Bleuciel erschrak, als Perceval mit einem unbekannten Mann im Schlepptau zurückkehrte. Bedeutete dies, dass ihre Tarnung bereits aufgeflogen war? Bevor der Dieb in irgendeiner Form reagieren konnte, war es Perceval, der zügig das Wort ergriff.
„Keine Sorge, Monsieur", beschwichtigte er. „Der gute Mann hier fungiert als unser maître d'hotel. Er ist für die Verwaltung des Haushalts zuständig, koordiniert die Bediensteten und organisiert unsere Bankette." Nach seiner kurzen Erläuterung, deutete der Adelige auf Bleuciel. „Das ist Monsieur Dubois. Er wird mir fortan als persönlicher Kammerdiener zur Seite stehen. Bitte informieren Sie die anderen darüber und erwähnen Sie jedem gegenüber, dass mein Vater nichts davon erfahren darf."
Erst jetzt bemerkte Bleuciel das Tablett, welches der so genannte maître d'hotel in seinen Händen trug. Darauf befanden sich ein unter anderen ein paar Speisen, sowie Wasser und ein Glas Wein. Darüber hinaus hingen ein paar Kleidungsstücke über dem angewinkelten Unterarm des Mannes, die auf dem ersten Blick einer Bediensteten-Bekleidung ähnelten.
„Wie Monsieur de Rouyer wünschen", erwiderte der ältere Mann diszipliniert, ohne die Anweisung seines Herren in Frage zu stellen.
Er lud das Tablett auf dem Schreibtisch ab und übergab Bleuciel die Klamotten. Anschließend verbeugte er sich vor Perceval und verließ das Zimmer.
„Damit bieten sich Ihnen neue Möglichkeiten", äußerte Perceval erfreut. „Ich hoffe, dass das für Sie in Ordnung geht?"
„Sofern dies bedeutet, dass ich an Ihrer Seite bleiben darf", erwiderte der Dieb, wofür er einen innigen Kuss erhielt.
Der Kuss war weich, fast schon unschuldig, und schmeckte ein wenig nach Wein. Er erinnerte Bleuciel daran, dass er seine eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigen durfte. Drum warf er einen knappen Blick auf das Tablett, was seinem aufmerksamen Partner nicht entging.
„Verzeihen Sie, Liebster. Wie nachlässig von mir. Nehmen Sie doch Platz und genießen Sie Ihr Mahl." Dabei eilte Perceval an den Schreibtisch, um den dortigen Stuhl etwas nach hinten zu schieben. „In der Zwischenzeit würde ich Ihnen gern schon mal ein Bad einlassen. Sicher sehnen Sie sich nach etwas Entspannung und Sauberkeit."
In dieser Hinsicht konnte Bleuciel seinem liebenswürdigen Partner nicht widersprechen. Er wusste schon gar nicht mehr, wann er das letzte Mal gebadet hatte. Mittlerweile musste sein Gestank schon gegen den Wind zu riechen sein. Da kam es beinahe einem Wunder gleich, dass bisweilen noch keine Fliegen um den Dieb herumschwirrten.
„Das ist eine tolle Idee", sagte Bleuciel, während er Perceval ein aufrichtiges Lächeln schenkte.
Er setzte sich an den Tisch, wo der knusprige Braten einen köstlichen Duft verströmte. Zudem gab es ein paar Kartoffeln in Soße und als Dessert ein kleines Stück Apfelkuchen.
„Ich bringe die Kleidung ins Badezimmer und bereite alles vor. Wir werden uns in Kürze wiedersehen, Liebster."
Federleichten Schrittes verließ Perceval das Zimmer mitsamt der frischen Kleidung und einer hervorragenden Laune. Angesichts dessen überkam Bleuciel ein beiläufiges Schmunzeln. Dass sie derzeit auf Wolke Sieben schwebten, war nicht zu übersehen. In diesem Moment existierten für sie keinerlei Probleme. Sie hatten nur sich selbst, was zum Leben vollkommen ausreichte. Gegen die Annehmlichkeiten, die Percevals Reichtum mit sich brachte, hatte Bleuciel trotz allem nichts einzuwenden. Er aß die köstliche Speise, deren Höhepunkt der Apfelkuchen bildete. In den Genuss solcher Leckereien zu kommen, hätte Dubois nicht für möglich gehalten. Er fühlte sich wie in einem herrlichen Traum, aus dem er nie wieder erwachen wollte.
Nachdem er fertig gespeist und das Glas mit dem Wasser in wenigen Zügen ausgeleert hatte, verließ er das Zimmer, wo ihm Perceval freudestrahlend entgegenkam.
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Le cour volé
ContoSchon als Kind war Bleuciel auf sich allein gestellt, weshalb ihn die Not zu einem Dieb heranwachsen ließ. Als nunmehr 20-jähriger bestimmen Misstrauen und soziale Unbeholfenheit über sein Leben. Auf seinen Beutezügen durch Frankreichs Städte des 19...