N E U N

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Es roch nach Landleben. Nach Gräsern, Feldern und nach Kuhstall. Und ein klitzekleines Bisschen nach Rauch. Eine ekelhafte Mischung, die mich mit der Frage konfrontierte, ob Nate rauchte. Ich konnte es mir nicht vorstellen, dafür war er viel zu spießig, aber fragen wollte ich ihn auch nicht. Nicht jetzt, wo er bewirkt hatte, dass ich in seinem beschissenen Pick-Up Truck saß, nachdem ich mir seinetwegen in einer engen Gasse zehn Minuten lang die Augen aus dem Kopf geheult und gehofft hatte, er würde mich nicht finden. Aber er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach mir zu suchen. Als ich mit drückenden Kopfschmerzen und roten Augen zurückgekommen war, lehnte er nur wie davor schon an seinem Auto. Er war ohne ein Wort eingestiegen, weshalb ich den Tränen am liebsten wieder freien Lauf gelassen hätte, doch ich verbat mir, mir diese Blöße zu geben und ihm unter die Nase zu reiben, wie sehr ich mich von seinem gleichgültigen Verhalten beeinflussen ließ.

Ich kurbelte das Fenster von Nates Pick-Up runter, um den Geruch irgendwie loszuwerden und starrte missmutig auf die Fassade des Motels, in dem ich mich eben noch mit Tyler befunden hatte. Es fühlte sich so surreal an. Als wären wir doch nicht dort gewesen. Als hätten er und Nate nicht fast eine Prügelei angefangen. Das einzige, was sich realer anfühlte, als es mir lieb war, was sich andauernd wieder schmerzhaft in meinen Kopf drängte, war, dass Tyler abgehauen war. Ich war nicht sicher, ob es mich mehr mitnahm, dass ich nach wie vor in dieser Einöde festsaß oder es doch die Tatsache war, dass er die Nase voll von mir hatte. Fast schon besessen versuchte ich mir ersteres einzureden, obwohl ich genau wusste, dass es mich momentan mehr beschäftigte, unsere Freundschaft wirklich ein für alle Mal aufs Spiel gesetzt zu haben. Nie hätte ich gedacht, dass mir dieser Gedanke so sehr zu schaffen machen könnte.

Der Motor des Pick-Ups sprang an, ließ meinen Sitz vibrieren, doch Nate ließ ihn nicht aus der Parklücke rollen. Nach einigen Sekunden wurde es mir zu bunt, ich drehte meinen Kopf zu ihm, um ihn anzuschnauzen, worauf er wartet, aber die Worte blieben mir im Hals stecken.

Musste er mich so niederstarren?

„Was?", presste ich mühsam hervor und zwang mich dazu, seinem Blick standzuhalten, möglichst gleichgültig.

„Schnall dich an."

Ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Was?" Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein. Deshalb glotzte er so blöd?

„Tu es einfach."

„Wie bitte?", rutschte es ungehalten aus mir heraus. „Ich bin genau da, wo du mich haben willst. Wenn dir das nicht genug ist, steige ich liebend gern wieder aus."

„Du bist freiwillig eingestiegen", stellte er unbeeindruckt klar. „Und ich werde nicht losfahren, bevor du nicht angeschnallt bist."

„Gut, wie du willst", murmelte ich wütend und griff nach dem Türöffner, doch genau in den Moment, in dem ich ihn berührte, schnellte die Sicherung mit einem Klicken hoch. Die Tür bewegte sich keinen Zentimeter. Kindersicherung.

„Willst du mich verarschen?", Ich wirbelte zu ihm herum. „Dir ist klar, dass ich dich anzeigen kann, wenn du mich gegen meinen Willen festhältst, oder? Das ist Freiheitsberaubung!"

„Schnall dich einfach an, meine Güte. Ist es der Weltuntergang, das zu verlangen?"

„Ist es der Weltuntergang, wenn ich es nicht tu?", fragte ich zurück und verschränkte meine Arme vor der Brust.

Anstatt mir eine Antwort zu geben, stellte er ernsthaft den Motor wieder ab, blickte desinteressiert aus der Windschutzscheibe und tippe abwartend mit seinen Fingern auf das Steuer, doch ich war nicht bereit, nach seinem Willen zu tanzen. Verärgert ahmte ich seine Haltung nach, jedenfalls was meine Blickrichtung anging und starrte auf den schmutzigen, asphaltierten Bürgersteig zu meiner rechten.

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