Das Herbstfest

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Der Marktplatz war das pochende Herz dieser Stadt. Das zumindest war Bleuciels erster Eindruck, nachdem sie den gut besuchten Ort endlich erreicht hatten. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckte sich eine große Kirche, deren zwei Spitztürme hoch in den Himmel ragten. Das absonderlichste an ihr war jedoch das gigantische Kirchenfenster, das sich über der Eingangstür befand und das mit seinen vielfältigen Farben für Begeisterungsstürme bei den Betrachtern sorgte. Selbst Dubois brauchte eine Weile, um sich vom Anblick des prachtvollen Gotteshauses losreißen zu können.

Im Zentrum des Marktplatzes befand sich eine kleine Holzbühne, auf der in diesem Augenblick ein Gaukler zugegen war. Dieser trug ein auffallend buntes Kostüm mit Narrenkappe und Maske. Etliche Zuschauer hatten sich vor ihm versammelt, um seine Jonglierfähigkeiten zu bestaunen. Hin und wieder klatschten und jubelten sie, wobei die Kinder eifrig um die Bühne rannten.

Der Außenrand des Platzes war indes von unzähligen Verkaufsständen geprägt. Sie standen dicht aneinandergereiht und zwangen deren Besitzer dazu, lautstark um die Aufmerksamkeit potentieller Interessenten und Käufer zu buhlen.

Insgesamt betrachtet war das Herbstfest eine Herausforderung für jegliche Sinne. Den Augen, beispielsweise, bot sich eine große Auswahl unterschiedlichster Ereignisse. Darunter ein Schwertschlucker, der das Publikum mit seiner Vorführung schockierte.

Zeitgleich schenkten Straßenmusiker dem Gehör eine tolle Wahrnehmung in Form ihres melodischen Gesangs und mit Hilfe ihrer Instrumente, bei denen man am liebsten das Tanzbein geschwungen hätte.

Hinzukam ein breites Spektrum an Gerüchen, von denen manche vertraut wirkten, während sich andere noch nicht definieren ließen, aber schon jetzt die Neugier des Unwissenden weckten.

„Habe ich zu viel versprochen, Monsieur?", fragte Perceval, der die Regungen in Bleuciels Gesicht heimlich beobachtet hatte.

„Keineswegs ...", murmelte Dubois, fortwährend darum bemüht, die diversen Eindrücke in seinem Kopf zu sortieren. „Und so etwas findet jährlich hier statt?"

„Absolut", bestätigte de Rouyer. „Möchten Sie mit mir einen Blick auf die Stände werfen? Einige davon bieten famose Köstlichkeiten an."

Kurz warf Bleuciel einen Blick in seine Börse. Wie viel sich mit den zehn Francs wohl erwerben ließ? Als Perceval die Aktion bemerkte, fasste er dem Dieb an die Hand.

„Ich bitte Sie, Monsieur", äußerte er, fast schon ein wenig gekränkt. „Ich lade Sie ein. Sämtliche Kosten obliegen mir."

„Das kann ich unmöglich von Ihnen verlangen", widersprach Bleuciel.

Daraufhin runzelte Perceval die Stirn. „Inwiefern liegt das Verlangen bei Ihnen, Monsieur? Ich war es doch, der den Wunsch nach Begleitung geäußert hatte." Zügig drückte er Bleuciels Börse zurück an ihren ursprünglichen Platz. „Ich möchte, dass Sie keinen weiteren Gedanken mehr daran vergeuden. Genießen Sie das Fest und sorgen Sie sich nicht um derlei Dinge."

Schüchtern sah Dubois zu Boden. „Womit habe ich Ihre nette Gesellschaft bloß verdient?"

„Dasselbe könnte ich Sie auch fragen", erwiderte Perceval mit einem aufrichtigen Lächeln. „Aber nun mischen wir uns beide unter das Volk. Kommen Sie!"

Bleuciel spürte die Hand des Adeligen, die ihn eifrig mit sich zog. Gemeinsam liefen sie in das Getümmel. Durch den hohen Andrang an Menschen war es nicht leicht, beisammen zu bleiben. Ihre Hände wurden durch das Gedrängel auseinandergerupft. Für den Dieb ergab sich jedoch ein noch weitaus größeres Problem.

Als die vielen Leiber der Besucher mit seinem eigenen in Berührung kamen, fühlte er oftmals die vollen Börsen, die diese bei sich trugen. Dadurch erwachte die gewohnte Gier, die sich im Leben eines Langfingers nicht mehr abschütteln ließ. Zu verlockend war die voraussichtliche Ausbeute, weshalb Dubois unweigerlich nach seinem Messer tastete. Andere zu bestehlen, stand plötzlich wieder im Vordergrund. Gerade als Bleuciel den Griff umklammerte, fiel Perceval zu ihm zurück.

Le cour voléWo Geschichten leben. Entdecke jetzt