The Struggle is real

16. Golden Entertainments Kontroversen

Das Flugzeug ruckelte leicht, als es weitere Turbulenzen über sich ergehen ließ. Minseos Kopf wurde durch das Ruckeln gegen die Wand geschlagen und riss ihn aus seinem Schlaf. Alles tat ihm weh. Trotz ihres Privatjets waren die Sitze nicht wirklich bequem, viel zu unbequem für einen Flug dieser Länge. Die anderen um ihn herum waren auch wach und stierten entweder in die Leere oder auf die Bildschirme ihrer Handys.

Keiner redete. Keiner wollte hier sein.

Minseo liebte Amerika eigentlich. Als er noch klein war, waren sie regelmäßig dorthin geflogen um seine Großeltern zu besuche, er hatte nur schöne Erinnerungen an diese Reisen. Und nun wurde er förmlich dazu gezwungen dorthin zu fliegen. Einen Haufen schlechter Gefühle und niedriger Erwartungen im Gepäck.

„Kann man eigentlich schon Heimweh haben, wenn man noch nicht mal richtig weg ist?", fragte Jaebom schließlich. Er hatte ungefähr hundert Reisetabletten gefressen und wurde jedes Mal grüner im Gesicht wenn der Flieger wackelte. Nun lehnte er in eine Decke gekuschelt mit Kopfhörern in seinem Sitz und sah fragend in die Runde.

„Sag nicht du willst wieder nach Korea", sagte Florian. Er war seit Yumis Wutanfall ziemlich schweigsam gewesen, und Minseo wusste mittlerweile, dass dies nicht von einem schlechten Gewissen kam. Florian war wütend auf das Entertainment. Das hatte er deutlich gemacht, als sie gestern Abend in der Küche gestanden waren und das Statement zu Jiyoons Abwesenheit auf ihrer Amerikareise lasen.

„Aufgrund einer Grippe ist es Jiyoon nicht möglich an den Terminen in Amerika teilzunehmen.", las Florian verächtlich, „Klar eine Grippe, was sonst. Darum machen die auch so einen Wind darum, dass er im Krankenhaus ist. Klar."

Minseo hatte nicht gewusst, was er erwidern sollte. Er war auch aufgebracht, aber er hatte geschwiegen.

„Ich will eigentlich gar nirgendwo hin", sagte Jaebom leise, „Mit sowas hab ich nicht gerechnet."

„Das hat wohl keiner", erwiderte Nolan, ohne den Blick von seinem Subway Surfer Spiel zu wenden, „Aber ich schätze wir haben jetzt keine andere Wahl mehr, wenn ihr nicht wollt, dass ich dem Pilot sage, dass er wieder nach Korea zurückfliegen soll."

„Amerika hätte so schön werden können.", schnaubte Florian.

„Vielleicht wird es das ja", versuchte Nolan ihn zu beschwichtigen, „Vielleicht heißt es sobald wir gelandet sind, dass es Jiyoon gut geht und er schon im nächsten Jet sitzt, um uns hinterherzukommen."

„Das ist ne lächerliche Vorstellung", sagte Jaebom trocken.

„Was denn? Kann ich mir nicht wenigstens etwas Optimismus angesichts der Tatsache erlauben, dass wir in der jetzigen Situation feststecken und komplett unter der Fuchtel von Golden Entertainment stecken??"

Der Ton klang nicht nach ihrem Leader, der sonst immer so emotional kontrolliert war und bereit war alle um ihn herum zu beruhigen und ihnen Mut zuzusprechen.

„Sorry", murmelte Jaebom und drehte den Kopf weg, um zum Fenster hinauszuschauen, auf das Wolkenmeer hinunter, dessen flauschige Weiten die Erde unter sich verdeckten. Alles wirkte so weit entfernt von ihnen und doch war es so nah, dass die Sorgen weh taten.

„Deine Mum ist ein Tyrann", sagte Florian.

„Ich hätte euch warnen sollen, dass ihr gar nicht erst bei Born Singer mitmacht", erwiderte Jaebom tonlos, „Sie war schon immer so, zu allen Gruppen. Golden Entertainment ist schon seit Staffel eins von Born Singer erbarmungslos mit seinen Idols umgegangen."

„Hast du das nicht gewusst?", fragte Florian.

„Doch, aber meine Mum hat sich immer so gefreut, wenn ich Gesangsstunden genommen habe. Als ich zehn oder so war, bin ich zum ersten Mal mit ihr auf der Bühne gestanden. Das war glaub ich das erste Mal, dass sie richtig stolz auf mich war. Das war sonst nicht so. Sie hat sich immer schon mehr für Born Singer und ihre Idols interessiert als mich und da hab ich mir gedacht, dass wenn ich selbst ein Idol werde, dass sie mich dann endlich mal... sieht.", Jaebom klang selten ernst, als er das sagte, „Uns außerdem hab ich schon immer gerne Musik als Hobby gemacht. Also war ich der Meinung, dass es doch keine große Sache sein würde, wenn ich das zu meinem Beruf mache."

Betroffene Stille folgte und Florian senkte den Kopf.

„Das... das tut mir leid. Ich wusste nicht, was hinter deiner Entscheidung steckte."

„Das muss dir nicht leid tun. Ich hab erst spät, als ich ein Trainee war, bemerkt, dass Mum nicht einmal stolz auf ihre Idols ist. Sobald eine Staffel Born Singer zu Ende ist, beginnt sie schon mit dem Casting für die nächste und lässt ihre Trainees und Idols dafür links liegen. Aus Image Gründen sorgt sie dafür, dass ihre Gruppen gut dastehen, viel live performen und gute Musik schreiben. Das Wichtigste ist ihr, dass sie in den zwei Jahren viral gehen, bevor die nächste Gruppe auf den Erfolg aufbauen kann. Ich hab gehört wie sie und Dad über die Vorgänge im Entertainment reden. Meistens will Mum von Anfang an nicht, dass der Vertrag von Gruppen erneuert wird und gibt ihnen kurz vor Vertragende kein Comeback mehr oder Singles mit Songs, die höchstens ein B-Side sein könnten, damit ihr Erfolg nachlässt und sie die Gruppe mit gutem Grund auflösen kann."

„Es ist irgendwie klar, dass sich Golden Entertainment mit aller Kraft auf Born Singer konzentriert, aber das ist nicht fair gegenüber all der talentierten Teilnehmer, die ihr ganzes Leben lang auf so eine Chance hintrainiert haben, nur um dann direkt fallen gelassen zu werden.", sagte Florian aufgebracht.

„So läuft das nun mal. Born Singer ist das einzige dauerhaft viral gehende Erfolgsmodell des Entertainments", meinte Jaebom nur Schulterzuckend, „Ich meine ohne das wären unsere Seniorgruppen wohl auch nicht so schnell erfolgreich geworden. Und an ihren Girlgroups sieht man, dass es ohne die Survivalshow kaum funktioniert. Cherryflower war die einzige Gruppe in 6 Jahren, die nicht nach einem Jahr aufgelöst wurde und ein viertes Comeback hatte. Die Fans von Golden Entertainment wollen eben nur Born Singer sehen."

„Das ist ziemlich traurig", meinte Minseo, der sich erstmals am Gespräch beteiligte.

Jaebom nickte. „Ja das ist es. Aber so wie Idols hier behandelt werden, ist es gut, dass wir das nur zwei Jahre aushalten müssen und dann aus der Industry raus sind. Mum ist versessen darauf jegliche Skandale zu vermeiden, aber weit bringt es sie letztendlich nicht."

Nolan lachte freudlos auf. „Tja, das stimmt wohl. Ungefähr jede Woche gibt es ein neues Gerücht zu ihren Idols und jetzt hat sie auch noch Dispatch-Informanten in ihrem Entertainment."

„Das ist nicht das einzige. Manches hat sie sich auch selbst verschuldet", erwiderte Jaebom, „ich weiß nämlich, warum Chanyeol nicht in Skydivers debütieren wollte."

„Echt?", platzte es aus Florian heraus.

Jaebom nickte, ein Lächeln umspielte seine Lippen.

„Jap. Ihr wisst doch von dem Single, das er und Hajoon vor ihrem Debut gemeinsam aufgenommen haben. Die Geschichte war eigentlich so, dass Chanyeol den Song fast im Alleingang geschrieben hat und Hajoon nur ein zwei Zeilen abgeändert hat. Allerdings hat Yumi Hajoon schon seit seiner Born Singer Staffel als talentierten Allrounder-Producer vermarktet und ihm als Einzigem ein Writing-Credit für den Song gegeben, so dass es aussah, als wäre das rein Hajoons Verdienst. Der Song ist übel viral gegangen, weil Chanyeol ein genialer Producer war und das hat die Erwartungshaltungen für das Debut von Skydivers ziemlich erhöht. Chanyeol war, verständlicherweise, nicht zufrieden damit, dass ihm sein Song weggenommen wurde und hat versucht zu verhandelt und wollte letztendlich sogar klagen. Das hat zu Streit mit dem Entertainment und den Members von Skydivers geführt, bis er sich schließlich dazu entschlossen hat, Golden Entertainment zu verlassen mit den Worten, dass er sich ein Entertainment suchen würde, das seine Talente wenigstens zu schätzen wusste."

„Ich hätte an der Stelle deiner Mutter wirklich sehr große Angst davor, was Chanyeol in seinem Album zu sagen hatte", kommentierte Florian. Die Geschichte und die Tatsache, dass Yumi eventuell auf ein Problem stoßen könnte, schienen seine Laune deutlich gebessert zu haben.