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Ich fuhr herum.

„Entschuldigung", entfuhr es mir. „Ich ... ich konnte nicht mehr liegen."

Er strich mir eine lockere Strähne hinter das Ohr. Eine unerwartet zärtliche Geste, die meinen Herzschlag für einen kurzen Moment aus dem Takt brachte. „Du musst dich nicht entschuldigen. Dies ist jetzt für die nächsten Tage dein Zuhause, fühl dich also auch so. Hast du Hunger?"

Wie auf Kommando knurrte mein Magen. Cassiel lächelte und legte eine Hand auf meinen unteren Rücken, mit der er mich sanft vom Fenster weg führte.

„Das habe ich mir gedacht", sagte er. „Du warst tapfer, Lumi. Das hat mir sehr gefallen. Ich habe uns im Esszimmer Frühstück anrichten lassen."

Dort ist er also gewesen. Er bugsierte mich zu den beiden Türen, die ich nicht zuordnen konnte, und zeigte auf die linke von ihnen. „Dort ist das Badezimmer, falls du dich zuerst frischmachen möchtest. Daneben das Esszimmer. Wir können auch zuerst essen. Ich überlasse dir die Entscheidung."

Ich nickte erleichtert. „Badezimmer klingt gut." Zu gern hätte ich einen Blick in den Spiegel geworfen und mich ein wenig hergerichtet – zwar fühlte ich mich gut, nach den gestrigen Strapazen befürchtete ich jedoch, schrecklich auszusehen. Außerdem musste ich unbedingt meine Zähne putzen und zur Toilette.

Cassiel nickte. „Lyndor hat dafür gesorgt, dass du alles vorfindest, was du brauchst. Bediene dich einfach. Wenn etwas fehlen sollte, lass es mich wissen, dann kümmere ich mich darum, dass du es bekommst. Ich warte im Esszimmer auf dich. Lass dir Zeit, genieße es."

Bei Lyndors Namen zuckte ich zusammen, doch Cassiel schien es nicht zu merken. Ich hatte nicht daran gedacht, den jungen Mann wiederzusehen, aber nun erschien es mir nur wahrscheinlich. Offensichtlich war er für die Pflege von Cassiels Suite verantwortlich und nun auch für mich. Wusste er bereits, dass ich nun hier war? Würde er eins und eins zusammenzählen können? Und hätte es noch immer Konsequenzen für ihn, wenn Cassiel herausfinden würde, dass er mir das Passwort verraten hatte?

Schnell verscheuchte ich die Gedanken und mein schlechtes Gewissen, huschte ins Bad und verschloss die Tür hinter mir. Als ich mich umdrehte, dachte ich im ersten Moment, mich im Raum geirrt zu haben, so weit entfernt war das, was vor mir lag, von meiner Vorstellung eines Badezimmers.

In Hjartvik hatte ich lediglich einen zinnernen Eimer in meiner Dachkammer gehabt, den ich mit eisigem Wasser aus dem Brunnen füllen konnte. Wenn ich mich nicht kalt waschen wollte, musste ich Wasser in einem Topf auf dem Ofen erhitzen und in den Eimer gießen, damit es wenigstens lauwarm wurde, aber wenn Eldrid mir den Zugang zur Küche verweigerte, war auch das nicht möglich. Und um ehrlich zu sein, verweigerte sie ihn mir ziemlich oft, wenn ich nicht gerade dort arbeiten musste. Sie hatte es immer damit gerechtfertigt, dass sie mir nicht traute und Angst hatte, ich könnte sie bestehlen, aber langsam dämmerte mir, dass sie mich auch in diesem Punkt möglicherweise einfach nur schikanieren wollte.

Jedenfalls hatte ich an vielen Tagen die Wahl gehabt, mich eiskalt zu waschen oder es bleiben zu lassen – und von einer Toilette mit Spülung brauchte ich gar nicht erst träumen. Für solche Dinge gab es das Plumpsklo hinter dem Haus. Kurz gesagt: Genuss war das Letzte, was mir bei meiner Körperhygiene durch den Kopf ging. Es war eben ein notwendiges Übel, eine lästige Pflicht, die ich in der Kälte so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte.

All diese Bilder und Gedanken gingen mir nun durch den Kopf, als ich mich in Cassiels Badezimmer umsah, sie wurden jedoch nach und nach von meiner Faszination vertrieben. Natürlich waren bereits mein Badezimmer und die Gemeinschaftsduschen bei den Tänzerinnen eine große Verbesserung gewesen, das hier jedoch übertraf meine kühnsten Träume bei weitem.

Der Raum war größer als mein ehemaliges Zuhause, größer als mein Zimmer bei den Tänzerinnen, und jeder Zentimeter davon strahlte pure Eleganz aus. Der Boden bestand aus weißem Marmor, kühl an meinen nackten Füßen, aber nicht kalt. Angenehm.

Die Wände wurden von Fliesen in einem sanften Türkis bedeckt, das an das klare Wasser eines exotischen Ozeans erinnerte. Goldene Akzente zierten die Platten, Federn und Blumenranken – ein Muster, das sich durch das gesamte Schiff zog, wie mir klar wurde. Ein Fenster gab es hier zwar nicht, ich hatte jedoch den Eindruck, dass die Wände selbst leuchteten und schimmerten, als würde sich Licht im Wasser brechen. Der Großteil der Beleuchtung kam allerdings von Kerzen, die in kleinen goldenen Wandhalterungen ruhten. Ihr sanftes Flackern tauchte das Zimmer in eine warme, beruhigende Atmosphäre, die durch sanfte Klaviermusik aus Lautsprechern in der Wand verstärkt wurde.

Ein großer Spiegel, umrahmt von vergoldetem Holz, erstreckte sich über einen breiten Marmorwaschtisch. Darauf befanden sich Kristallflakons mit duftenden Ölen und Lotionen, eine Schale mit frischen Blütenblättern stand daneben. Der Duft von Vanille und Lavendel lag in der Luft. Neben dem Waschtisch gab es einen schmalen, hohen Schrank in glänzendem Weiß, schlicht und elegant.

In einer Ecke des Raums befand sich eine Dusche mit goldenen Armaturen, die wie kleine Skulpturen geformt waren: Federn und Weinreben. Der Duschbereich war von Glaswänden umgeben. Und in einer anderen Ecke, halb von einem goldenen Paravent verborgen, war schließlich eine Toilette, dezent und unaufdringlich.

Das Herzstück des Zimmers befand sich jedoch direkt vor mir, in der Mitte des Bads: Eine freistehende Wanne, in der mindestens zehn Menschen Platz hätten, von goldenen Löwenpranken getragen. Sie war riesig und bereits gefüllt, das Wasser schimmerte in einem leichten Perlmuttton und Dampf stieg daraus auf. Davor lag ein dicker weißer Teppich. Ich hatte nicht vorgehabt, zu baden, doch nun konnte ich mir nicht vorstellen, es nicht zu tun. Hatte Cassiel nicht gesagt, ich solle mir Zeit lassen? Hatte er etwa die Wanne für mich vorbereiten lassen?

Als ich näherkam, sah ich, dass auf einem Schemel hinter der Wanne bereits ein weißer Bademantel lag, der eindeutig für mich bestimmt war. All das war dermaßen einladend, dass ich nicht nein sagen konnte, und so schlüpfte ich aus meinem Kleid, und stieg nach einem schnellen Abstecher zur Toilette in die Wanne.

Above the Winter Skies [Dark Romantasy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt