Ich wachte davon auf, dass mir die Decke radikal weggerissen wurde.
„Raus aus den Federn, Maylea. Es gibt viel zu tun", drang Sues Stimme zu mir durch, vermischte sich mit Fetzen eines Traumes, in dem ich mich bis eben noch verloren hatte. Fröstelnd zog ich meine Beine näher an meinen Körper, öffnete schlaftrunken meine Augen, wenn auch nur minimal und spähte meine Tante an, die schwungvoll die Gardienen vor dem kleinen Fenster aufzog.
„Wie spät ist es?", brummte ich.
„Halb sechs."
Wie bitte? Das war nicht ihr Ernst, oder? Sie musste mich auf den Arm nehmen. „Abends?", fragte ich deshalb hoffnungsvoll, mir wünschend, meine Decke wiederzuhaben, aber Sue hatte sie auf das andere Bett geschmissen.
Sie drehte sich zu mir um. „Nein, morgens. Ich erwarte dich in zehn Minuten unten. Angezogen und arbeitsbereit. Wer sich betrinken kann, kann auch arbeiten!" Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer wieder und ihre Schritte hallten auf der Treppe wider, bevor ich auch nur Zeit hatte, zu verstehen, was sie von mir wollte.
Ich sollte arbeiten? Jetzt?! Es war mitten in der Nacht! Und Samstag! Selbst die Morgendämmerung war noch nicht vorüber und tauchte den Raum in ein bläulich, orangenes Licht. Eine Mischung der schwindenden Dunkelheit der Nacht und den wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne.
So schön dieses Farbenspiel auch war, ich würde trotzdem nicht aufstehen. Um keinen Preis. Ich hatte verdammt schlecht geschlafen, vor allem viel zu kurz, weil ich Nates merkwürdiges Verhalten einfach nicht aus dem Kopf bekommen hatte. Gähnend stand ich so weit auf, wie nötig, um die Decke wiederzubekommen und zog sie zurück über meinen Körper, mich wieder in der Weiche der Matratze verlierend. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich das Land der Träume abermals erreicht hatte.
* * *
Ein Schwall eiskaltes Wassers übergoss sich über mir. So kalt, dass ich vor Schock einen schrillen Schrei ausstieß und reflexartig die klatschnasse Decke von mir wegtrat.
„Geht's noch?", fuhr ich Sue an, die schon wieder neben meinem Bett lauerte, einen leeren Blecheimer in der Hand haltend. Doch anstatt sich daran zu erfreuen, dass ich triefte, sah sie nur noch saurer aus, als eben.
Falls das eben war. Ich hatte kein gutes Zeitgefühl, wenn ich schlief. Niemand hatte das.
Angeekelt kletterte ich aus dem Bett und sah an mir runter. Mein T-Shirt fast komplett durchnässt, sodass ich nur von Glück reden konnte, dass es dunkelblau und nicht weiß war. „Was soll denn das?!"
„Deine Mutter hat dich nicht aus Spaß hierher geschickt", begann sie und stellte den Eimer auf dem Boden ab. Wenn das bedeutete, was ich befürchtete, würde diese Antwort ausführlich ausfallen. War das jetzt meine Strafe dafür, dass ich die Kartoffeln gestern Abend nicht geschält hatte und ohne ein Wort in meinem Zimmer verschwunden war, als Nate mich – wieder vollkommen gefasst und wortkarg wie eh und je – auf der Farm abgesetzt hatte? „Sie hat mir erzählt, warum sie diese Entscheidung in erster Linie getroffen hat und ich bin mir sicher, dass du dich an den Grund ebenfalls bestens erinnern kannst."
Ich presste meine Lippen aufeinander. Natürlich erinnerte ich mich daran, schließlich hatte Mum nichts anderes getan, als Moralpredigten zu halten und mir durchgehend Vorwürfe zu machen, bis sie ohne eine Verabschiedung von hier abgehauen war. Wie hätte ich es also vergessen können?
Als ich Sue weiterhin nur gleichgültig ansah, fuhr sie fort: „Worauf ich hinaus will, Maylea, ist, dass ich das Handeln deiner Mutter sehr gut nachvollziehen kann und ich habe ihr versprochen, dass ich dich hier nicht nur auf der faulen Haut liegen lassen werde."
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Backroads
Teen FictionFür Maylea scheint der bevorstehende Sommer der absolute Wahnsinn zu werden: Jede Menge Partys, Abenteuer mit ihrer besten Freundin und zum allerersten Mal kein öder Urlaub mit ihrer Mum. Doch die Ferien haben kaum begonnen, schon macht nur ein Ge...