfers, Überlegenheit und die Verteidigung geachtet und gewertet. Der Kämpfer der in den meisten Runden dominierte gewann. So einfach war das.

Bedachte man all diese Faktoren, wusste man, dass Boxen eine reine Strategie war. Man brauchte auch eine gewisse Schlagkraft, dennoch gab es ganz klare Regeln. An die sich jeder der Kämpfer zu halten hatte. Ich hatte schon einige unfaire Kämpfe gesehen. Ich hatte sogar mal einen Kämpfer gehabt, der mich ständig umklammerte. Umklammern bedeutete dein Gegenüber konnte nicht mehr. Es wurde nicht gern vom Ringrichter gesehen und gab kleine Punktabzüge, dennoch weil es zu häufig angewendet wurde, war es zugelassen. Es verschaffte deinem Gegenüber eine kleine Verschnaufpause, damit er sich wieder sammeln konnte. Bei Profiboxern hatte ich das auch ein paarmal gesehen, wenn die Runden eindeutig zu lange gingen.

Ich hatte so was noch nie gemacht. Ich sammelte mich, fokussierte mich und war ruhig und das immer. Mein Körper schaltete in den Kampfmodus und ich sah nur noch den Ring vor mir. Meine Familie wusste das. Mom war am Tag des Kampfes zwar immer sehr aufgeregt, sprach mich aber nicht an. Weil sie mit der Zeit gelernt hatte, dass ich zu sehr in meinem Kopf war. Ben und Dad waren meist genauso ruhig wie ich. Sunny hatte ebenso mit der Zeit gelernt, wie sie am Tag des Kampfes mit mir umgehen musste. Sie wusste, dass sie die Einzige war, die ich vor dem Kampf sehen wollte.

Andere Kämpfer redeten mit ihren Trainern, ließen sich irgendwelche Motivationssprüche von ihnen vorgaukeln, ich war da anders. Ich wollte nur Sunny, um mich haben. Ich musste mit der Zeit selber für mich lernen, wie ich an so einem Tag zurechtkam und das hatte sich als beste Strategie für mich herausgestellt. Das wusste jeder.

Ich trug meine schwarze, glänzende, mit ein paar Goldakzenten besetzte Boxerhose und meine Schnürstiefel. Ich war gerade dabei, meine Bandagen zu wickeln, als Sunny in die Umkleidekabine kam. Wenn ich Profiboxer war, würde ich andere Farben tragen müssen, doch im Moment konnte ich mir alles noch selbst aussuchen. Sie lächelte und trat zielsicher auf mich zu. An so einem Tag wie heute verstanden wir uns ohne viel Worte. Sie nahm mir die Bandagen aus der Hand und machte da weiter, wo ich aufgehört hatte. Bandagen wickeln war gar nicht so einfach. Es brauchte eine gewisse Übung, bis man das drauf hatte und Sunny machte das immer sehr gut. Irgendwie war das unser Ding. Ich konnte das auch, aber Sunny machte es besser.

An so einem Tag wie heute redeten wir nie über wichtige Themen, eher über belanglosen Scheiß. Damit ich nicht zu matschig in der Birne wurde. Es reichte schon, dass ich mir auf den Kopf schlagen ließ.

»Das Gladdagh Symbol ist genau wie deins. Weißt du, ich hab mir überlegt, jeder von uns könnte sich so eines stechen lassen.«

Sunny hatte ihre braunen Haare zu einem Knoten auf dem Kopf getürmt. Jedes Mal, wenn sie so einen Knoten trug, fand ich, dass sie aussah wie das kleine Mädchen von früher. Das Mädchen, das mit Barbies gespielt hatte. Sie sah kurz zu mir auf und kniff ihre Augen leicht zu. »Was meinst du dazu?«

»So wie ein Gangtattoo?«

Sie lachte leise. »Nein, wie ein Familientattoo!«

Ich dachte einige Augenblicke darüber nach. »Netter Gedanke!«

Deepest Fight - The Fox Story (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt