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Frühstück und Mittagessen nahmen wir für gewöhnlich in einem Speisesaal ein, der eigens uns Menschen diente. Als ich mich am nächsten Morgen mit Nova auf den Weg machte, wartete jedoch eine Überraschung auf mich. Noch vor dem Aufzug stand Cassiel.

Ich erschrak so sehr, als ich ihn sah, dass ich über meine eigenen Füße stolperte und hingefallen wäre, wenn Nova mich nicht rechtzeitig am Arm gepackt hätte.

„Gu-guten Morgen", piepste ich und sah an ihm hoch. Er war leger gekleidet, trug dunkle Stoffhosen und ein waldgrünes Shirt mit kurzen Ärmeln, das den Blick auf einen beachtlichen Bizeps freigab. Himmel, seine Arme waren so breit wie meine Oberschenkel, nur dass sie im Gegensatz zu ihnen stahlhart aussahen. Unwillkürlich musste ich mir vorstellen, was er mit ihnen alles tun könnte. Wie er mich halten könnte, während er mich mit dem Rücken gegen eine Wand presste und ...

Schnell verscheuchte ich diese Gedanken.

„Guten Morgen, Erhabener", sagte Nova und deutete einen leichten Knicks an.

Wir beide warfen uns einen fragenden Blick zu. Wieso war er hier? Gab es ein Problem?

Doch er hatte uns keine Frage gestellt, so schwiegen wir und warteten darauf, dass er sagte, was los war.

Er griff nach meinem Kinn und hob es an, sodass ich den Blick von seiner breiten Brust reißen und ihm in die Augen sehen musste.

„Hattest du schöne Träume nach dem gestrigen Abend?", fragte er. In seinen Augen tobte der Schalk und ich schnappte nach Luft.

„J-ja", stammelte ich. Ich hörte Nova neben mir scharf einatmen, doch ich wagte es nicht, zu ihr zu blicken. Noch immer hielt Cassiel mein Kinn, den Daumen nur wenige Millimeter von meinen Lippen entfernt, und automatisch musste ich an gestern zurückdenken. Kurz flackerte ein Bild vor meinem inneren Auge auf, wie er ihn mir in den Mund schieben und ich daran lutschen würde. Meine Wangen erhitzten sich und erschrocken drängte ich das ungebetene Bild beiseite.

„Das freut mich sehr", sagte er. „Ich auch. Ich habe seit gestern viel an dich gedacht. Ich würde mich freuen, wenn du heute mit mir zu Mittag isst."

„Ich ...", stammelte ich. „Ja, natürlich."

Er ließ mich los und ich warf nun doch einen Blick zu Nova, die mich mit großen Augen ansah und kaum merklich nickte. Ich war mir nicht sicher, ob ich dazu verpflichtet war, aber sicher wäre ein Nein keine gute Idee gewesen. Vor allem deshalb, weil ich ebenfalls ständig an ihn denken musste und innerlich jubelte, dass ich nicht bis zum Abend warten müsste, um ihn wiederzusehen.

Zu dritt stiegen wir in den Aufzug und fuhren nach oben. Nova verließ uns bereits im dritten Untergeschoss, wo die Aufenthalts- und Speisesäle der Menschen waren, ich fuhr mit Cassiel weiter. Er sagte nichts und ich sah zu Boden, doch aus dem Augenwinkel sah ich die Stockwerksanzeigen an mir vorbeifliegen. Offensichtlich fuhren wir in den Bereich der Engel. Ich wurde nervös und mir lagen tausend Fragen auf der Zunge, doch da ich nicht selbständig das Wort an ihn richten durfte, schwieg ich.

Stattdessen warf ich einen kurzen Blick nach oben und stellte fest, dass er mich amüsiert musterte. Mit zwei Fingern streichelte er über meine Wange, wie gestern. „Willst du wissen, was ich gemacht habe, während ich an dich gedacht habe?", fragte er. Mein Mund wurde trocken. Ich nickte.

