# 9 - Parkbank (Johanna)

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„Ist alles in Ordnung, Frau Schröder?“

Ich spüre, wie der aufmerksame Blick des braunen Augenpaares auf mir ruht, während das Knirschen des Kiesweges unter meinen Absätzen, das mit dem Voranschreiten meiner Schritte einhergeht, meine Ohren erfüllt.

„Gewiss“, entgegne ich, ohne meinen Kopf in die Richtung der jungen Frau zu meiner Rechten zu wenden, „oder erwecke ich etwa auf Sie den gegenteiligen Eindruck?“

„Na ja, vielleicht nicht unbedingt den gegenteiligen Eindruck“, das unerwartete Kichern, in welchem sich Vergnügen und Belustigung gleichermaßen mischen, bringt mich für den Bruchteil einer Sekunde aus meinem gewohnten Schrittrhythmus, „aber Sie wirken auch alles andere als erbaut über meine Wahl unseres gegenwärtigen Aufenthaltsortes.“

„Nun“, ich räuspere mich und übergehe dabei bewusst den neckischen Unterton in der Stimme der jungen Frau, „das mag wohl darin begründet sein, dass ich nicht erwartet habe, meinen Freitagabend zwischen den begrünten Flächen des Stadtparks zu verbringen.“

„Ach, ist das so?“, höre ich Bianca fragen und erblicke, als ich meinen Kopf nun doch in der inzwischen mehr als präsenten Dämmerung zu ihr drehe, das verspielte Lächeln auf ihren Lippen.

Ihre Lippen, die heute von einem burgunderfarbenen Lippenstift überzogen sind, dessen Farbton sich lediglich in dem schmalen Riemen von ihrem BH-Halter wieder findet, welcher unter dem mitternachtsblauen Oberteil an ihrer rechten Schulterseite hervorlugt…

Mit einem geringschätzigen Seufzer über diese frevelhafte Unwissenheit der jungen Frau wende ich meinen Blick mit einem leichten Kopfschütteln wieder von ihr ab.

„Ich glaube, ich habe bereits bei unserem letzten Treffen zum Ausdruck gebracht, wie sehr es mir missfällt, wenn meiner Frage mit einer Gegenfrage begegnet wird.“

„Nur dass Sie mir zuletzt keine Frage gestellt, sondern lediglich Ihre Verwunderung zum Ausdruck gebracht haben…aber ich schweife ab“, entgegnet Bianca und kichert ein weiteres Mal, als mein Kopf mit einem kobraartigen Reflex wieder in ihre Richtung schnellt, „nun denn, um Ihre…implizierte…Frage zu beantworten…Sie haben auf mich nicht unbedingt den Eindruck erweckt, als würde Ihnen der Sinn nach einem mehrgängigen Abendessen in einem edlen Nobelrestaurant stehen.“

„Tatsächlich?“, erwidere ich, äußerlich unberührt und innerlich brodelnd vor wachsender Verärgerung über diese übergriffige Unterstellung, „und was für einen Eindruck habe ich stattdessen auf Sie erweckt, Bianca?“

„Dass Sie etwas beschäftigt, Frau Schröder. Etwas, worüber Sie sich große Gedanken zu machen scheinen.“

Die Schlichtheit in Biancas Stimme in Verbindung mit ihrer verblüffend zutreffenden Annahme trifft mich unerwartet und ich wende meinen Blick wieder von der jungen Frau ab, um mich zu sammeln.

Es ist wirklich unheimlich.
Beinahe so, als wäre es ihr möglich, mühelos in mein Innerstes zu blicken.

Dabei ist es doch mein Bestreben, über diese Treffen mehr über sie herauszufinden!
Über sie und Arno und dieses abgekartete Spiel, welches die beiden spielen!
Auch wenn sämtliche Anstrengungen meinerseits dahingehend bislang fruchtlos geblieben sind…

„Ihrem Schweigen entnehme ich, dass ich mit meiner Vermutung gar nicht so falsch liege, oder?“, höre ich Bianca fragen und sehe, als ich meinen Kopf beim verstummten Klang ihrer Schritte wieder zu ihr drehe, wie sie mit einer Hand auf eine leere Parkbank am Wegesrand deutet.

„Ihre Vermutung ist zutreffend, wenn auch relativ nahe liegend, finden Sie nicht?“, entgegne ich herablassend, folge aber trotzdessen Biancas Handweisung und nehme mit übereinander geschlagenen Beinen auf der Bank Platz. „Es bedarf schließlich keiner großen Form von Menschenkenntnis, anzunehmen, dass einer vielbeschäftigte Frau wie mir ständig dringende Termine oder anderweitig wichtige Anliegen durch den Kopf schwirren.“

Sugar & Spice (Johanna & Bianca)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt