„Wenn Sie gestatten, Ottilie“, sage ich und öffne mit einer bereitwilligen Handbewegung die Tür des Taxis, welches vor uns am Bordsteinrand gehalten hat, „eine Dame sollte sich schließlich nicht um die lästige Aufgabe des Öffnens von Autotüren bemühen.“
„Vor allen Dingen nicht eine Dame meines Alters, nicht wahr?“, erwidert die Frau mit dem silbernen hochgesteckten Haar, während ihre marineblauen Augen mich vielsagend anfunkeln, als ihre von Falten überzogenen Finger an dem Kragen meiner dunkelgrünen Bluse zupfen,
„darf ich dir wirklich kein Taxi kommen lassen, Liebes?“„Das wird nicht nötig sein“, entgegne ich und ergreife Ottilies Finger an meinem Kragen mit einem sanften, aber bestimmten Griff, bevor ich einen Kuss auf deren Handrücken platziere, „ich hoffe, der Abend war für Sie zufriedenstellend?“
„Zufriedenstellend ist nur ein mäßiger Ausdruck dafür, welches Vergnügen es mir stets bereitet, in deiner reizenden Gesellschaft zu speisen, Bianca. Auch wenn das Lamm, unter uns gesagt, doch ein wenig zäh gewesen ist. Findest du nicht?“
Mein rechter Mundwinkel hebt sich ein Stück über Ottilies verschmitzte Bemerkung.
Obwohl wir uns mittlerweile seit etwas mehr als drei Jahren kennen, wird die Witwe des stadtbekannten Privatiers Gustav Breidenbach noch immer nicht müde zu versuchen, mit ihren mitunter scharfzüngigen Bemerkungen die von mir professionell bedingte Seriosität, welche ich trotz Charme und Schmeicheleien stets zu jedem Kunden und jeder Kundin wahre, zu brechen und mich ein wenig aus meiner Reserviertheit zu locken.
…wobei die Betonung hierbei eindeutig auf dem Wort „versuchen“ liegt…
„Wer bin ich, der fachkundigen Meinung einer so weltgewandten Dame wie Ihnen zu widersprechen?“, entgegne ich stattdessen, ohne mich von den schalkhaften Worten der
Privatierswitwe beeinflussen zu lassen und entlocke Ottilie damit ein sowohl amüsiertes als auch beipflichtendes Schmunzeln.„Sehr richtig, Liebes. Sehr richtig.“
Trotz ihrer Zustimmung blitzt erneut die Belustigung in Ottilies Augen auf, ehe sie ihre andere Hand von meinem Arm, an welchem sie sich beim Verlassen des von ihr gewählten Nobelrestaurants eingehakt hatte, löst und anmutig, wie es nur eine Dame ihrer Klasse vermag, in das Taxi steigt.
„In drei Wochen um dieselbe Zeit?“, fragt sie durch die heruntergefahrene Scheibe des Autofensters, nachdem ich die Tür des Taxis sorgsam hinter ihr geschlossen habe.„Es wäre mir eine Ehre, Ottilie“, erwidere ich und schenke der älteren Dame ein Lächeln, welches neben der üblichen Höflichkeit auch einen Hauch ehrlicher Freude in sich trägt.
Schließlich ist es auch für mich in den vergangenen Jahren eine lieb gewonnene Tradition geworden, alle drei bis vier Wochen mit Ottilie zu Abend zu essen.Und das liegt keinesfalls an den ausgefallenen und exquisiten Restaurants und Lokalen, welche sie bei jedem unserer Besuche auswählt.
Ganz im Gegenteil.
Oft kann ich den exotischen und teils ungewöhnlichen Speisen, welche in diesen hochrangigen Etablissements aufgetischt werden, kaum etwas abgewinnen.
Genauso wenig wie den, in meinen Augen, viel zu überteuerten Geschenken, welche Ottilie mir dann und wann über die Agentur zukommen lässt, häufig verbunden mit dem Wunsch, dass ich jenes Kleidungsstück oder Accessoire bei unserem folgenden Treffen tragen werde.
So wie ich heute die Bluse aus dunkelgrüner Seide und die goldene Armbanduhr an meinem Handgelenk ausschließlich aufgrund ihres Wunsches trage…„Na, das will ich doch auch wohl sehr hoffen, Liebes“, entgegnet die Privatierswitwe auf meine Antwort hin mit einem verschwörerischen Blitzen in ihren Augen, ehe sie die Scheibe des Autofensters hochfahren lässt und das Taxis sich langsam in Bewegung setzt.
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Sugar & Spice (Johanna & Bianca)
RomanceErfolgreich. Stolz. Und eiskalt. Mit ihrem akribischen Auge fürs Detail zählt Johanna Schröder zu den gefragtesten Architektinnen ihrer Branche. Gleichermaßen gefürchtet und geachtet von ihren Angestellten und Kollegen versteht Johanna es spielend...