Kapitel 34

12.3K 485 7
                                    

Alexander begleitet mich ins Krankenhaus, jedoch wartet er vor der Zimmertür meiner Granny. Wir wollen sie nicht gleich überfordern, sollte sie schon wieder wach sein. Ich betrete das Krankenzimmer und werde enttäuscht, denn Granny schläft immer noch tief und fest. Neben ihrem Bett steht ein Stuhl, auf dem ich auch schon gestern Nacht gesessen bin.
Erschöpft von den Ereignissen der letzten 48 Stunden nehme ich Platz. Grannys Hand fühlt sich kalt und klein zwischen meinen Händen an. Sanft streichle ich sie mit meinem Daumen.
"Du musst ganz bald wieder aufwachen und gesund sein", flüstere ich ihr entgegen. "Wir werden gemeinsam in die USA reisen, du wirst bei mir oder Mum einziehen, bei uns wohnen. Ich vermisse dich so sehr. Ich will dich nicht nochmal so weit weg wissen."
Leise laufen mir die Tränen über die Wange. Ich schließe die Augen, lege meine Stirn auf ihre Bettdecke und bete im Stillen vor mich hin. Wenn sie mich verlässt weiß ich nicht wie ich weitermachen soll. Meine Schluchzer der Verzweiflung werden immer lauter. Das Loch in meiner Brust weitet sich immer mehr.
Es fühlt sich an, als würde ich den Halt verlieren. Mein letzter Anker, meine Vertraute, mein stärkstes Gegenstück liegt hier nach einer Herzoperation und Niemand kann mir sagen, ob und wann sie wieder aufwachen wird. Man kann mir nicht einmal sagen, ob sie es überlebt, sollte sie wieder aufwachen.

Zwei starke Hände legen sich auf meinen Rücken. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Müde sehe ich Alexander in die Augen. Als er die Tränenspuren auf meinem Gesicht entdeckt, geht er neben mir in die Hocke, nimmt mich in den Arm und tröstet mich. Wie an einem Rettungsboot halte ich mich fest, drücke ihn an mich. Die reißende Verzweiflung, die mich zu ertränken drohte, wird schmäler. Seine warme, feste Umarmung lindert die Schmerzen in mir. Mit beiden Händen umrahmt er mein Gesicht, küsst die Tränen auf meinen Wangen fort.

Ich lege meine Stirn in seine Halsbeuge. So bleiben wir eine lange Zeit sitzen und warten. Das monotone Piepsen der Apparate bringt mich noch um den Verstand. Alexander löst seine Arme leicht, hält mich eine Armeslänge von sich, um mir in die Augen sehen zu können. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Du solltest etwas Essen. Du hast heute Morgen nicht einmal gefrühstückt." Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, bei meiner Großmutter zu bleiben - falls sie bald aufwachen sollte - und einer kurzen Verschnaufpause mit ihm. Letztendlich gebe ich nach und nicke. Wir erheben uns gleichzeitig, ich streiche meiner Granny noch kurz über die Hand und lasse mich dann von Alexander nach draußen führen.
Ich bin froh, dass er bei mir ist, mich stützt. Da mein Handy klingelt unterbreche ich kurz unseren Körperkontakt und fische es aus meiner Handtasche und hebe ab, ohne auf die Anrufer-ID zu achten.
"Marie, Schätzchen, bist du schon im Krankenhaus?" Die Stimme meiner Mutter ist rau. Ich kann die Traurigkeit heraushören und weiß, dass sie die Nacht über weinend im Bett gelegen sein muss. Wenigstens hatte sie Steve an ihrer Seite, was mich ihr Glück wieder bewundern lies. Meine Augen wanderten zu Alexander der mittlerweile sein Auto aufgesperrt hatte. Er hielt mir die Tür auf, um mich einsteigen zu lassen.
"Ja, Mr. Black hat mich heute Morgen hierher begleitet. Im Moment machen wir uns auf dem Weg um uns etwas zu Essen zu besorgen. Wie geht es dir, Mum?" Meine Sorge um sie, schwang in meiner Stimme mit.
"Ich habe Angst um deine Großmutter. Sie ist alles was uns an Familie noch bleibt und jetzt liegt sie so zerbrechlich in diesem viel zu großem Bett." Das Zittern in ihrer Stimme verrät, dass sie wieder weint. Kurzes Geraschel ist im Hörer zu vernehmen und ihre Stimme klingt beim weitersprechen gedämpft - sie liegt in Steves Armen. Flüsternd spricht sie weiter: "Ich hoffe so sehr, dass sie wieder gesund wird."
"Ich auch Mum. Meintest du das Ernst, dass wir sie mit zu uns in die USA holen?"
"Ja, aber die Frage ist, ob sie in ihrem Alter das noch so leicht schafft. Ihr Verz macht Probleme, gerade nach einer OP ist so ein langer Flug Kräfte zehrend. Für sie ist es ein völlig fremdes Land, ohne ihre Freundinnen." Ich nicke, wohl wissend dass sie mich nicht sehen kann.
"Ich bleibe hier, sollte sie nicht mit uns kommen wollen." In dem Moment passieren genau zwei Dinge gleichzeitig. Meine Mum schnappt nach Luft, doch bleibt still. Alexander hingegen fährt an den Straßenrand, tritt die Bremse und sieht mich verletzt von der Seite an. Ich ignoriere ihn jedoch, spreche wieder mit meiner Mum. "Ich werde sie nicht mehr allein lassen. Meine Entscheidung steht fest."
"Schatz, das kannst du nicht tun. Bitte du hast einen Job, eine Wohnung, deinen besten Freund der nur für dich in ein anders Land ausgewandert ist und deine Familie in den USA." Sie redet sich förmlich in Rage. Wieder beginnen meine Tränen zu laufen. "Ich weiß", flüstere nun ich in den Hörer.
"Bitte Schatz, überlege es dir noch einmal. Wir lieben deine Großmutter, aber du kannst nicht dein Leben einfach so aufgeben." Etwas positives hat mein Geständnis, ihre Stimme klingt wieder fest und sie scheint abgelenkt von den Problemen mit meiner Grams. Ich atme tief ein, sehe zu Alexander. Ich sehe ihm direkt in die Augen und spreche weiter:"Okay Mum, ich denke noch einmal darüber nach." Seine Gesichtszüge entspannen sich. Meine Mum atmet gleichzeitig aus.
Kurz darauf beenden wir unser Gespräch, während Alexander nach meiner Hand greift um mir Trost zu spenden. Er drückt mir einen sanften Kuss auf die Lippen, ehe er seine Stirn gegen meine lehnt.

"Meinst du das Ernst? Du würdest hier bleiben?"
"Ich sollte. Ich meine, meine Granny hat hier keinerlei Familie mehr. Niemand möchte allein sein, dass hätten wir schon eher bedenken müssen. Aber wir waren alle so überdreht und glücklich, mit Steve auswandern zu können. Ich habe ihr erzählt, dass ich ihr Flugtickets schenken möchte, damit sie Weihnachten mit uns verbringen kann und in der selben Nacht hatte sie diesen schrecklichen Herzinfarkt."
Er streicht mir sanft übers Haar. Er beginnt zu nicken und meint: "Ich kann dich verstehen. Doch ich würde dich sehr vermissen." Ich lächle ihn traurig an.
"Ich dich auch." Der folgende Kuss ist, wie auch schon unsere letzten, zärtlich. Sein Daumen streicht über meine Wange.
Er unterbricht ihn mit den Worten:"Wir sollten jetzt etwas Essen gehen." Doch ich presse mich wieder an ihn, halte ihn fest.
"Ich habe zwar hunger aber definitiv nicht auf etwas Essbares, Mr. Black."

Mr. Blacks geheime Leidenschaft | BAND 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt