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In der Garderobe war es heiß, laut und stickig. Obwohl wir nur zu zwölft waren, war der Lärmpegel enorm, die Stimmung ausgelassen. Bisher hatten mich alle, mit denen ich geredet hatte, freundlich begrüßt, trotzdem schüchterte mich die Menge an fremden Menschen ein und ich hielt mich in der Nähe von Nova, die mir geduldig alles erklärte. Ich war ihr sehr dankbar dafür.

„Dort hinten findest du Kleidung", sagte sie und deutete auf eine Wand, die aus einem einzigen durchgehenden Schrank bestand. „Die Sachen werden täglich frisch gewaschen und aufgefüllt, du kannst dir jeden Abend selbst aussuchen, was du für deinen Auftritt anziehen möchtest. Achte nur auf die Größen."

Der Schrankwand gegenüber befand sich eine breite Spiegelfront mit einem durchgehenden Frisiertisch davor, an dem bereits einige der Tänzerinnen saßen und sich schminkten oder die Haare eindrehten. Obwohl ich nach einem Blick auf den Plan gesehen hatte, dass mein Auftritt erst in zwei Stunden sein würde, wuchs meine Aufregung mit jeder Minute. Ich hatte das Gefühl, die Zeit raste nur so dahin. Ich sollte bereits als Dritte tanzen. Laut Nova war das perfekt. Ich hätte zwei Tänzerinnen vor mir, sodass ich mir ein ungefähres Bild davon machen konnte, was mich erwartete – die beiden vor mir waren Daria und Lillian, zwei Frauen, die laut Nova auch nichts anderes taten, als sich auszuziehen und sich dabei ein wenig lasziv zu bewegen –, aber nicht so viele, dass ich bis zu meinem eigenen Auftritt vor Nervosität durchdrehen würde.

Ich versuchte, mich auf meine Vorbereitungen zu konzentrieren und die Gedanken an später zu verdrängen, bis sie sich nicht mehr verdrängen ließen.

Ein rothaariges Mädchen baute sich vor mir auf. Sie trug ein knappes Kleid, hatte die Hände in die Hüften gestemmt, war einen halben Kopf größer als ich – da ich klein und zierlich war, waren das die meisten –, und funkelte aus hellgrünen Augen auf mich hinab. „So, du bist also die Neue, ja? Und du glaubst, dass du dich an Cassiel ranmachen kannst?"

„Wa-was?", stammelte ich. Ich wusste nicht, wer sie war. Sie hatte sich nicht vorgestellt und musste die Garderobe gerade erst betreten haben. Auch am Nachmittag auf dem Deck hatte ich sie nicht gesehen.

Nova schob sich vor mich. „Niemand macht sich hier an irgendwen ran, Avah", sagte sie streng. „Was für ein Unsinn!"

Der Name Avah ließ etwas in mir klingeln, doch im ersten Moment wusste ich nicht, was.

Die Rothaarige warf den Kopf in den Nacken. „Ich habe gehört, dass Cassiel sie persönlich zum Schiff gebracht hat", erklärte sie. Dann wandte sie sich wieder an mich. „Bilde dir nur nicht ein, dass das was zu bedeuten hat. Ich weiß nicht, was für dreckige Sachen du ihm angeboten hast, aber es wird dir nichts bringen. Cassiel lässt sich nicht auf Menschenfrauen ein."

„Ich habe nicht ... ich wollte nicht ...", stammelte ich, doch da machte sie bereits auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon.

Ratlos sah ich zu Nova, die seufzte nur und zuckte die Achseln. „Mach dir keine Gedanken", sagte sie nur. „Avah ist ... schwierig. Ich erzähle es dir später."

Nun erinnerte ich mich wieder. Avah war das Mädchen, vor dem Nova mich am Morgen gewarnt hatte – nun wusste ich auch, warum. Was hatte sie nur gegen mich?

Verstohlen beobachtete ich sie dabei, wie sie zum Schrank ging, sich ungeniert aus ihrem Kleid und ihrer Unterwäsche schälte und im Anschluss etwas anzog, das wie eine viel zu knappe Hausmädchenuniform aussah.

„Nun gut, lass uns weitermachen", riss Nova mich aus meinen Gedanken. „Dort drüben geht es ins Badezimmer." Sie zeigte in Richtung einer geschlossenen Tür am anderen Ende des Raumes. „Da drin sind mehrere Duschen und alles, was du brauchst. Bist du rasiert?"

Above the Winter Skies [Dark Romantasy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt