A C H T

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Song: Crash And Burn - Thomas Rhett

* * *

„Das kann nicht dein Ernst sein!" Tyler blockierte die Zimmertür wie ein störrisches Kind, die Arme vor der Brust verschränkt. Es war früher Morgen und es hatte ihm schon nicht gepasst, dass ich ihn aus dem Bett gescheucht hatte, kaum dass die Sonne durchs Fenster geschienen hatte. Drei Tage bei Sue und Joe und ihr dämlicher Hahn hatte meine innere Uhr gewaltig durcheinander gebracht. Gerade hatte ich Tyler dann noch spontan darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir das Frühstück in diesem Drecksloch von Motel ausfallen lassen würden, weil ich erstens nicht länger als nötig hier bleiben wollte und zweitens befürchtete, dass Sue auf dem Weg zur Bibliothek an Tylers Sportwagen vorbeikommen könnte und mich aus irgendeinem Grund damit in Verbindung brachte.

„Beweg deinen Arsch, Coleman", wies ich ihn nüchtern an. „Wir können unterwegs bei McDonalds anhalten."

„Ich werde keinen Burger frühstücken!"

Genervt stöhnte ich auf. „Dann kauf dir einen Muffin! Was ist denn dein Problem? Machst du Diät oder was? Und hast du schon mal was von einem Frühstücksburger gehört? Die sind extra fürs frühstücken gemacht."

„Weißt du, wie lange ich nichts mehr gegessen hab?", war alles, was er darauf erwiderte, woraufhin ich ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah. „Ich tippe auf höchstens sechs Stunden", mutmaßte ich. „Was tut das zur Sache?"

„Warum müssen wir bei McDonalds anhalten, wenn wir auch hier frühstücken können?"

„Das hab ich dir doch gesagt", fuhr ich ihn an. „Du bist gerade schlimmer als ich! Ernsthaft. Du wirst schon nicht vom Fleisch fallen. Jedenfalls nicht damit." Ich sah mich gezwungen, mit gespielter Bewunderung in seinen Bizeps zu drücken, damit er endlich den Weg freigab. Um ehrlich zu sein, törnten seine Armmuskeln mich nicht mal besonders ab, aber das würde ich ihm gegenüber niemals zugeben.

Er verengte seine Augen und musterte mich abwägend, während ich ihn anhimmelnd ansah und dazu mit meinen Wimpern klimperte. Tyler ließ ein Seufzen hören, ehe er sich mürrisch umdrehte und auf den engen Flur trat. Mit Tageslichteinstrahlung wirkte er nicht mehr ganz so düster wie noch in der letzten Nacht, doch gleichzeitig konnte man die heruntergekommenen Wände umso besser erkennen und den Schmutz, der an ihnen haftete.

Ich hob meinen Koffer hoch und bugsierte ihn durch die Tür, Tyler ein ernst gemeintes, dankbares Lächeln zuwerfend. Er schien nicht besonders angetan zu sein, sondern machte sich wortlos auf den Weg zur Treppe.

Wenigstens meinen Koffer hätte er mir abnehmen können. Schon gestern hatte ich immer wieder das Gefühl gehabt, meine Arme würden die Last nicht aushalten und siehe da, ich hatte höllischen Muskelkater über Nacht bekommen. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte ich Tyler die Stufen herunter und setzte das Teil mit einem Ächzen auf dem Boden ab. Möglicherweise sollte ich mit Kraftsport anfangen.

Tyler stand bereits vor dem Tresen und regelte die Bezahlung mit dem fetten Kerl, der aussah, als wäre er schon wieder erst vor einem Augenblick aufgewacht.

„Eine Nacht, ohne Frühstück." Er drehte sich zu mir um. „Sie zahlt."

Entrüstet fiel meine Kinnlade herunter. „Wie bitte?"

„Süße, ich glaube, ich hab so einiges gut bei dir", entgegnete er unbeeindruckt. „Außerdem war das hier deine Idee. Sei froh, dass ich dich nicht auch noch das Benzin zahlen lasse."

Fassungslos starrte ich ihn an. Süße?

„Wenn du deine schwachsinnigen Bezeichnungen nicht bald für dich behältst, kannst du dir deinen Zwischenstopp bei McDonalds sonst wo hinstecken", fauchte ich, als ich an ihm vorbei trat. Egal, wie sehr ich ihn für den albernen Spitznamen hasste, musste ich zerknirscht einsehen, dass er Recht hatte. Er war extra für mich hierhergekommen, hatte dabei sicherlich Unmengen an Geld für Benzin verschwendet und würde auch auf dem Rückweg mehrmals tanken müssen. Abgesehen davon hatte ich ihm sein Frühstück vermiest. Ob ich wollte oder nicht, ich hatte ein schlechtes Gewissen. Wenn auch nur ein sehr kleines.

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