Achtlos lasse ich die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fallen, bevor ich mich mit einem lauten Schluchzen rücklings dagegen lehne.
Auch wenn meine Tränen irgendwann auf dem Heimweg versiegt sind, brennen meine Augen
nach wie vor von den salzigen Spuren, die sie hinterlassen haben.
Genauso wie mein Brustkorb noch immer zieht und schmerzt, als hätte mir jemand mein Herz bei vollem Bewusstsein herausgerissen.
Wobei dies, im übertragenen Sinne, auch durchaus zutrifft…Ein weiteres Schluchzen, welches mehr einem kehligen Röcheln gleicht, entweicht meinem Hals und ich schließe die Augen, als ich mir mit einer Hand über mein tränenverklebtes Gesicht fahre.
Ich hätte es wissen sollen…
Unabhängig davon, wie katastrophal dieses vermeintliche Bewerbungsgespräch zwischen Frau Schröder und mir verlaufen ist, hätte ich wissen sollen, dass sie nicht mehr in mir sieht als eine Frau, die ihre Aufmerksamkeit, Zuneigung und eventuelle Körperlichkeiten verkauft.
Auch wenn es anders gewirkt…auch wenn es einen anderen Anschein gehabt hat…ist es eben nur das gewesen.
Ein Schein.
Ein trügerischer Schein, der mich glauben ließ, dass da…mehr...zwischen uns wäre...Aber nein.
Alles nur ein Schein. Eine Illusion. Ein Wunschtraum.Genauso wie die von mir angenommene Absicht bezüglich Frau Schröder, dass sie sich, aufgrund ihrer baldigen Scheidung, in Bezug auf Frauen ausprobieren wollte, ein einziger Wunschtraum gewesen ist.
Stattdessen hat sie sich nur mit mir getroffen, weil sie glaubt, ich hätte eine Affäre mit ihrem Mann…
Kopfschüttelnd öffne ich meine Augen und ziehe meine Nase einmal kräftig hoch, bevor ich mich von der Wohnungstür abstoße und mit schleppenden Schritten über den Flur in Richtung Wohnzimmer stapfe.
Im Grunde genommen kann ich Frau Schröder diesen Rückschluss nicht einmal verübeln.
Was sollte man auch denken, wenn man die Visitenkarte einer Escortagentur in den Unterlagen seines baldigen Exmannes findet?Aber warum hat sie diesen Arno, oder wie auch immer ihr Noch-Ehemann heißen mag, nicht zur Rede gestellt?!
Wäre das nicht viel zielführender gewesen, als sich mit mir zu treffen?!
Zumal…verdammt, zumal ich diesen Mann nicht einmal kenne!Auch wenn ich nicht weiß, woher er diese verfluchte Visitenkarte hat…ich kenne ihn nicht!
Ich spüre, wie sich erneut Tränen der Verzweiflung in meinen Augen sammeln, und lasse mich, nach dem Betreten des Wohnzimmers, auf das Sofa fallen, um mein Gesicht tief in
einem der Kissen zu vergraben.Wie sie mich angesehen hat…
So voller Verachtung…Abscheu…und Spott…Kein Vergleich zu den sehnsüchtigen Blicken und sinnlichen Lauten, welche sie noch am vergangenen Freitag bei meinen Berührungen von sich gegeben hat.
Aber das war alles nur Show.
Nicht real. Nicht echt.Sie hat mit mir gespielt und mich vor mir selbst vorgeführt, nur um an irgendwelche vermeintlichen Informationen zu kommen, die ich ihr ohnehin nicht hätte geben können.
Ich…ich bin wirklich ein Idiot…
Ein hoffnungsloser Idiot…Ich wünschte…ich wünschte, ich wäre dieser Frau niemals begegnet…
Ein lautes Klingeln lässt meinen Kopf abrupt in die Höhe schnellen.
Im ersten Moment glaube ich, dass es an unserer Wohnungstür geschellt hat, nur um nach genaueren Hinhören festzustellen, dass es sich bei dem wiederkehrenden Klang um das Klingeln meines Agenturhandys handelt.
In weiser Voraussicht habe ich es, vor dem Verlassen der Wohnung, auf dem kniehohen Wohnzimmertisch vor dem Sofa liegen lassen, wo es nun vor sich hin klingelt und blinkt.
Ich schlucke hart.
Nach Frau Schröders verletzenden Worten steht mir heute ehrlich gesagt nicht mehr unbedingt der Sinn nach einem Treffen, aber andererseits darf meine Agenturarbeit auch nicht unter meinem persönlichen Empfindungen leiden…oder sollte es zumindest nicht allzu sehr.
Ich zögere noch einen Augenblick, bevor ich mich mit einem schweren Seufzer aufraffe und nach meinem Agenturhandy greife, welches immer noch geduldig abwartend klingelt.
Na, so was…
Obwohl mir nicht danach ist, formt sich beim Blick auf das Display ein schwaches Lächeln auf meinem Gesicht, ehe ich das Gespräch annehme und das Handy gegen mein Ohr drücke.
„Hallo Ottilie.“
„Ach Bianca, Liebes. Schön, dass ich dich erreiche. Ich hatte es vorhin bereits zweimal versucht.“
„Da bin ich leider verhindert gewesen“, erwidere ich und versuche, meiner Stimme einen möglichst unbeschwerten Klang zu verleihen, als ich mich wieder zurück auf das Sofa setze, „aber dafür stehe ich Ihnen jetzt wieder voll und ganz zur Verfügung. Also, wie darf ich Ihnen behilflich sein?“
„Es betrifft unser monatliches Abendessen“, sagt Ottilie und ich staune im Stillen, wie schnell die vergangenen Wochen bereits wieder ins Land gezogen sind, „ich wollte fragen, ob wir uns vielleicht heute Abend im „Ambrosia Palace“ treffen sollen? Natürlich nur, sofern du am
heutigen Abend auch zeitlich nicht allzu eingeschränkt bist.“„Das bin ich keineswegs“, entgegne ich mit einem Kopfschütteln, auch wenn mir bewusst ist, dass Ottilie dies nicht sehen kann, und sinke etwas tiefer in die Sofakissen hinter mir, „haben Sie bestimmte Wünsche bezüglich meiner Garderobe?“
„Solange du dich darin wohlfühlst, ist es vollkommen fein für mich“, erwidert die ältere Dame, wobei ein seltsames Zögern in ihrer Stimme mitschwingt, welches ich mir nicht so recht erklären kann, „wäre 20 Uhr für dich angenehm?“
„Sicher. 20 Uhr ist hervorragend.“
„Das…freut mich, Bianca.“ Ich stutze einen Augenblick lang, als ich erneut diesen Argwohn in Ottilies Stimme vernehme, habe jedoch nicht die Möglichkeit, mir noch länger darüber den Kopf zu zerbrechen, da Privatierswitwe bereits mit einem kräftigen Räuspern fortfährt, „gut, dann sehen wir uns heute Abend um 20 Uhr im „Ambrosia Palace“.“
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Sugar & Spice (Johanna & Bianca)
RomanceErfolgreich. Stolz. Und eiskalt. Mit ihrem akribischen Auge fürs Detail zählt Johanna Schröder zu den gefragtesten Architektinnen ihrer Branche. Gleichermaßen gefürchtet und geachtet von ihren Angestellten und Kollegen versteht Johanna es spielend...