Sichtwechsel: Aus Sirius Sicht
Ich saß auf einer der breiten Fensterbänke im Gryffindor-Turm und ließ meinen Blick über das weite Gelände von Hogwarts schweifen. Die Abendsonne tauchte alles in ein warmes, goldenes Licht, und in der Ferne konnte ich den Verbotenen Wald sehen, der sich wie ein dunkles Band am Horizont entlangzog. Neben mir saßen meine besten Freunde, James, Remus und Peter – die Rumtreiber, wie wir uns selbst nannten.
"Also, was machen wir heute Abend?" fragte James, seine Augen funkelten vor Abenteuerlust. "Noch eine Runde durch die Geheimgänge, oder sollen wir Hogsmeade unsicher machen?"
Remus, der normalerweise der Besonnene in der Gruppe war, schüttelte den Kopf. "Ich denke, wir sollten es heute ruhig angehen lassen."
Ich nickte, obwohl meine Gedanken woanders waren. Ich konnte nicht anders, als an meinen jüngeren Bruder Regulus zu denken. Seit Wochen war ich ihm aus dem Weg gegangen, hatte ihn in den Korridoren ignoriert und die gemeinsamen Familientreffen während der Ferien gemieden. Es war einfacher, mich auf die Rumtreiber und unsere Eskapaden zu konzentrieren, als mich den komplizierten Gefühlen und Erwartungen meiner Familie zu stellen.
Peter kicherte und deutete auf die Karte des Rumtreibers, die vor uns ausgebreitet lag. "Wie wäre es, wenn wir einfach ein paar Lehrer ärgern? Filch scheint heute besonders griesgrämig zu sein."
James grinste breit. "Das klingt nach einem Plan. Aber bevor wir loslegen, sollten wir sicherstellen, dass uns keiner folgt. Oder jemand, der nicht eingeladen ist."
Ich zuckte zusammen bei diesen Worten, und meine Gedanken wanderten wieder zu Regulus. Ich wusste, dass mein jüngerer Bruder unter dem Druck der Familie litt – einem Druck, den ich selbst nur zu gut kannte. Und dennoch hatte ich mich entschieden, diesen Weg zu gehen, um mich von den strengen Erwartungen der Blacks zu befreien. Doch Regulus hatte diese Wahl nicht getroffen, und das machte alles schwieriger.
"Hey, Sirius, bist du bei uns?" James' Stimme riss mich aus meinen Gedanken. "Du bist heute irgendwie abwesend."
Ich zwang mich zu einem Lächeln und klopfte James auf die Schulter. "Ja, ja, ich bin hier. Entschuldigt, ich war nur in Gedanken."
James musterte mich kurz, schien aber zufrieden mit meiner Antwort. "Gut, dann lass uns loslegen."
Wir machten uns auf den Weg durch die Geheimgänge von Hogwarts, die Karte des Rumtreibers in der Hand. Normalerweise war ich der Erste, der einen Spaß oder Streich vorschlug, aber heute fühlte es sich anders an. Jeder Schritt, den ich machte, erinnerte mich daran, wie weit ich mich von Regulus entfernt hatte.
Während wir durch die dunklen Korridore schlichen, dachte ich an all die Momente, die wir als Kinder geteilt hatten. Regulus und ich waren uns einst so nah gewesen, unzertrennlich. Doch je älter wir wurden, desto mehr drängte unsere Familie uns in unterschiedliche Richtungen. Ich hatte mich für Gryffindor entschieden, für Freiheit und Abenteuer. Regulus war in Slytherin, in die Arme unserer Eltern gefallen und in ihre starren Ideale.
Ich spürte einen stechenden Schmerz des schlechten Gewissens. Regulus war mein kleiner Bruder, und ich hatte ihn im Stich gelassen. Vielleicht hätte ich ihm helfen sollen, ihn ermutigen sollen, seinen eigenen Weg zu gehen. Stattdessen hatte ich mich von ihm abgewendet, um meine eigene Freiheit zu suchen.
Wir erreichten schließlich einen der versteckten Ausgänge nach Hogsmeade. Die kühle Nachtluft schlug uns entgegen, und die Lichter des kleinen Dorfes blinkten einladend in der Ferne. James, Remus und Peter waren schon in angeregter Diskussion über den nächsten Streich, den wir spielen könnten.
Ich blieb einen Moment stehen, sah zurück zum Schloss. Ein Teil von mir wollte umdrehen, zurückgehen und mit Regulus reden. Ihm sagen, dass es mir leid tat, dass ich immer noch sein Bruder war und ihn nicht im Stich lassen wollte.
Aber ich tat es nicht. Die Angst vor der Konfrontation, vor den Erwartungen unserer Familie, war zu groß. Also schüttelte ich die Gedanken ab und folgte meinen Freunden ins Dorf. Das schlechte Gewissen würde mich noch eine Weile begleiten, das wusste ich. Aber für den Moment verdrängte ich es, ließ mich von den Abenteuern der Rumtreiber ablenken und hoffte, dass ich irgendwann den Mut finden würde, mich meinem Bruder zu stellen.
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Wir waren Brüder | Regulus Black FF
FanfictionIn dieser FF geht es um das Leben von Regulus Black, seine schwere Kindheit und sein leben auf Hogwarts und vor allem um sein Verhältnis zu Sirius. Ließt einfach mal rein