Meine Augenbraue reckt sich um ein kaum merkliches Stück in die Höhe, als ich der Tür meines geparkten Autos einen schließenden Stoß versetze und dabei auf die gegenüberliegende Straßenseite blicke.
Sämtliche Tische im Außenbereich des Cafés „Rich & Pour“, welches ich als unseren Treffpunkt auserkoren hatte, sind bis auf den letzten Platz gefüllt und auch im Inneren des
Cafés scheint sich diese rege Besucherzahl vorzufinden.Hervorragend.
Das ist wohl das Letzte, was mir noch zu meinem heutigen Glück gefehlt hat.
Und dabei könnte ich meine kostbare Zeit doch mit so vielen und weitaus wichtigeren Angelegenheiten füllen, wie beispielsweise mit der Prüfung der angepassten Pläne unseres aktuellen Wohnsiedlungsgroßbauprojekts, welches Ingo, Gerrit und mir gewiss einiges an Prestige in der Branche einbringen wird.Ich quittiere meinen wachsenden Unmut mit dem Verziehen meiner Lippen zu einem schmalen Strich, besinne mich jedoch mit einem tiefen Atemzug.
Wie dem auch sei…
Allzu viel Zeit sollte dieses unsägliche Aufeinandertreffen mit dieser...Person…ohnehin nicht beanspruchen.
Kein Grund also, dem Ganzen mehr Bedeutung zuzuschreiben als vonnöten.
Und unabhängig davon sollte ich so auch endlich Gewissheit über Arnos wahre Scheidungsabsichten erlangen…Noch ein letztes Mal überprüfe ich mein Aussehen im Seitenspiegel meines Autos und streiche eine ungewöhnlich widerspenstige blonde Haarsträhne hinter mein Ohr, bevor ich mich mit gestrafften Schultern in Bewegung setze.
Dieses junge Ding sollte schließlich nicht der trügerischen Illusion erlegen, dass sie mir in irgendeiner Weise überlegen wäre, sobald sie den wahren Grund für meinen Wunsch nach einem Treffen erfährt.
Der Klang eines kleinen Glöckchens ertönt über meinem Kopf, als ich die gläserne Tür des Cafés aufdrücke, wobei ebendieses zarte Klingeln fast vollkommen von dem tosenden Stimmengewirr, welches im Innenbereich des Cafés herrscht, übertönt wird.
Wirklich…hervorragend…
Ich spüre, wie sich der zunehmende Missmut über das Dröhnen in meinen Ohren immer deutlicher auf meinem Gesicht abzeichnet, während ich meine Augen über den Raum gleiten lasse.
Auch hier scheint sich dasselbe Schauspiel zuzutragen, welches sich bereits im Außenbereich des Cafés abspielt.
Jeder einzelne Tisch ist vollständig besetzt, die Luft erfüllt von Kuchenduft und Röstaromen und keiner der anwesenden Gäste scheint auch nur im Entferntesten Anstalten zu machen, sich in allzu naher Zukunft von seinem Platz zu erheben.Na, das scheint sich ja geradezu perfekt in die bisherige Chronologie der heutigen bescheidenen Tagesereignisse einzureihen.
Und als wäre dies nicht bereits unerfreulich genug, scheint es auch weit und breit von dieser…Bianca…keinerlei Spur zu geben!
Das ist doch wirklich kaum zu fassen!„Könnte es sein, dass Sie nach mir Ausschau halten?“
Eine weiche Stimme hinter mir sowie das zaghafte Tippen zweier Fingerspitzen auf meiner rechten Schulter lassen mich meinen Kopf drehen und ich kann nicht anders, als meine Augenbrauen vor überraschtem Erstaunen zu heben, wenn auch lediglich für einen
Sekundenbruchteil.So wie es sich für die adäquate Vorbereitung eines solchen Treffens gehörte, hatte ich mich selbstverständlich auch vorbereitet und sogar vor meiner eigentlichen Terminbuchung das Profil der jungen Dame auf der Website der Agentur entsprechend studiert, weswegen ich auch mit dem Aussehen dieser Bianca bereits bestens vertraut gewesen bin.
Und dennoch muss ich zugeben, dass mich der leibhaftige Anblick der jungen Frau in ihren Zwanzigern doch ein wenig sprachlos werden lässt.
Ihre zierliche Figur wird durch die ärmellose hellbaue Bluse und hüfthohe weiße Stoffhose erstklassig betont.
Der Ton ihres braunen Haares, welches ihr bis zur Kinnlinie reicht und dessen Deckhaar zur Seite gescheitelt ist, wirkt um einiges dunkler, als es auf den professionell aufgenommenen Fotos ihres Profils den Anschein erweckt hat.
Ein Farbton, der sich auf eine angenehme Art in ihren Augen wiederspiegelt, die mich sowohl aufmerksam als auch abwartend anblicken.
