Wie wenig meine Mutter in der Tat mit ihrem Vorhaben bewirkte, stellte sich eine Stunde später heraus, als es mir selbst im Schatten der Bäume zu heiß wurde. Ich hatte bereits drei Dosen Bier gekippt, die mir zu meinem Bedauern keinerlei Abkühlung verschafft hatten, da sie schon lauwarm aus der Kühlbox kamen, was unglaublich ekelhaft war, aber sie hatten ihren Zweck erfüllt.
Ich hockte alleine auf dem plattgetretenem Gras, während Emma von Person zu Person wanderte und jeder ihre Lebensgeschichte zu erzählen schien. Außer ihr und dem korpulenten Typen, der mich eine viertel Stunde lang in ein oberflächliches Gespräch verwickelt hatte, kannte ich hier niemanden. Ich war schon froh, ihn irgendwann losgeworden zu sein und sah seitdem vermutlich so genervt aus, dass auch niemand anders es wagte, mich anzusprechen. Oder sie hatten einfach kein Interesse daran, irgendetwas mit mir zu tun zu haben. Die neugierigen Blicke hatten allmählich nachgelassen, obwohl ich noch immer ab und zu jemanden beim Starren erwischte. Meistens irgendwelche ziemlich unattraktiven Kerle.
Was ich schließlich tat, weil ich die Hitze in meinem T-Shirt und der Hot Pants einfach nicht mehr aushielt, war vermutlich meinem angeheiterten Zustand zuzuschreiben. Die Schweißperlen, die sich irgendwann in meinem Gesicht bildeten, weil mir unmenschlich heiß war, waren der Auslöser dafür, dass ich meine Tasche neben mir im Gras ablegte, aufstand und mit kurzerhand mein Oberteil über den Kopf zog, bevor meine Hose ihm auf den Boden folgte. Meine nicht mehr ganz so weißen Chucks hatte ich schon längst abgestreift. Mir war klar, dass jedes männliche Wesen mich in dem Moment begaffte, aber ich schwitzte so sehr, dass es mir scheißegal war, in Unterwäsche vor wildfremden Leuten zu stehen. Ich meine, meine Güte - wo war der Unterschied zu einem Bikini? Ich trug weder einen Tanga, noch zierten meinen BH und meine Unterhose peinliche Muster. Beide waren schwarz mit dezenter Spitze, die man aus der Entfernung vermutlich nicht einmal ausmachen konnte.
Augenverdrehend bückte ich mich, um den letzten Rest meines Bieres runterzukippen, bevor ich mich auf den Weg zu dem kleinen See machte. In dem Moment, in dem ich mit meinen Füßen das Wasser berührte, pfiff irgendjemand hinter mir scharf durch die Zähne. Ich konnte mir denken, wer das war.
„Mein Gott", stöhnte ich und konnte mich nicht davon abhalten, mich genervt umzudrehen. „Du benimmst dich, als hättest du noch nie so einen Anblick erlebt."
„Was ist, darf man hier noch nicht mal Komplimente verteilen?", entgegnete der Typ in der Flaggenbadehose seelenruhig und grinste mich unverschämt an.
„Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, wie respektlos es ist, Frauen hinterher zu pfeifen, als seien sie Hunde?"
„Bist du immer so verklemmt?" Er zog herausfordernd seine Augenbrauen in die Höhe, wofür ich ihm am liebsten eine geknallt hätte. Wie konnte man sich nur so unverschämt verhalten?
Langsam ging ich auf ihn zu. „Mit verklemmt sein hat das rein gar nichts zu tun, ja? Die Frage, die an dieser Stelle angebracht wäre, ist, was mit deiner Würde los ist, dass du dich so affig aufführen musst!"
Jackson lachte schallend auf. So laut, dass spätestens jetzt jeder mitbekommen hatte, was sich hier abspielte. „Versuchst du gerade, mich einzuschüchtern?", fragte er, als ich nur einen Meter vor ihm zum Stehen kam, meinen Zeigefinger drohend in die Luft gestreckt.
Zugegeben, er war ungefähr einen Kopf größer als ich und nicht gerade untrainiert, aber ich bezweifelte, dass er mich anrühren würde. Nicht hier, vor den ganzen Leuten, die sich an unsere Auseinandersetzung nicht satt sehen konnten. Es passierte hier vermutlich nicht oft, dass ein Mädchen einem Kerl die Meinung geigte. „Ich versuche dir nur zu sagen, dass du aufhören sollst, mich dumm anzumachen, aber anscheinend schnallst du das nicht! Meine Augen liegen ein paar Zentimeter höher, Schwachmat!" Meine Stimme hatte einen drohenden Unterton, so geladen war ich. Mein Zorn ließ mir noch nicht einmal die Zeit, darüber nachzudenken, was genau ich hier gerade tat und dass ich der Mittelpunkt aller Anwesenden war. Den einzigen Gedankensprung, den mein Gehirn zuließ, war der, ob dieses Arschloch mit dem Motelbesitzer verwandt war. Das gleiche Verhalten legten sie immerhin an den Tag.
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Backroads
Teen FictionFür Maylea scheint der bevorstehende Sommer der absolute Wahnsinn zu werden: Jede Menge Partys, Abenteuer mit ihrer besten Freundin und zum allerersten Mal kein öder Urlaub mit ihrer Mum. Doch die Ferien haben kaum begonnen, schon macht nur ein Ge...