N E U N Z E H N

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„Ich habe dir eine neue Sim-Karte mitgebracht", informierte Mum mich am Frühstückstisch und schob mir die Packung entgegen, die sie offenbar beim Brötchenholen besorgt hatte. Ich konnte mein wenig begeistertes Stöhnen nicht unterdrücken.

„Wenn du weiterhin für deinen Vater erreichbar sein willst, kannst du deine jetzige natürlich gerne behalten."

„Danke, Mum." Meine Stimme klang ebenso schnippisch wie ihre. „Aber ich meinte damit eigentlich den ganzen Aufwand, der mit einer neuen Sim-Karte einher geht."

„Du musst ja wissen, was dir lieber ist."

Augenverdrehend griff ich nach der Packung, um ihr zu signalisieren, dass ich sie annahm. „Wie gesagt, danke."

Mum biss lediglich von ihrem Brötchen ab, mir diesen typischen Blick präsentierend, den sie immer aufsetzte, wenn sie nicht mit mir diskutieren würde. Ich verstand nicht, wie sie etwas runterbekam. Sie war bereits bei ihrem zweiten, während ich noch immer an meiner ersten Brötchenhälfte herumnagte. Sogar Nate schlang sein Essen nicht so schnell hinunter, wie er es immer bei Sue und Joe tat, aber ihm war es vermutlich einfach unangenehm, meiner Mutter und mir beim Streiten zuzusehen. Ihm war anzusehen, dass er sich unglaublich unwohl fühlte und sicherlich wäre er schon letzte Nacht wieder zurück nach Texas gefahren, wenn Mum nicht darauf bestehen würde, dass er mich mitnahm.

Mit der Nacht war was auch immer zwischen Nate und mir war, verflogen. Der Sonnenschein hatte den Frieden, der in zwischen uns geherrscht hatte, in die Flucht geschlagen. Er war schon aufgestanden, bevor ich überhaupt wach geworden war und als ich ihn unten im Wohnzimmer angetroffen hatte, war er wieder sein kühles, unnahbares Selbst. Ich war mir so verarscht vorgekommen, dass auch ich sofort meine Mauern hochzog und auf ein halbherziges „Morgen" ein mindestens genauso zickiges erwiderte. Ich erkundigte mich nicht einmal danach, ob er gut geschlafen hatte oder wie lange er schon wach war. Seitdem hatten wir nicht mehr als nötig miteinander gesprochen und ich war mehr als erleichtert gewesen, als Mum mit einer Tüte Brötchen durch die Haustür gekommen war. Sie hatte eine Notiz auf der Küchenzeile hinterlassen, ansonsten wäre ich vermutlich genauso durchgedreht, wie gestern. Trotzdem hatte ich die ganze Zeit über, die sie fort war, ein mulmiges, besorgtes Gefühl im Bauch gehabt.

„Wann wollt ihr denn wieder zurück fahren?", erkundigte Mum sich. Sie beschmierte sich schon wieder ein Brötchen, dieses Mal mit Erdnussbutter.

Ohne Nate auch nur eines Blickes zu würdigen, sagte ich: „Ich hab dir gesagt, dass ich hier bleibe, Mum!"

Sie seufzte und ließ ihr Brötchen sinken. „Geht das jetzt schon wieder los? Ich werde meine Meinung nicht ändern."

„Schön, ich meine auch nicht."

Aus Nates Richtung erklang ein lautes Knuspern, als er von seinem Brötchen abbiss und es langsam zerkaute. Mum und ich sahen ihn gleichzeitig an. Er hielt in der Bewegung inne, vollkommen überfordert. Wir verlangten beide stumm, dass er sich auf unsere Seiten stellen sollte, obwohl er noch immer nicht wusste, was genau hier überhaupt los war. Keine Ahnung, was ich mir davon erhoffte. Wahrscheinlich, dass er sagte, dass er so schnell wie möglich losfahren wollte, ob ich nun mitkam oder nicht und ich mich bis dahin im Badezimmer einschließen konnte. Alles an diesem Gedankenstrang war vollkommen lächerlich und ließ mich meinen Kopf zurück zu meiner Mutter drehen. „Lass Nate da raus."

„Naja, ich schätze, deine Mutter hat sich etwas bei ihrer Entscheidung gedacht", sagte Nate, bevor Mum die Gelegenheit dazu hatte. Sofort lag meine Aufmerksamkeit wieder auf ihm. „Und ich mir bei meiner nicht, oder was?"

Nate zuckte bei meinem harschen Tonfall nicht einmal mit den Wimpern. „Meistens wissen die Eltern, was das Beste für ihre Kinder ist."

„Und du weißt noch nicht einmal, was überhaupt Sache ist!"

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