Abwartend auf eine Antwort von mir…„Das…“, setze ich an und drehe mich vollständig zu der jungen Dame um, „…hängt ganz davon ab, wer diese Frage stellt, nicht wahr?“
Der Winkel ihres blutrot geschminkten Mundes hebt sich zu einem schiefen Schmunzeln, während ihre braunen Augen für einen Moment an mir hinunter und wieder hoch wandern.
„Frau Schröder, nehme ich an?“, fragt sie stattdessen weiter, unbeeindruckt von meiner Gegenfrage auf die ihrige, und entlockt mir, trotz meines Widerwillens, ein kurzes Nicken. „Dann freue ich mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.“
„Das…Vergnügen…liegt ganz auf meiner Seite, Frau…?“
„Bianca. Schlicht und ergreifend Bianca, Frau Schröder“, entgegnet die junge Frau souverän und schenkt mir ein charmantes Lächeln, ehe sie mit einer grazilen Handbewegung neben sich deutet. „Kommen Sie. Ich habe mir erlaubt, einen Tisch in einem etwas abgelegeneren Bereich des Cafés für uns auszuwählen. Dort sollte es etwas ruhiger zugehen als hier im Eingangsbereich.“
Ich komme nicht umhin, verwundert die Stirn zu runzeln, während ich Bianca folge, die sich zielsicher zwischen den voll besetzten Cafétischen hindurch schiebt.
„Dürfte ich fragen, wie es Ihnen möglich gewesen ist, einen Tisch in diesem scheinbar hoch frequentierten Etablissement zu erlangen?“
„Sie waren wohl noch nicht allzu häufig im „Rich & Pour“, oder?“
Der belustigte Unterton, welcher in der Gegenfrage der jungen Frau mitschwingt, lässt mich für einen Augenblick in meiner Bewegung innehalten, bevor ich verärgert nach Luft schnappe.
„Bereitet es Ihnen eigentlich eine Art von sadistischer Freude, meine Fragen konsequent unbeantwortet zu lassen?“
„Mitnichten, Frau Schröder“, erwidert Bianca, wobei der versöhnliche Unterton in ihrer Stimme mein säuerliches Gemüt ein wenig milder stimmt, als sie neben einem leeren Tisch mit zwei gegenüber stehenden Stühlen zum Halt kommt, „nur sollten Sie sich ihren hübschen Kopf nicht über solche unnötigen Belange zerbrechen. Zumindest nicht, wenn Sie Ihre Zeit mit mir verbringen.“
Hübschen…hübschen Kopf?Während meine Gedanken diesen unerwarteten Worten noch nachhängen, hat Bianca ihre Hände auf der Rückenlehne eines Stuhls platziert und diesen ein Stück vom Tisch zurück gerückt, ehe ihre braunen Augen erneut abwartend zu mir wandern.
Ich zögere noch einen Moment, bevor ich die letzten Schritte zu dem Tisch überbrücke und mich so vor den Stuhl stelle, dass die junge Frau ihn hinter mir wieder heran schieben kann.
„Warten Sie…“ Noch bevor ich Biancas Worte vollständig vernommen habe, spüre ich auch schon ihre Hände auf meinen Seiten ruhen und schnappe erneut nach Luft. „Verzeihen Sie bitte, Frau Schröder. Ich dachte nur, es wäre für Sie um einiges angenehmer, wenn Sie sich Ihres Blazers entledigen würden. Es ist doch recht warm hier im Raum, finden Sie nicht auch?“
„In…in der Tat.“
Ich atme ein weiteres Mal tief durch und bemühe mich zeitgleich darum, den in mir zunehmenden Ärger nicht allzu sehr zur Schau zu stellen.
Wobei ich mir insgeheim auch etwas unschlüssig darüber bin, ob dieser Ärger allein durch die Dreistigkeit dieser jungen Frau, mich ungefragt zu berühren oder auch durch den ungewollten Schauer, welche jene unerwartete Berührung in meinem Körper ausgelöst hat, herrührt.
Aber sei es drum…Ohne ein weiteres Wort öffne ich die drei vorderen Knöpfe meines Blazers und streife diesen von meinen Schultern.
Das Rascheln des feinen Stoffes verrät mir, dass Bianca meinen Blazer sorgsam über der Rückenlehne meines Stuhls legt, ehe sie mir mit einem kaum merklichen Stoß des Stuhls zu verstehen gibt, Platz zu nehmen.Diese Frau scheint wirklich ein geübtes Händchen dafür zu haben, wie sie sich geben muss, um bei anderen Menschen Gefallen zu finden.
Aber bei mir wird sie trotz ihrer wohl kalkulierten Spielchen keinerlei Erfolg finden.
So viel ist gewiss…
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Sugar & Spice (Johanna & Bianca)
RomanceErfolgreich. Stolz. Und eiskalt. Mit ihrem akribischen Auge fürs Detail zählt Johanna Schröder zu den gefragtesten Architektinnen ihrer Branche. Gleichermaßen gefürchtet und geachtet von ihren Angestellten und Kollegen versteht Johanna es spielend...