Kapitel 19

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Sei um halb acht fertig, ich werde Dich abholen. - Alex

Wie immer klang er fordernd und arrogant. Er hatte diese Nachricht um drei Uhr morgens gesendet. Wann schläft dieser Mann eigentlich? Vermutlich nie. Wer ein solches Imperium schaffen konnte, sowie halten wollte, der musste einiges leisten. Eben auch auf Kosten eines gesunden Schlafes. Black war - wenn auch ein arroganter Mistkerl - ebenso fleißig wie faszinierend. Ich hatte vor wenigen Tagen einen neuen Artikel gefunden, in dem es um den Aufstieg von Black Industries ging. Es stellte sich heraus, dass Black trotz des Reichtums seiner Familie nie auch nur einen Dollar von ihnen in seine Geschäfte gesteckt hatte. Er hatte in der Zeit der Firmengründung nicht einmal Kontakt zu seiner Familie, hatte sich von allen seinen Freunden abgeschottet und brach aus der Versenkung wie ein Phönix aus der Asche.
Seine Eltern wohnten zu dem Zeitpunkt wieder in Italien, dem Herkunftsland seines Vaters. Theresa, seine Schwester, war noch auf der Highschool gewesen. Alle waren überrascht über seine Geschicklichkeit und sein Stillschweigen. Ich konnte mir nicht vorstellen wie es war völlig auf sich allein gestellt etwas Derartiges zu leisten. Ich wollte noch nicht einmal in ein fremdes Land ziehen, ohne meinen besten Freund an meiner Seite zu haben. Jene Zielstrebigkeit legte er nun auch bei unserer "Beziehung" an den Tag. Er wusste was er wollte, er war bereit die Risiken zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen.
Dieser irrsinnig schöne, starrköpfige, brillante Mann. Er brachte Frauen um den Verstand und ganz besonders mich. Meine sonstige Entschlossenheit kam bei ihm ins Wanken und stellte meinen Intellekt in Frage. Ich schlüpfe aus meinem Zimmer um mir in der Küche etwas zum Frühstück zubereiten zu können. Unerwartet stoße ich dort auf James.
"Wie geht es meiner Nachteule?" Erschrocken dreht er sich zu mir um. Er tut gerade so, als würde ich hier gar nicht wohnen und als wäre es völlig abwegig mir hier zu begegnen.
"Verdammt, Marie, du bringst mich irgendwann noch um, wenn du weiterhin so herumschleichst." Ich verziehe das Gesicht und schüttle den Kopf.
"Weißt du, Jimmy, früher als wir noch befreundet waren, du nicht ständig irgendwelche Geheimnisse vor mir hattest, da warst du weniger schreckhaft. Vielleicht liegt es also nur an deinem schlechten Gewissen." Ich bin wütend und er soll es wissen, es spüren.
"Wow, wow, wow, Marie, was soll der Scheiß?"
"Du verschwindest Nächte lang, erzählst mir etwas von einer Zoe, aber nicht die komplette Geschichte, und du glaubst ernsthaft, ich bin nicht wütend auf dich?"
"So wie es aussieht bist du nur noch böse mit mir. Ich versteh das nicht. Warum freust du dich denn nicht für mich?" Vor lauter Frust schließe ich die Augen, ehe ich etwas Falsches sage, hole ich nochmal tief Luft.
"Also bitte Jimmy, ich freue mich für dich, aber ich mache mir auch Sorgen. Kaum sind wir weg aus Deutschland, verliebst du dich in das erst beste Mädchen. Das bist nicht du." James kommt zu mir und schließt mich in seine Arme. Ich bin schwach, lasse mich von ihm trösten, obwohl ich wütend und verärgert sein will und sicher nicht versöhnlich. Er meint es nur gut, ebenso wie ich.
"Ich pass schon auf mich auf, Süße. Wie wäre es mit einem DVD-Abend? Du, ich, ein guter Film, vielleicht leisten wir uns etwas Pizza. Wie hört sich das an?" Grinsend stimme ich seinem Vorschlag zu. Wir diskutieren noch über das Gerne des Films und frühstücken zu Ende, ehe ich um kurz vor halb acht meine Sachen zusammen suche. Unglaublich ich freue mich auf die Fahrt zur Arbeit, mit Black.

Vor dem Apartmentkomplex steht sein Audi. Kaum habe ich das Gebäude verlassen öffnet sich der Fond und Black hält mir eine Hand entgegen. Diese Geste erwischt mich völlig kalt. Fuck-Buddies halten sich nicht gegenseitig die Türen offen oder hofieren sich auf irgendeine Art und Weise. Scheinbar haben Black und ich da unterschiedliche Meinungen dazu. Dieser Kerl ist unberechenbar.
"Danke", nuschle ich ihm entgegen. Er bleibt emotionslos und frägt schlicht, ob ich einen Kaffee möchte.

