Ich fasse es nicht, dass ich mich darauf eingelassen habe…
Ein tiefes Schnauben verlässt meine Brust, während ich mit fest verschränkten Armen vor der schneeweißen Wohnungstür stehe und darauf warte, dass Frau Schröder mir auf mein Klingeln hin aufmacht.
Dabei spüre ich, wie zeitgleich der Ärger in mir über Ottilies schwachsinnigen Wunsch weiter und weiter wächst.Verdammt, warum in aller Welt habe ich mich dazu breitschlagen lassen, mit einem von Ottilie bestellten Taxi zu der Adresse von Frau Schröder zu fahren?!
Ich meine, abgesehen davon, dass Frau Schröder nach unserer Auseinandersetzung im Restaurant sicherlich keinerlei Wert mehr auf meine Gesellschaft legen wird, nützt diese Unterhaltung doch niemandem etwas!
Weder ihr noch mir und vor allen Dingen nicht Ottilie!
Was also hat sich diese alte Dame mit ihren verfluchten kryptischen Andeutungen dabei nur gedacht?!
Glaubt sie etwa, dass ich am Ende doch nachgeben und Frau Schröder meine Gefühle gestehen werde?!
Denn wenn dies so sein sollte, werde ich nicht nur sie, sondern auch Frau Schröder enttäuschen müssen!
Nein…diesen letzten…allerletzten Triumph über mich werde ich dieser eiskalten gefühllosen Frau ganz sicher nicht gönnen…Eine ungewöhnliche Schwere legt sich über mein eben noch stark klopfendes Herz und ich lasse kraftlos meine Schultern hängen, während meine Augen über die Maserungen der geschlossenen Tür gleiten.
Es ist schon spät…wahrscheinlich schläft sie bereits…
Oder sie ist noch gar nicht zu Hause und noch irgendwo in der Stadt unterwegs…
Was auch immer…hier scheint sie jedenfalls nicht zu sein…Mit einem tiefen Seufzer bin ich bereits im Inbegriff, mich von der Tür abzuwenden, als ich mit einem Mal ein leises Tapsen wahrnehme.
Das leise Tapsen von zögernden Schritten hinter der Wohnungstür…„Frau Schröder?“, frage ich in die Stille des Treppenhauses hinein und hätte mir über den Ausspruch meiner abwägenden Gedanken am liebsten auf die Zunge gebissen.
Ein unbemerktes Verschwinden meinerseits hat sich damit wohl erübrigt…
Dann bleibt wohl nur noch die Flucht nach vorn…Ich hole tief Luft und fasse all meinen Mut zusammen, bevor ich mich wieder vollständig zu der Wohnungstür wende, meine Hand hebe und zweimal kurz dagegen klopfe.
„Frau Schröder? Ich bin es, Bianca“, bringe ich gefestigter, als ich es zunächst vermutet hatte, hervor und räuspere mich, als ich erneut die näher kommenden Schritte hinter der Tür und das daran anschließende Aufriegeln eines Schlosses wahrnehme, „es…es tut mir Leid für die späte Störung. Und ich hatte auch ehrlich gesagt gar nicht vorgehabt hierher zu kommen, aber…a-aber…“
Meine Stimme versagt und ich spüre stattdessen, wie sich mein Mund in stiller Fassungslosigkeit öffnet, als die Wohnungstür nach innen aufgezogen wird und Frau Schröder im Türrahmen erscheint.Und auch wenn ihr verhärteter Gesichtsausdruck und das leicht in die Höhe gereckte Kinn mich unter anderen Umständen und wie auch schon oft zuvor hart schlucken lassen würden, wird dieses sonst so erhabene Bild der begabten Architektin durch den ungewöhnlich geröteten Rand um ihre sturmgrauen Augen und den getrockneten Tränenstreifen auf ihren Wangen getrübt.
Frau Schröder…sie hat…sie hat geweint?
Sie hat geweint?!
Etwa wegen…wegen mir…?
Unfähig einen klaren Satz zu denken, geschweige denn ihn sauber auszuformulieren, starre ich die blonde Frau einfach nur an, bis Frau Schröder nach einigen Augenblicken des gegenseitigen Anschweigens aufschnaubt und ihre Finger etwas fester um den Griff ihrer Türklinke schließt.
„Aber was?“, fragt sie, um meinen abgebrochenen Satz von zuvor aufzugreifen, wobei ihre Stimme ungewöhnlich gepresst und angespannt klingt. „Meiner Erinnerung nach hatten Sie vor nicht einmal zwei Stunden noch darauf bestanden, mich nie wieder zu sehen. Dürfte ich also erfahren, was diesen ungewöhnlichen Sinneswandel herbeigeführt hat? Zumal ich mich darüber hinaus auch nicht entsinnen kann, Ihnen jemals meine Wohnadresse mitgeteilt zu haben.“
„Da haben Sie Recht“, pflichte ich Frau Schröder bei und übergehe ihre übrigen Worte, indem ich sie weiter einfach nur ansehe.
Das…das ist alles nur eine Fassade.
Dieser hoheitsvolle Auftritt…dieses unberührte Getue…fast als wüsste sie nicht, dass die Spuren ihrer Tränen noch mehr als deutlich auf ihrem Gesicht abgezeichnet sind…
Sie…sie ist vollkommen überfordert mit ihren Gefühlen…und…und vielleicht…und vielleicht auch mit ihren Gefühlen für mich?
„Da haben Sie Recht“, wiederholt Frau Schröder meine vorherigen Worte, wobei der darin mitschwingende Spott die Angeschlagenheit ihrer Stimme fast gänzlich überdeckt, „ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben, Bianca?“
Ich nicke nur stumm, was die talentierte Architektin dazu veranlasst, sowohl verständnislos als auch abfällig aufzulachen.
„Aha, und wie haben Sie sich dann diese Konversation bitte vorgestellt? Schließlich sind Sie doch diejenige, die hier mitten in der Nacht unangekündigt vor meiner Türe aufschlägt und-…“
Nun ist es Frau Schröder, die abrupt verstummt, was jedoch nicht ihrem plötzlichen Innehalten sondern meinem Zeigefinger auf ihren Lippen geschuldet ist.
Schweigend betrachte ich die blonde Frau vor mir und spüre, wie meine Gesichtszüge immer mehr an Sanftheit gewinnen, wohingegen die sturmgrauen Augen vor mir immer größer werden.
Vermutlich hat sich noch nie zuvor jemand getraut, ihr so unerwartet nahe zu kommen…
Geschweige denn ihr den Mund zu verbieten…Ein zartes Lächeln der Belustigung breitet sich bei diesem Gedanken auf meinen Lippen aus und ich sehe Frau Schröder hart schlucken, als mein Zeigefinger von ihrem Mund zusammen mit dem Rest meiner Hand in ihren Nacken wandert, um ihren Kopf so näher zu mir zu bewegen.
„B-Bianca, w-was…w-w-was…“, setzt die sonst so resolute Frau mit zitternder Stimme an, bevor diese sie endgültig verlässt und sich erst in einem erstickten Keuchen wieder findet, welches Frau Schröder von sich gibt, als meine Lippen sich in einem zärtlichen Kuss auf ihre legen.
Oh…wow…Auch wenn die unbeschreibliche Weichheit und das unglaubliche Gefühl von Frau Schröders Lippen ein Verlangen in mir auslösen, welches ich schon seit Jahren nicht mehr empfunden habe, vertiefe ich unseren Kuss nicht, sondern löse mich nach einigen Herzschlägen wieder von ihr, um sie zu betrachten.
Ihr Atem ist schwer, ihre Wangen gerötet und ihre Augen noch von dem Kuss geschlossen, welche sich jedoch kurz darauf ebenfalls öffnen und ihr unfokussierter Blick zwischen meinen Augen und meinem Mund hin und her springt.
Ihrer stummen Bitte folgend lehne ich mich für einen weiteren Kuss zu ihr vor, wobei sie dieses Mal ein sanftes Seufzen von sich gibt, als sich unsere Lippen berühren, bevor ich mich nach einigen sinnlichen Augenblicken erneut zurückziehe.
Frau Schröder folgt mir jedoch und hat auf halber Strecke meinen Mund bereits in einen weiteren Kuss eingenommen, was mir in Verbindung mit dem plötzlichen Griff ihrer Finger an meinem Kinn ein leichtes Stöhnen entlockt.
Offenbar etwas überrumpelt von meinem unerwarteten Laut weicht Frau Schröder prompt von mir zurück und betrachtet mich mit einem Blick, den ich nicht so recht zu deuten weiß, weshalb ich meine Finger aus ihrem Nacken löse und zu dem Kragen ihrer Bluse wandern lasse.
Mit spitzen Fingern zupfe ich an dem dünnen Stoff, bis ich schließlich einen Teil von Frau Schröders Schlüsselbein freigelegt habe und meinen Mund dort auf ihrer nackten Haut platziere.
Nun ist es Frau Schröder, der ein ungewolltes Stöhnen entgleitet, als meine Lippen über ihr Schlüsselbein hinweg zu ihrem Hals hinauf wandern und diesen liebkosen, bis sie mich schließlich ungewöhnlich bestimmend von sich wegdrückt und mir fest, wenn auch schwer atmend, in die Augen sieht.
„I-Ich…ich denke, wir sollten diese…K-Kon-…diese K-Konversation…in meiner Wohnung fortführen…“
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Sugar & Spice (Johanna & Bianca)
RomanceErfolgreich. Stolz. Und eiskalt. Mit ihrem akribischen Auge fürs Detail zählt Johanna Schröder zu den gefragtesten Architektinnen ihrer Branche. Gleichermaßen gefürchtet und geachtet von ihren Angestellten und Kollegen versteht Johanna es spielend...