38. Man muss sich warm anziehen

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Minseo saß vor dem Laptop und fühlte sich schlecht, dass er überhaupt darüber nachdenken musste, ob er Chanyeols letzten Wunsch erfüllen sollte.

Nur weil Jiyoon ihm viel bedeutete, konnte er doch keine Informationen unterschlagen, die möglicherweise darauf hinwiesen, dass der Sänger vielleicht doch ermordet worden war. Was wenn jemand gewusst hatte, dass er all diese Informationen besaß? Chanyeol musste ja selbst in irgendeiner Art und Weise in das Ganze verwickelt gewesen sein. War es das, worüber Yumi und ihr Freund gesprochen hatten, als sie in der Bar waren? Und hatte nicht Hajoon nach jemandem gesucht, als Minseo auf dem Rückweg von der Toilette gegen ihn gerannt war?

Minseo lief bei dem Gedanken daran, dass Hajoon Chanyeol ermordet haben könnte ein kalter Schauer über den Rücken. Hätte er nicht die Zeichen erkennen können?

Seine Beziehung mit Eunji, der Vorfall in dem Club, wo sie Chanyeol Drogen verkaufen wollten, seine plötzlicher Zusammenbruch und seine Pause von Gruppenaktivitäten, das Informationsdefizit gegenüber Golden Entertainment und nun die Chatverläufe und Listen auf dem USB-Stick.

Über Monate musste sich schon eine Katastrophe angebahnt haben, die niemand gesehen und Yumi wohl erfolgreich (mehr oder weniger) ignoriert hatte, in der Hoffnung sie könnte ihre Idols aus allem raushalten, nichts ahnend, dass ihre Idols das wohl mit angezettelt hatten.

Minseo wiegte den Stick in seinen Händen hin und her. Needs to be published ASAP.

Er hatte nicht viel Zeit. Wenn jemand herausfand, dass er die Informationen hatte, würden sie ihm dann auch an den Kragen gehen?

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Das Klopfen hallte seltsam laut durch den Gang, als Minseo vor CEO Chois Tür stand. Seine Finger zitterten nervös und er umgriff den USB-Stick noch fester. Das hier war die richtige Entscheidung. Er musste das Entertainment warnen, denn er brauchte ihre Unterstützung mit dieser Sache,

Ein naiver Teil in ihm hoffte, dass sie eine Lösung für die Jiyoon-Sache finden würden und den Skandal genauso überdeckten, wie all die anderen.

Zu Minseos Unglück war es Yumi schließlich, die ihm die Tür öffnete und ihn kalt ansah.

„Was willst du hier? Wir sind in einer wichtigen Besprechung und soweit ich weiß, hatte ich angeordnet, dass ihr eure Freizeit in eurem Dorm verbringt, bis sich die Situation entspannt hat."

„Das hier ist wichtig", Minseo hob die Hand mit dem USB-Stick, „Chanyeol hat ihn mir gegeben, Sie sollten sich ansehen, was darauf ist."

Yumi starrte auf den USB-Stick, ehe sie ihm diesen grob aus der Hand riss.

„Du hattest Kontakt zu ihm, ja?", zischte sie und Minseo zuckte zusammen, „Hatte ich das nicht ausdrücklich verboten?"

„Darauf sind wichtige Informationen, die dringend zur Polizei müssen", sagte er leise, „Ich wollte nur, dass Sie diese zuerst sehen, weil es sich um den Drogenskandal von Eunji handelt. Und ich fürchte einige Idols Ihres Entertainments sind auch davon betroffen."

Yumi presste die Lippen aufeinander.

„Du hast dir das Ganze also angesehen? Ziemlich dreist", fauchte sie, „Geh jetzt!"

„Sie werden das doch zur Polizei bringen?", hakte Minseo nach und Yumi gab ein freudloses Lachen von sich.

„Und mich vor allen bloßstellen? Wenn ich das veröffentliche, dann ist mein Entertainment am Arsch!", sagte sie, „Du solltest mir überlassen, was ich damit machen werde und du, du wirst keiner Menschenseele davon erzählen, hast du verstanden?"

Mit einem Knallen fiel die Tür ins Schloss.

Minseo wusste nicht, was er jetzt tun sollte.

Panik machte sich in ihm breit. Das hier war wichtig, mehr als nur wichtig. Das hier war der letzte Wunsch von Chanyeol und Yumi hatte soeben beschlossen, dass sie keinen Skandal haben wollte?

Das hier war aber keine Sache, die das Entertainment einfach so entscheiden konnte. Hier ging es um so viel mehr.

Schritte in seiner Nähe ließen Minseo herumwirbeln und einen Moment lang erstarrte er.