***

"Schneller, schneller, schneller", sporne ich mich selbst an. Ich hatte in drei Minuten mein Wiedersehen mit Black. Er hatte mich bei meiner Arbeitsstelle abgesetzt und bei unserer Verabschiedung gefragt, ob ich heute Abend schon etwas vorhatte. Wir verabredeten uns für 19 Uhr. Er wollte mich abholen und mit mir gemeinsam zu Abendessen. Ich hätte dieses Essen auch ausfallen lassen können, mir wäre es lieber gewesen, wir würden gleich übergehen zum eigentlichen Zweckt dieses Dinners. Wen versuchst du hier zu belügen? Mein Unterbewusstsein hat Recht. Ich freue mich auf den gemeinsamen Abend, auf das Essen und alles was darauf folgen würde. Ich habe mir geschworen meine Gefühle da raus zu halten, aber wie es scheint bin ich am Verlieren.
Für solche Gedankenspiele fehlt mir jetzt allerdings die Zeit. Duschen, rasieren, schminken, all diese Aufgaben ließen die Zeit im Nu verstreichen. Einatmen, ausatmen. Ich war bereit. Im Gang traf ich auf James der gerade die Wohnung betrat.
„Wohin gehst du?", fragt er und bringt meine Gehirnwindungen wieder zum Laufen. Oh nein, ich hatte vollkommen vergessen, James Bescheid zu geben. Ich hatte unser DVD-Date vergessen. Oh nein. Das wird er mir übel nehmen.
„Oh man...ich...hab's einfach...also, es tut mir leid. Ich habe es vergessen." Ich versuche einen reuevollen Blick aufzusetzen und stammle weiter etwas von vergessen und wie leid es mir tut. James Gesichtsausdruck zufolge funktioniert dies jedoch ganz und gar nicht.
„Okay, also Alexander hat mich heute Morgen abgeholt und diese Autofahrt war echt nervenaufreiben. Wir haben so gut wie gar nicht miteinander geredet, ich war in Gedanken vertieft und als ich aussteigen will, da frägt er mich, ob ich ihn heute Abend sehen will. Ohne groß darüber nachzudenken habe ich zugestimmt." Wieder verziehe ich mein Gesicht, jetzt mit mehr Hoffnung auf Erfolg. James jedoch bleibt weiterhin still.
„Marie, bleib ruhig. Ich werde dir schon nicht den Kopf abreisen. Lass uns das ganze Morgen nachholen, in Ordnung?" Die Erleichterung die mich überkommt lässt mich beinahe den Boden küssen, auf dem er steht.
„Du bist der beste, tollste, perfekteste Mann, den man sich nur wünschen kann. Was hältst du davon wenn wir nächste Woche einmal ein Treffen mit Zoe veranstalten? Ich würde sie gern einmal kennenlernen", rufe ich noch, während ich schon das Appartement verlasse. „Bye Baby." Das Letzte rufe ich über die Schulter, durch die halbverschlossene Türe. Ich kenne James, er muss sich meinen Vorschlag erst einmal durch den Kopf gehen lassen und je nachdem, wie lange er dazu braucht, habe ich dazu wirklich keine Zeit mehr. Wenn er dann Morgen eine Antwort parat hat bin ich wieder die sich kümmernde, verständnisvolle Marie. Hör sich einer deine Heucheleien an. Das schlechte Gewissen lässt mich noch einmal umdrehen, um mich bei James nochmals zu entschuldigen. Hormone können einen zur Bitch werden lassen, so viel ist klar. Ich schließe die Tür auf. Finde meinen besten Freund jedoch nicht mehr im Gang vor.
Da ich mich für mein schnelles Verschwinden entschuldigen will, gehe ich zu seinem Zimmer. Er scheint mit jemandem zu telefonieren. Seine Zimmertür ist nicht verschlossen und ich kann sehen, wie er lächelt. Ich bin überzeugt er spricht mit Zoe, denn das Leuchten seiner Augen kann er nicht leugnen.
„Ja, ich freu mich auch. Ich werde so gegen 21 Uhr bei dir sein. Mach dich bereit für eine Nacht der Leidenschaft." So wie James kichert könnte man meinen er wäre ein kleines siebenjähriges Mädchen und kein erwachsener Mann. Sein letzter Satz war jedoch viel zu viel Information für meine Ohren. Ich gehe auf seine Tür zu um klopfen zu können, während er weiter spricht.
"Nein, ich habe ihr erzählt, ich würde eine Zoe daten." Pause. "Natürlich glaubt sie mir, ich habe sie noch nie belogen und ganz ehrlich, auch jetzt hasse ich es wie die Pest." Pause. "Weil es besser ist, ich weiß nicht wie ich ihr das erklären soll. Sie war immer auf meiner Seite, was ist wenn sie erfährt wie ich wirklich bin. Was wenn sie mich dann fallen lässt? Ich kann sie nicht verlieren, sie ist alles was ich habe und alles was ich brauche." Pause. "Lass uns das später klären. Bis gleich." Ohne einen weiteren Laut zu verursachen drehe ich mich auf meinem Absatz um und verschwinde durch die Türe. Diesmal ohne ein schlechtes Gewissen, dafür mit der Angst um James. Was verheimlicht er mir?

Mr. Blacks geheime Leidenschaft | BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt