Mit einem Handtuch auf dem Kopf tapste ich vom Badezimmer aus über den Flur in mein Zimmer, das Gefühl habend, dass das Duschen vollkommen überflüssig gewesen war. Die Nachmittagshitze unter dem Dach war so erdrückend, dass ich schon wieder schwitzte, als ich mir einen Satz neuer Klamotten angezogen hatte und mich erschöpft auf mein Bett fallen ließ.
Am liebsten würde ich ein Nickerchen halten, damit ich heute Abend auf der Party von Emmas Familie fit sein würde, aber das Wetter ließ es nicht zu. Es war einfach viel zu heiß, um sich entspannen zu können und trotzdem blieb ich an Ort und Stelle liegen.
Es war unglaublich still im Haus. Sue war arbeiten und Joe wollte irgendwelche Besorgungen machen. Selbst von draußen waren keine Geräusche zu hören. Kein Straßenlärm, an den ich so gewöhnt war, auch keine Traktoren oder sonstiges. Diese Stille war fast schon gruselig.
Seufzend setzte ich mich auf, zog mir das Handtuch vom Kopf und machte mich daran, meine zerzausten Haare zu bürsten, deren kühlende Nässe sich auf meinen Schultern himmlisch anfühlte. Ich musste noch mehrere Stunden totschlagen und ich hatte nur eine Idee, wie. Ob ich das aber tatsächlich wollte, wusste ich nicht. Meine Bürste sinken lassend wanderte mein Blick zu der schmalen Fensterbank, auf der die Kamera seit einigen Tagen unberührt stand. Die ganze Zeit hatte ich versucht, nicht an sie zu denken, was nicht so recht geklappt hatte und auch jetzt breitete sich in meinem Magen wieder dieses mulmige Gefühl aus. Und wieder fing ich an zu grübeln, ob ich mich noch einmal ans Fotografieren wagen oder es lieber sein lassen sollte.
Zögerlich ging ich auf das Fenster zu, die Kamera mit zusammengezogenen Augenbrauen fixierend, als würde sie mir eine Antwort auf meine Ratlosigkeit geben. Langsam streckte ich meine Hand aus, hielt einige Zentimeter vor der Kamera inne und schaffte es schließlich doch, nach ihr zu greifen.
In dem Moment, in dem meine Fingerspitzen die Oberfläche berührten, schepperte es. Ich fuhr so sehr zusammen, dass ich den Fotoapparat fast von der Fensterbank fegte.
Mit klopfendem Herzen erstarrte ich. Was zur Hölle war das gewesen?
Ich wagte es nicht, mich zu rühren, während ich auf Geräusche lauschte, die mir versicherten, dass Joe schon zurück war oder Sue früher Feierabend hatte. Ein Fluchen oder das Aufsammeln von dem, was gerade zu Boden gegangen war, doch es war totenstill. Lediglich mein Puls hämmerte dermaßen laut in meinen Ohren, dass ich Angst hatte, er wäre bis nach unten zu hören.
Er war hier.
Vergeblich versuchte ich gegen den Kloß in meinem Hals anzukämpfen, während ich versuchte, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, womit ich allerdings völlig überfordert war. Ich war auf so eine Situation nicht vorbereitet, weil ich mir verboten hatte, mir ein solches Szenario überhaupt vorzustellen. Das einzige, was ich sofort wusste, war, dass ich nicht hier oben bleiben konnte. Jetzt war ich hier vielleicht noch sicher, aber sobald mein Vater mich hier entdecken würde, gäbe es kein Entkommen mehr.
Dabei konnte ich noch nicht einmal einschätzen, ob ich wirklich entkommen müsste oder ob es einen anderen Weg gab, mit ihm fertig zu werden. Er war schon immer sprunghaft gewesen, besonders wenn er betrunken war.
Nach was sich wie eine Ewigkeit anfühlte wagte ich es, mich zu bewegen. Ganz langsam schlich ich zu meinem Nachttisch, auf dem mein Handy lag und warf einen Blick auf das Display. Kein Empfang. Obwohl ich es befürchtet hatte, merkte ich, wie ein Funken Hoffnung von mir abfiel. Ich musste mir erneut Mut zusprechen, bis ich es schaffte, vorsichtig in Richtung Tür zu gehen, wobei ich direkt auf eine knarrende Diele trat und panisch innehielt. Das Geräusch war mir so laut, so unüberhörbar vorgekommen und jagte meinen Adrenalinspiegel noch weiter in die Höhe. Mir auf die Unterlippe beißend tastete ich mich nach einem langen Augenblick des Schreckens Schritt vor Schritt vor, indem ich mit meinen Zehenspitzen jede Holzdiele leicht belastete, bevor ich mit meinem gesamten Körpergewicht darauf trat. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich an der Treppe ankam.
DU LIEST GERADE
Backroads
Teen FictionFür Maylea scheint der bevorstehende Sommer der absolute Wahnsinn zu werden: Jede Menge Partys, Abenteuer mit ihrer besten Freundin und zum allerersten Mal kein öder Urlaub mit ihrer Mum. Doch die Ferien haben kaum begonnen, schon macht nur ein Ge...