Hajoon stand am anderen Ende des Ganges und starrte zu ihm herüber.

Minseo wusste, dass er das Gespräch mit Yumi gehört hatte und Hajoon wusste, dass Minseo so ziemlich alles über ihn wusste. All das lag in dem Blick, den sie sich gegenseitig zuwarfen. Kalt und distanziert, wie zwei Rivalen kurz vor dem letzten Kampf.

„Minseo", die Stimme des älteren Idols hallte laut und klar durch den Gang, „Hör auf Yumi und mach nichts Unüberlegtes."

Langsam trat er näher. Minseos Beine waren wie am Boden festgewachsen und er konnte sich kein Stück bewegen.

„Du weißt nicht, womit du es zu tun hast.", fuhr Hajoon fort, „Ich weiß, dass du keine schlechten Absichten hast, aber zu deinem Wohl und dem deiner Bandmitglieder musst du auf Yumi hören und niemand wird zu Schaden kommen."

„Chanyeol ist bereits zu Schaden gekommen", hörte Minseo sich selbst sagen. Er erwiderte stur Hajoons Blick. „Du kanntest ihn. Lässt dich sein Tod kalt?"

Hajoon blieb stehen und sah zu Boden.

„Geh jetzt Minseo. Wenn du nicht der nächste sein willst."

Dann ließen die unsichtbaren Fesseln Minseos Beine los und wie in einer Trance stolperte er den Gang entlang.

Er hatte Angst. Schreckliche Angst. Aber er musste etwas tun. Egal wie groß die Sache wirklich war und wie wenig er davon durchschaut hatte.

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„Können Sie mich zur Polizeistation fahren?", fragte Minseo den Fahrer, der ihn zu seinem Dorm bringen sollte, mit zittriger Stimme. Überrascht drehte dieser sich zu ihm um und Minseo erkannte die Sorge auf dem Gesicht des Mannes.

„Wieso? Ist Ihnen etwas passiert? Werden Sie von Fans verfolgt?"

Minseo schüttelte den Kopf. „Nein, es ist etwas anderes. Aber bitte tun Sie mir den Gefallen!"

Der Fahrer nickte und startete den Wagen. Minseo atmete tief durch und rutschte nervös auf seinem Sitz hin und her. Wenn er Glück hatte, dann würde Hajoon nicht damit rechnen, dass er es wagte, direkt nach ihrem Gespräch zur Polizei zu fahren.

Seouls Straße waren ruhig. Zumindest für die Verhältnisse einer Großstadt.

„Alles wird gut", dachte Minseo, „Egal was Hajoon sagt, du tust das Richtige! Vertraue keinem Verbrecher."

Er bemerkte den besorgten Blick des Fahrer im Rückspiegel und sah kurzerhand auf sein Handy, damit dieser ihm seine Nervosität nicht anmerken konnte.

Geht's dir gut? Hat alles geklappt?

Jiyoon hatte ihm vor circa zehn Minuten geschrieben. Minseo überlegte, ob er ihm antworten sollte, aber ihm fiel nichts ein, was er schreiben könnte. Er wollte den Jüngeren nicht beunruhigen. Er war gerade mal zwei Stunden zurück im Dorm und Jaeboms Stimmung alleine würde schon dafür sorgen, dass der ganze Stress der letzten Tage über Jiyoon zusammenbrach. Minseo wollte den Jüngeren nicht noch mehr belasten.

Der Wagen kam schließlich zum Stehen.

„Soll ich Sie begleiten?", fragte der Fahrer, doch Minseo schüttelte den Kopf, ehe er aus dem Auto kletterte. Eigentlich hatte er vorgehabt anzurufen, doch sobald er sein Handy gezogen hatte, hatte er sich gefühlt, als hätten die Wände im Gebäude des Entertainments Ohren und er konnte auf keinen Fall zulassen, dass irgendjemand von seinem Plan erfuhr und ihn aufhielt. Hier ging es um Chanyeol. Minseo hatte eine Aufgabe zu erfüllen und das möglichst schnell.

Was sollte er nun überhaupt sagen? Er hatte keine Beweise. Yumi hatte alles genommen und Minseo hatte sich nicht getraut irgendetwas auf seinem PC zu speichern, in der Angst mit in die Sache hineinzugeraten.

Was er nun aber trotzdem war.

Mit schnellen Schritten überquerte er den Platz und wollte gerade nach der Türklinke des Polizeigebäudes greifen, als er spürte, wie ihn jemand grob am Arm packte und zurückriss.

„Scheiße", dachte Minseo, ehe ihn starke Arme zu Boden drückten.

The Struggle is realWo Geschichten leben. Entdecke jetzt