„Ich habe es mir selbst besorgt. Und ich bin so heftig gekommen, wie schon lange nicht mehr, Lumi. Zuerst habe ich an den gestrigen Abend gedacht und daran, wie sehr es mir gefallen hat, dir zuzusehen. Wie du vor mir auf deinen Knien lagst und gestöhnt hast, wie dein ganzer Körper gebebt hat, als du gekommen bist. Dann musste ich daran denken, wie schön es wäre, wenn du meinem Angebot zustimmen würdest. Wenn ich beim nächsten Mal derjenige sein darf, der dich so zum Stöhnen bringt. Ich habe mir vorgestellt, wie ich dich im Nacken packen und mit dem Gesicht gegen die Wand drücken würde, wie du willig dein Röckchen für mich hebst und ich ihn dir genüsslich von hinten reinschiebe."

Ich stieß ein leises Wimmern aus und presste die Schenkel zusammen. Warum nur, warum hatten seine Worte eine solche Wirkung auf mich?

„Ich werde auch ganz zärtlich sein, versprochen", sagte er, doch er zwinkerte dabei. „So, wir sind da. Ich hoffe, du hast Hunger. Das Essen hier oben ist göttlich."

Der Aufzug hielt im fünften Stockwerk an und der abrupte Themenwechsel machte mich ganz schwindelig. Ich wurde das Bild, das er mir in den Kopf gepflanzt hatte, nicht mehr los. Als wir den Lift jedoch verließen, wurde ich allerdings abgelenkt.

Cassiel führte mich durch eine gigantische Gartenanlage. Wobei das gnadenlos untertrieben ist. Ich wusste nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte. Links und rechts von uns erstreckte sich ein wahrer Dschungel aus exotischen Pflanzen, meterhohen Palmen, Farnen und seltsamen Blumen, die ihre Blütenblätter öffneten und schlossen, als ob sie im Rhythmus eines uralten Liedes atmen würden. Glitzernde Wasserfälle stürzen von schwebenden Inseln herab und die Luft war erfüllt von ihrem Rauschen, das sich mit dem Zwitschern von Vögeln mischte.

Ein sanfter Wind strich durch die Gärten und ein Hauch von süßem Blütenduft umgab uns.

Ich legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben, nur um festzustellen, dass die Decke aus einer gigantischen gläsernen Voliere bestand. Nun wusste ich auch, wo das Zwitschern herkam. Die riesigen Vogelkäfige erstreckten sich in schwindelerregenden Höhen über die gesamte Anlage, durchzogen von funkelnden Lichtstrahlen, die sich in den schillernden Federn der Vögel fingen. Jeder Käfig barg eine einzigartige Vielfalt an geflügelten Geschöpfen – von himmlischen Singvögeln mit schimmerndem Gefieder bis hin zu majestätischen Greifen, die in der Luft ihre Kreise zogen. Darüber schien nichts als wolkenloser Himmel zu sein, doch das konnte nicht sein. Über uns musste es noch weitere Stockwerke geben.

Ich verstand nicht, wie das möglich war.

Zu gern hätte ich Cassiel gefragt, ob all das nur eine Illusion war. Stattdessen folgte ich ihm über eine hängende Brücke, die zwischen all den fremdartigen Pflanzen und Geflechten hindurchführte. Ich legte meine Hand auf das Geländer und der sanfte Puls der Magie darin durchströmte meinen Körper.

Direkt vor einem tosenden Wasserfall hörte die Brücke schließlich auf.

„Nach dir", sagte er und machte eine galante Handbewegung in Richtung des Wassers.

Verwirrt sah ich ihn an, dann lachte er. „Geh einfach hindurch, du wirst sehen."

Ich schluckte. Und dann tat ich, was er mir sagte.

Above the Winter Skies [Dark Romantasy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt