„Benötigen Sie noch etwas, Frau Schröder?“
„Nein, vielen Dank, Nicole“, erwidere ich, ohne von den ausgebreiteten Unterlagen auf meinem Schreibtisch aufzusehen und rücke stattdessen mit zwei Fingern die Lesebrille auf meiner Nase zurecht, „Sie können nun gehen. Ihr wohlverdienter Feierabend ist ohnehin bereits einige Stunden überfällig und für die abschließende Überprüfung der vorliegenden Baupläne benötige ich nicht Ihre Unterstützung.“
„Sind Sie sicher, Frau Schröder?“
Die zögerliche Nachfrage meiner Assistentin lässt mich nun doch den Kopf heben und über den Rand meiner Brille hinweg in die braunen Augen der dunkelblonden Frau sehen, die einige Schritte von meinem Schreibtisch entfernt mit hinter dem Rücken verschränkten Händen in meinem Büro steht.
Dieser forschende...beinahe mitleidig wirkende Blick…
Es bedarf meines vollkommenen Maßes an Selbstbeherrschung, um mein Gesicht nicht darüber zu verziehen und ich begnüge mich stattdessen mit der leichten Zuckung meines rechten Mundwinkels.
„Habe ich mich in irgendeiner Weise missverständlich ausgedrückt, Nicole?“
„N-Natürlich…natürlich nicht, Frau Schröder“, stammelt die blinzelnde Mittdreißigerin, sichtlich überrumpelt von meiner unerwarteten Gegenfrage, während ich mit einem Gefühl stiller Genugtuung, meine Assistentin in die ihr zugewiesenen Schranken gewiesen zu haben, meine langen Beine übereinander schlage.
„Das habe ich auch nicht angenommen“, entgegne ich mit einem Klang von unterkühlter Apathie in meiner Stimme, welchen ich üblicherweise nur für anspruchsvolle Verhandlungen aufwändiger Bauprojekte verwende. „Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend und ein erholsames Wochenende.“
„Dankeschön, Frau Schröder“, erwidert Nicole, deren Wangen inzwischen eine leichte Schamesröte angenommen haben, wobei sie ihre kerzengerade Haltung jedoch immer noch beibehält, „das…wünsche ich Ihnen selbstverständlich auch.“
„Zu freundlich von Ihnen, Nicole.“ Ohne meine Assistentin noch länger eines Blickes zu würdigen, senke ich meine Augen wieder hinab zu den vor mir ausgebreiteten Bauplänen. „Sie finden alleine hinaus, nicht wahr?“
Aus den Augenwinkeln bemerke ich Nicoles Blinzeln, welches erneut ihre sichtliche Verwunderung verrät, ehe sie mit einem knappen Nicken ihre Schultern strafft und sich von mir abwendet, um mit etwas versteiften Schritten auf meine angelehnte Bürotür zuzuschreiten.
Erst als die dunkelblonde Frau die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich geschlossen hat, gestatte ich mir den tiefen Seufzer, welcher bis vor wenigen Augenblicken noch in meiner vor Anspannung schmerzenden Brust geschlummert hat.
Endlich allein.
Ich genehmige mir einen weiteren Zug der leicht abgestandenen Büroluft und ziehe mit einer Hand meine Lesebrille von der Nase, um mit zwei Fingern der anderen Hand die dröhnende Stelle zwischen meinen nunmehr geschlossenen Augen zu massieren.
Das wurde auch höchste Zeit.
Viel länger hätte ich Nicoles anhaltende Gesellschaft auch nicht ertragen.Das soll keineswegs bedeuten, dass mir die Gesellschaft meiner Assistentin zuwider ist.
Ganz im Gegenteil.
Bereits damals nach ihrem Bewerbungsgespräch bezüglich der drei freien Assistenzstellen in unserem Architekturbüro, habe ich gegenüber Ingo und Gerrit mehr als deutlich gemacht, dass Nicole meine Assistentin werden würde.
Sie ist aufmerksam, organisiert, zuvorkommend und erledigt die ihr übertragenen Aufgaben stets tadellos.
Allesamt Eigenschaften, die ich sehr an einer Assistentin schätze.
Doch vor allen Dingen ist Nicole eines…diskret.
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Sugar & Spice (Johanna & Bianca)
Roman d'amourErfolgreich. Stolz. Und eiskalt. Mit ihrem akribischen Auge fürs Detail zählt Johanna Schröder zu den gefragtesten Architektinnen ihrer Branche. Gleichermaßen gefürchtet und geachtet von ihren Angestellten und Kollegen versteht Johanna es spielend...