# 26 - Gesprächsvorbereitungen (Bianca)

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„Na, eines kann ich dir sagen, meine Liebe“, beginnt Merle und lässt ihren Blick mit einem Pfiff hinter mir her wandern, als ich unser WG-Wohnzimmer durchschreite, „wenn dieser Herr Brandes auch nur ansatzweise Augen im Kopf hat, wird er dich schon beim Betreten des Raumes einstellen.“

„Nur dass es in diesem Fall mal nicht auf mein Aussehen ankommt“, entgegne ich mit einem kurzen Schulterblick in Merles Richtung, bevor ich leicht schnaubend nach meiner Handtasche auf dem Sofa greife, „zumindest nicht ausschließlich, was hoffentlich auch so bleibt.“

„Also, ich an deiner Stelle, wäre sehr dankbar, wenn ich heute mit meinem Aussehen einen guten Eindruck hinterlassen könnte. Mit dieser säuerlichen Laune wird dir das nämlich nicht gelingen.“

Merles Bemerkung, deren Schlagfertigkeit sie mit einer keck gehobenen Augenbraue unterstreicht, lässt mich kurz innehalten, ehe ich mit einem schweren Seufzer meine Schultern hängen lasse.

„Entschuldige bitte, Merle…“

„Passt schon“, entgegnet meine Mitbewohnerin und mustert mich forschend aus ihren, zur Abwechslung ungeschminkten, grünen Augen, während sie mit in den Taschen ihrer Jogginghose vergrabenen Händen auf mich zutritt, „du bist ganz schön nervös, oder?“

„Nervös ist gar kein Ausdruck.“ Ein schwaches Lächeln formt sich auf meinen Lippen, welches mir nach einem weiteren Seufzer jedoch wieder von den Mundwinkeln rutscht. „Ich meine, das ist meine einzige Chance, endlich etwas fernab von dem Escortservice zu machen und mir so etwas wie eine davon unabhängige Zukunft aufzubauen. Aber was ist, wenn ich es nicht schaffe, Herrn Brandes von mir zu überzeugen? Was ist, wenn er glaubt, sich geirrt zu haben und mich doch nicht als geeignet für den Ausbildungsplatz erachtet? Was ist, wenn…“

„Wow, jetzt halt mal die Luft an“, unterbricht Merle meinen Redeschwall und zieht ihre Hände wieder aus den Hosentaschen, um sie stattdessen beschwichtigend zu heben. „Bei dieser Gedankenspirale würde mir auch ganz schwindelig werden. Ich meine, ich kann zwar verstehen, dass du aufgeregt bist und dir vielleicht auch Sorgen machst, aber das ist echt vollkommen unnötig.“

Als sie meinen verwunderten Blick bemerkt, liegt es nun an meiner Mitbewohnerin, tief aufzuseufzen.

„Okay, schau mal…selbst wenn dieser Brandes-Typ dich nach dem Gespräch doch nicht einstellen möchte, ist das zwar ärgerlich, aber trotzdem kein Weltuntergang. Es ist ja schließlich nicht so, als wärst du besonders scharf auf den Job. Du willst einfach nur etwas anderes machen als Escort. Und ganz ehrlich, wenn alle Stricke reißen und dich aufgrund deiner Escortvergangenheit niemand zu einem Vorstellungsgespräch einladen möchte, quatsche ich mal mit meinem Bruder Basti und frage ihn, ob er dir eine Stelle in seinem Supermarkt klarmachen kann. Das ist zwar wahrscheinlich auch nicht dein Traumjob, aber es ist auf jeden Fall ein erster Schritt in einen anderen Teil der Berufswelt und gibt dir alternative Qualifikationen. Und abgesehen davon sagt Basti immer, dass seine Kollegen echt nett sind und die Arbeit ihm im Großen und Ganzen auch Spaß macht, was ja auch wichtige Punkte bei einem neuen Job sind.“

„Merle, ich…“, setze ich an und muss, ergriffen über die Hilfsbereitschaft meiner Mitbewohnerin, schwer schlucken. „Ich…ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll…“

„Am besten erst einmal gar nichts. Mach dich lieber weiter für dein Gespräch fertig“, erwidert Merle und zwinkert mir grinsend zu, während sie eine Hand in ihre Taille stemmt, „vielleicht hättest du dich am Freitag doch ein bisschen abreagieren sollen, hm?“

Abreagieren?

Verwirrt runzle ich die Stirn, bis mich Merles vielsagender Blick mit einem Mal ihre Anspielung verstehen und erröten lässt.

„Ich wusste, ich hätte dir nicht davon erzählen sollen.“

„Oh, keine Sorge, ich hätte dich ohnehin nicht in Ruhe gelassen, bis ich eine Antwort von dir erhalten hätte“, entgegnet Merle und streckt mir frech die Zunge raus, als ich die Augen verdrehe. „Aber jetzt mal ehrlich…bereust du es nicht, dass du nicht mit ihr geschlafen hast? Ich meine, deinen Schilderungen nach zu urteilen, schien sie ja durchaus empfänglich dafür gewesen zu sein. Und du hättest es ja ohnehin mal wieder nötig.“

„Sehr witzig“, erwidere ich und schneide Merle eine Grimasse, bevor ich tief Luft hole und meinen Blick ein wenig senke, „sie…sie schien vielleicht in diesem Moment empfänglich dafür zu sein, aber eben auch nur in diesem Moment. So viel Nähe, wie sie an diesem Abend bereits von mir zugelassen hatte, muss für sie ohnehin schon mehr als überwältigend gewesen sein und ich bin mir sicher, dass sie alles, was darüber hinausgegangen wäre, schlussendlich bereut hätte. Egal wie…wie schön…es in diesem Moment vielleicht auch gewesen wäre.“

„Wow.“ Merles andächtiger Tonfall lässt mich wieder aufsehen und ich hebe die Augenbrauen, als ich den erstaunten Blick meiner Mitbewohnerin bemerke, „du hast dich echt ganz schön in diese Frau verguckt, oder?“

Ich spüre, wie erneut Wärme in meine Wangen steigt und räuspere mich einmal kräftig, während ich Merles Blick wieder ausweiche.

„Ich…ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Sonst komme ich noch zu spät zum  Bewerbungsgespräch…“

Sugar & Spice (Johanna & Bianca)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt