# 41 - Tränen (Johanna)

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Wohlbedacht darauf, mir mein mit einem Mal schneller schlagendes Herz nicht anmerken zu lassen, halte ich Biancas Blick stand, die wie in Trance zu mir hinaufblickt.

Fast so, als würde sie ihren Augen über meine plötzliche Anwesenheit nicht trauen…

Ein Misstrauen, welches ich ihr nicht verübeln kann, da ich selbst bis vor knapp zwei Tagen nichts von unserem unerwarteten Wiedersehen gewusst oder gar geahnt habe.

Insbesondere nicht nach dem Ausgang meines Treffens mit Ottilie Breidenbach…

Meiner Bitte, mir bei der Herstellung des Kontaktes zu Bianca behilflich zu sein, ist die stadtbekannte Investorin anfänglich bloß mit einer hochgezogenen Augenbraue begegnet, was ich in Anbetracht ihres besonderen Verhältnisses zu Bianca sogar nachvollziehen kann.
Nichtsdestotrotz hat sie mich dennoch nach einigen Augenblicken des gegenseitigen Anschweigens mit einem tiefen Seufzer um Bedenkzeit gebeten, welche ich ihr verständlicherweise gewährt habe.

So sind fast drei Wochen ohne eine signifikante Nachricht oder einen Anruf seitens Ottilie Breidenbach verstrichen und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich noch mit einer solchen gerechnet hätte.
Ein Umstand, welcher mich gewiss um einiges tiefer getroffen hätte, wenn nicht noch der Scheidungstermin mit Arno angestanden hätte…

So kam ich nicht umhin zu bemerken, dass es einer fast schon ironischen Fügung des Schicksals gleicht, dass die werte Großinvestorin mich ausgerechnet kurz nach meinem
Termin im Gericht kontaktiert und mich von ihrem gemeinsamen Abendessen mit Bianca in Kenntnis gesetzt hat, was in ihren Augen eine gute Möglichkeit für mich darstellen könnte, noch einmal mit Bianca zu reden und mich ihr zu erklären.

„Ich hoffe, dass Sie Ihre Chance zu nutzen wissen, Frau Schröder. Denn dies wird gewiss das einzige Mal sein, dass ich Ihnen in dieser Angelegenheit behilflich sein werde. Ich bin wahrlich keine Freundin von Geheimniskrämereien oder derartigen Versteckspielen, aber da Ihre Absicht in erster Linie von Ihrem Wunsch herrührt, sich bei Bianca zu entschuldigen, kann ich dies gerade noch mit meinem Gewissen vereinbaren…“

Ich höre Ottilie Breidenbachs Worte in meinem Gedächtnis widerhallen, während ich immer noch auf Bianca hinabschaue, deren Gesichtszüge sich in der Zwischenzeit um einiges verhärtet haben.

„Was machen Sie denn hier?!“

Fassungslosigkeit und Abscheu schwingen in den gezischten Worten der jungen Frau mit, die ihre Stimme trotz der für sie mehr als konfusen Situation bewusst gesenkt hält, um nicht die Aufmerksamkeit der übrigen Gäste an den umlegenden Tischen auf sich zu ziehen.

Gelernt ist eben gelernt…

Ich übergehe Biancas vorwurfsvolle Frage mit der leichten Wanderung meines Blickes zu dem freien Stuhl gegenüber von ihr, auf welchem bis vor wenigen Minuten noch Ottilie
Breidenbach gesessen hat, bevor ich zurück zu dem braunen Augenpaar der jungen Frau blicke.

„Darf ich mich setzen?“

„Nein, ganz sicher nicht!“, schnaubt Bianca, wobei ihre Stimme um einiges bestimmender klingt, als ich sie bislang kannte, und richtet sich in ihrem Stuhl kerzengerade auf, „ich lege weder Wert auf Ihre Gesellschaft noch wünsche ich ein Gespräch mit Ihnen! Und nur für den Fall, dass es Ihnen entgangen sein sollte, aber ich bin hier heute Abend nicht allein, sondern in Gesellschaft, und würde es daher umso mehr begrüßen, wenn Sie…“

„Ich bin mir sicher, dass Frau Breidenbach nicht gegen eine Unterhaltung zwischen uns einzuwenden hat“, halte ich gegen die harschen Worte der jungen Frau und ignoriere das unerwartet stechende Gefühl in meiner Brust, bevor ich mit langsamen Schritten an Biancas
Stuhl vorbeitrete und gegenüber von ihr Platz nehme.

Sugar & Spice (Johanna & Bianca)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt