# 34 - Alternativen (Bianca)

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„Sieht so aus, als hätte der kleine Kerl dich ganz schön vermisst“, sagt Merle und zwinkert mir mit einem schiefen Lächeln zu, während Kasimir sich schnurrend auf meinem Schoß räkelt und seine flauschigen Beinchen unter meinen wiederkehrenden Streichelbewegungen genüsslich von sich streckt.

„Ja…gut möglich“, murmle ich und versuche, Merles Lächeln zumindest zu einem gewissen Grad zu erwidern, was mir jedoch mehr schlecht als recht gelingt, was wiederum auch das Lächeln auf den schwarzgeschminkten Lippen meiner Mitbewohnerin verrutschen lässt.

„Ach, schade…“

Merles seufzender Einwand lässt mich meine Augenbrauen verwundert anheben.

„Schade?“

„Na ja“, mit einem weiteren Seufzen verschränkt Merle ihre Arme vor der Brust und lehnt sich rücklings gegen die geschlossene Tür des Katzenzimmers, „ich hatte eigentlich gehofft, dass ich dich mit einem Besuch bei Kasimir ein wenig ablenken könnte. Weil…also…weil da gestern so krass viel auf dich eingeprasselt ist. Aber so wie du schaust, scheint mein Plan wohl eher nicht zu funktionieren, oder?“

„Es geht…“, erwidere ich leise und schaue von meiner Mitbewohnerin mit den musternden Smokey-Eyes wieder hinab zu Kasimir, der sich gerade in die kraulenden Streicheleien meiner linken Hand lehnt, „aber es ist doch schön, dass wenigstens einer von uns etwas Positives aus den gegebenen Umständen ziehen kann.“

„Kann sein“, entgegnet Merle, wenn auch wenig überzeugt, während ich ihren begutachtenden Blick weiterhin auf mir spüre, „du willst aber trotzdem immer noch nicht mit mir reden, oder? Weder über den Grund der Absage deines Bewerbungsgesprächs noch über deinen gestrigen überstürzten Austritt aus der Agentur?“

Ich schlucke hart und presse meine Lippen in stiller Sorge, dass ein unbedachtes Wort darüber stolpern könnte, zu einem schmalen Strich aufeinander.

Was Hartnäckigkeit anbelangt, stehen Merle und Ottilie sich wirklich in nichts nach…

Eine geschlagene Dreiviertelstunde lang hatte bereits die Privatierswitwe bei unserem gestrigen Abendessen auf mich eingeredet, in der Hoffnung, mir den Grund hinter meiner Absicht, die Agentur zu verlassen, zu entlocken.
Erst meine mehrmalige Beteuerung, dass ich keinesfalls von einem anderen Kunden grobschlächtig angegangen oder gar belästigt worden bin und das Versprechen, dass ich mich trotz dessen gelegentlich mit ihr zum Abendessen treffen würde, haben die ältere Dame etwas milder gestimmt und sie schließlich auch schweigen lassen.
Auch wenn ich mir sicher bin, dass Ottilie bei unseren zukünftigen Treffen stets versuchen wird, das eine oder andere verräterische Wort, welches den wahren Grund aufdecken könnte, aus mir herauszubekommen…

Aber was sollte ich ihr oder auch Merle schon sagen?

Dass die Frau, die ich wochenlang für meine Kundin gehalten habe, mich nicht nur im Hinblick auf ihre wahren Absichten hinter unseren Treffen getäuscht und mich mit meiner Gutgläubigkeit vor mir selbst vorgeführt hat, sondern dass ich mich zu allem Überfluss auch noch…dass ich mich…in sie…ach, verflucht…

„Hast du denn wenigstens einen Plan? Oder eine grobe Vorstellung davon, wie es bei dir weitergehen soll?“

Ich schlucke erneut und schaue wieder ganz langsam zu Merle auf, deren grünes Augenpaar mich nach wie vor intensiv mustert.

„Wenn du…also…wenn du damit auf meinen Anteil an der Miete anspielst…“

„Ich scheiß’ auf diese dämliche Miete, Bianca! Mann, es geht mir um dich! Checkst du das nicht?!“

Merles Blick wird immer durchdringender, wohingegen ich meine Mitbewohnerin nur sprachlos über ihre charakteristisch direkte Wortwahl anstarren kann, was Merle mir wiederum mit einem ergebenen Seufzen ihrerseits quittiert.

„Okay, pass auf…ich weiß zwar immer noch nicht, warum du deinen Escortjob so Knall auf Fall und ohne einen Plan B an den Nagel gehängt hast…vielleicht brauchst du auch gerade einfach nur deine Ruhe oder musst selber erst mal mit allem klarkommen...aber ich will einfach, dass du weißt, dass mein Angebot immer noch steht.“

Angebot?

Meine Stirn legt sich langsam in Falten.

„Welches…welches Angebot denn?“

„Dasselbe, was ich dir schon mal gemacht habe. Dass ich meinen Bruder Basti anrufe und frage, ob er für dich eine Stelle in seinem Supermarkt besorgen kann...zumindest, bis du wieder klar denken kannst und weißt, wie es bei dir weitergehen soll. Erinnerst du dich?“

„I-Ich…ja, ä-ähm…“, ich spüre, wie mein Hals sich vor wachsender Dankbarkeit und Erleichterung zuschnürt und räuspere mich leicht, während Kasimir sich noch immer schnurrend auf meinem Schoß räkelt, „d-danke…danke, Merle.“

Sugar & Spice (Johanna & Bianca)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt