Draußen schien schon längst die Sonne und ich war immer noch hellwach. Egal, wie sehr ich mich in dem fremden Bett herum wälzte – ich fand keine Position, in der ich einschlafen konnte. Seth schlief schon seit einer gefühlten Ewigkeit tief und fest, während der ich immer wieder mit dem Gedanken rang, meine Sachen zusammen zu sammeln und abzuhauen. So, wie ich es normalerweise tat. Normalerweise kannte ich aber auch den Weg zurück nach Hause. Also versuchte ich weiterhin mich in den Schlaf zu zwingen, damit Seth mich am Morgen zurück zur Farm bringen konnte.
Ich lauschte dem Gezwitscher der allmählich erwachenden Vögel, das durch das gekippte Fenster des kleinen Schlafzimmers drang. Ansonsten war nichts zu hören. Es war windstill und noch zu früh für irgendjemanden, sich auf den Straßen aufzuhalten. Wie spät genau es war, wusste ich allerdings nicht. Vielleicht sechs, vielleicht auch später.
Müde drehte ich meinen Kopf, um einen Blick auf den Fußboden zu erhaschen. Meine Klamotten lagen ein wenig verstreut auf dem Holz. Kurzerhand vergewisserte ich mich, dass Seth noch schlief, setzte mich auf und stöhnte innerlich, als mein Kopf sich sichtlich gegen die Bewegung sträubte. Es befand sich definitiv noch ein Rest Alkohol in meinem Blut. So schnell es ging stand ich auf und streifte meine Unterwäsche über, bevor ich ein wenig entspannter auch den Rest meiner Kleidung einsammelte.
In meiner Hosentasche fand ich mein Handy wieder. Es war schon fast sieben Uhr. Darauf bedacht, Seth nicht aufzuwecken, schlich ich um das Bett herum in den dunklen Flur und weiter in seine Küche. Sie war winzig und unaufgeräumt. Neben der Spüle stapelte sich ein Geschirrberg, der darauf wartete, abgewaschen zu werden und schon dieser alleine genügte, um jeglichen Platz in Anspruch zu nehmen. Kopfschüttelnd machte ich mich daran, seine Schränke nach einem Glas zu durchforsten. Ich fand keins, lediglich eine Unmenge an Tassen. Also griff ich mir eine und hielt sie unter den Wasserhahn, bevor ich das kühle Nass gierig austrank. Gleich darauf folgte noch eine weitere Tasse, die meinen trockenen Hals vorerst beruhigte und hoffentlich auch dazu beitrug, dass ich schneller wieder ausnüchterte. Nachdem ich die Tasse zu dem anderen, schmutzigen Geschirr gestellt hatte, wanderte ich weiter ins Wohnzimmer. Es war nicht viel größer als das Schlafzimmer. Ein abgenutztes Sofa stand an der linken Wand, gegenüber von einem Fernseher und einer vertrockneten Zimmerpflanze. Ich räumte einige Werbeprospekte von der Couch, bevor ich mich darauf niederließ, mein Handy ein weiteres Mal aus meiner Hosentasche zog und meine Beine anwinkelte.
Seths Wohnung befand sich fast im Zentrum des Ortes, weshalb der Empfang deutlich besser als auf der Farm war. Ebenso mein Internet. Ich hatte unzählige neue Nachrichten.
Olivia hatte mir Fotos von der Alkoholsammlung ihrer Oma geschickt, Emma erkundigte sich mit zahlreichen Tippfehlern nach meinem Wohlempfinden und ein Haufen anderer Leute, mit denen ich nur oberflächlich zu tun hatte, wollte etwas von mir. Ich ignorierte alle und stellte niedergeschlagen fest, dass Tyler sich seit unserem Telefongespräch vor einigen Tagen nicht gemeldet hatte. Vielleicht würde er es auch nicht tun. Vielleicht sollte ich es tun. Meine Finger schwebten schon über der Tastatur, als mir der Gedanke kam, dass ein Text um halb sieben möglicherweise nicht das Beste wäre. Nachher würde er noch wie Emmas kaum zu entzifferndes Geschwafel enden. Seufzend verschob ich Aktion Tyler also auf eine spätere Stunde.
Gerade, als ich mein Handy wieder sperrte und meinen Kopf gegen die Lehne des Sofas sinken ließ, fing es auf einmal so lautstark an zu klingeln, dass ich erschrocken wieder hochfuhr und meine Hand über den Lautsprecher presste. Eine unterdrückte Nummer rief mich an. Für einen Augenblick zog ich in Erwägung, den Anruf einfach wegzudrücken. Wer außer einer falsch verbundenen Person rief mich schon um diese Uhrzeit an? Doch dann nahm ich doch ab. Es könnte ja doch eine mir bekannte Person und ein Notfall sein.
„Hallo?", meldete ich mich mit gedämpfter Stimme, hoffend, dass ich Seth nicht aufwecken würde. Es war völlig unnötig, wie sich herausstellte, als eine mir nur allzu bekannte Stimme mindestens doppelt so laut aus dem Lautsprecher drang.
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Backroads
Teen FictionFür Maylea scheint der bevorstehende Sommer der absolute Wahnsinn zu werden: Jede Menge Partys, Abenteuer mit ihrer besten Freundin und zum allerersten Mal kein öder Urlaub mit ihrer Mum. Doch die Ferien haben kaum begonnen, schon macht nur ein Ge...