Mit wachsender Ungeduld trommle ich mit den Fingern einer Hand auf die Oberfläche des Cafétisches, während mein Blick auf meiner halbvollen Capuccinotasse ruht.
Dass sich eine vielbeschäftigte Frau wie Ottilie Breidenbach zu einem Termin verspätet, ist in der Tat nichts Ungewöhnliches.
Im Allgemeinen sind Menschen, die in den angesehenen Schichten der Gesellschaft verkehren, es gewohnt, dass man auf sie wartet.
Und genau dies werde ich weiterhin tun, auch wenn ich nichts gegen das baldige Erscheinen der stadtbekannten Großinvestorin einzuwenden hätte…Wobei ich wiederum auch sagen muss, dass ich mit einem derart kurzfristigen Treffen ganz und gar nicht gerechnet habe.
Bereits bei unserem gestrigen Telefonat, als ich, anstatt mit einer Sekretärin oder einer Assistentin, gleich höchstpersönlich mit Ottilie Breidenbach gesprochen habe, ist mir das ungewöhnliche Maß an Bodenständigkeit aufgefallen, welches für eine Dame ihres Standes äußerst unüblich ist.
Nachdem ich ihr meine Person und unsere flüchtige Bekanntschaft mit ein paar Worten in Erinnerung gerufen hatte, fragte sie mich sogleich nach dem Grund meines Anrufes,
woraufhin ich ihr von einem vermeintlichen Projekt erzählte, welches ich ihr gerne vorstellen wollen würde, um sie eventuell als Investorin gewinnen zu können.
Meine wahre Absicht konnte ich ihr schließlich nicht so unverfroren am Telefon unterbreiten…Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich erst mit einem Treffen innerhalb der nächsten Wochen gerechnet habe, sofern es denn überhaupt zu einem Treffen kommen sollte, weshalb ich umso verblüffter gewesen bin, als Ottilie Breidenbach mir, nach einem kurzen Blick in ihren Kalender, gleich den folgenden Tag anbot, was ich selbstverständlich sofort annahm.
Auch wenn ich mich mittlerweile ernsthaft frage, weshalb ich Nicole gebeten habe, sämtliche Termine für den heutigen Tag zu streichen oder zu verlegen, wenn die werte Dame weiterhin nicht auftaucht…
Mit einem Seufzer lehne ich mich auf dem mäßig komfortablen Gitterdrahtstuhl zurück und schlage meine langen Beine übereinander, während ich wieder dieses leidselige Gefühl in meiner Brust verspüre, welches mich erst zu diesem Laienschauspiel verleitet hat.
War es wirklich so eine zielführende Idee gewesen, Ottilie Breidenbach unter einem Vorwand zu einem Gespräch zu bitten?
Hätte ich nicht lieber gleich die Karten auf den Tisch legen und ihr direkt sagen sollen, dass ich mit ihr über Bianca sprechen möchte, so wie es auch eigentlich meine Art ist?
Zumal ich ohne diese Versteckspiele und Geheimniskrämereien gar nicht erst in diese missliche Lage mit Bianca geraten wäre…„Seien Sie doch so freundlich, junges Fräulein, und bringen mir bitte einen Pfefferminztee an den Tisch dort drüben. Sieben Minuten ziehen lassen und mit einem kleinen Spritzer frischer Zitrone.“
Ein wenig verblüfft über diese bestimmende, und dennoch zugleich äußerst herzliche Bitte drehe ich meinen Kopf in die Richtung, aus welcher ich die Stimme vernommen habe, und ziehe leicht eine Augenbraue in die Höhe, als ich mit einem Mal Ottilie Breidenbach inmitten des Caféraumes erblicke.
War ich wirklich derart in Gedanken gewesen, dass ich ihr Erscheinen nicht bemerkt habe?
Doch wenn dem so sein sollte, ist die junge Kellnerin, an welche Ottilie Breidenbach sich im Vorbeigehen mit ihrer Bestellung gewendet hat, mindestens genauso sehr in Gedanken gewesen…aber sei es drum.
„Frau Breidenbach“, begrüße ich die Großinvestorin mit einem professionellen Lächeln und bin bereits im Inbegriff, mich standesgemäß von meinem Stuhl zu erheben, als Ottilie Breidenbachs leicht gehobene Hand mich innehalten lässt.„Oh bitte, Frau Schröder. Mein Erscheinen ist keinesfalls ein Grund sich zu erheben“, entgegnet die weltgewandte Dame und bleibt hinter ihrem Stuhl stehen, um dessen Rückenlehnenrand mit beiden Händen zu umschließen, „es sei denn, ich habe Sie allzu lange warten lassen und Sie müssen bereits Ihren nächsten Termin wahrnehmen?“
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Sugar & Spice (Johanna & Bianca)
RomanceErfolgreich. Stolz. Und eiskalt. Mit ihrem akribischen Auge fürs Detail zählt Johanna Schröder zu den gefragtesten Architektinnen ihrer Branche. Gleichermaßen gefürchtet und geachtet von ihren Angestellten und Kollegen versteht Johanna es spielend...