52. Neujahr

12 1 0
                                    

Ich verbrachte den Neujahrstag allein im Gemeinschaftsraum der Slytherins. Die anderen Schüler waren entweder in den Ferien nach Hause gereist oder vergnügten sich in den verschiedenen Ecken des Schlosses, aber ich hatte keine Lust, mich unter die wenigen verbliebenen Schüler zu mischen. Stattdessen saß ich in einem der tiefen Sessel, den Blick starr auf das prasselnde Feuer im Kamin gerichtet.

Meine Gedanken kreisten immer wieder um das Geschenk, das ich Sirius geschickt hatte. Es war ein Foto von uns beiden, aufgenommen, als wir noch Kinder waren. Wir hatten in der Bibliothek gespielt, lachend, mit einem Buch, das größer als unsere Köpfe war. Dazu hatte ich einen kurzen Brief geschrieben, in dem ich mich bei ihm entschuldigte und ihm ein gutes neues Jahr wünschte. Es war mein Versuch gewesen, die Kluft zwischen uns zu überbrücken, auch wenn ich wusste, dass es naiv war, zu hoffen, dass ein einfaches Geschenk unsere Probleme lösen könnte.

Doch seitdem hatte ich nichts von ihm gehört. Kein Zeichen, keine Nachricht, keine Reaktion. Die Stille war unerträglich. Hatte er das Geschenk überhaupt erhalten? Oder hatte er es einfach ignoriert, es in die Ecke geworfen, ohne es zu öffnen? Der Gedanke daran nagte an mir.

Ich zog die Knie an meine Brust und vergrub das Gesicht in meinen Armen. Die letzten Monate waren schwierig gewesen, doch dieser Moment fühlte sich besonders einsam an. Warum konnte es nicht einfach wieder so sein wie früher, als wir uns noch nahe gewesen waren? Als Sirius noch mein Bruder war und nicht dieser Fremde, der sich immer weiter von mir entfernte?

Eine Zeit lang starrte ich nur in die Flammen, während die Zeit verging. Das Knistern des Feuers war das einzige Geräusch im Raum, abgesehen von den gelegentlichen Schritten, die von den Korridoren hallten. Ich schloss die Augen und ließ die Erinnerungen an unsere Kindheit vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. Die vielen Tage, die wir zusammen verbracht hatten, die Nächte, in denen wir uns Geschichten erzählt hatten, als die Welt noch einfach und verständlich war.

Doch dann drängten sich die Bilder von jetzt dazwischen: Sirius, wie er mich mit kalten Augen ansah, seine Abwendung von unserer Familie, von mir. Und ich fragte mich, ob es jemals wieder so werden könnte, wie es einmal war. Konnte er mir jemals verzeihen? Und war ich überhaupt bereit, ihm zu verzeihen?

Ich spürte einen Kloß in meinem Hals, doch ich schluckte ihn herunter. Es brachte nichts, jetzt sentimental zu werden. Das hatte ich die letzten Tage schon zu oft getan. Es war Neujahr, ein neuer Anfang. Ich musste stark sein, durfte mich nicht von der Dunkelheit in meinem Kopf verschlingen lassen.

Doch die Worte meiner Mutter, die Vorwürfe, die Erwartungen, die Strafen... all das lastete schwer auf mir. Ich wusste, dass das kommende Jahr nicht einfacher werden würde. Die Last der Erwartungen, die auf mir lag, schien immer schwerer zu werden, je mehr ich versuchte, ihr gerecht zu werden. Und Sirius, der einzige Mensch, der mich jemals wirklich verstanden hatte, war weiter von mir entfernt als je zuvor.

Warum hatte er nicht reagiert? Hatte ich wirklich geglaubt, dass er das Geschenk annehmen würde? Dass er den Brief lesen würde? Vielleicht war es töricht von mir gewesen, überhaupt etwas zu schicken. Es war, als hätte ich ihm eine weitere Gelegenheit gegeben, mich zu ignorieren, mich noch tiefer in die Verzweiflung zu stoßen.

Ich seufzte tief und schüttelte den Kopf, als ob ich die Gedanken einfach abschütteln könnte. Doch sie blieben hartnäckig.

Ich hatte gehofft, dass Sirius in der Lage wäre, zumindest einen Funken der alten Brüderlichkeit wiederzuerwecken. Aber wahrscheinlich hatte ich ihn zu sehr enttäuscht, hatte zu viele falsche Entscheidungen getroffen. Entscheidungen, die nicht nur mich, sondern auch unsere Beziehung zerstört hatten.

Das Feuer im Kamin knisterte leise weiter, und die Schatten tanzten an den Wänden des Gemeinschaftsraums. Die Uhr tickte, das neue Jahr war kaum begonnen, und ich fühlte mich bereits verloren darin. Ich fragte mich, wie viel von mir noch übrig war, und wie lange ich es schaffen würde, all das durchzuhalten, ohne endgültig zu zerbrechen.

Vielleicht, dachte ich bitter, hatte Sirius recht. Vielleicht hatte ich meinen Weg gewählt. Aber es fühlte sich nicht so an, als ob ich eine Wahl gehabt hätte.

Die letzten Funken des Feuers glommen schwach, als ich mich schließlich aus dem Sessel erhob und in mein Schlafsaal zurückzog. Draußen fielen leise Schneeflocken, doch die Kälte, die mich umgab, kam nicht vom Wetter. Sie war tief in mir, eine Kälte, die ich nicht abschütteln konnte.

In meinem Bett rollte ich mich zusammen, den Brief an Sirius und das Geschenk noch immer in meinen Gedanken. Vielleicht würde ich irgendwann eine Antwort erhalten, vielleicht auch nicht. Aber das Schlimmste war die Erkenntnis, dass es nicht in meiner Macht lag, das zu ändern.

Hier nochmal ein Kapitel wo Regulus ziemlich viel nachdenkt

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 26 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Wir waren Brüder | Regulus Black FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt