Chapter 44

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Soley

In meinem alten Rudel habe ich früher jeden Tag Bogenschießen geübt. Irgendwann war ich ein Naturtalent und hatte wohl zu viel Spaß an der Beschäftigung. 

Mein Adoptivvater mochte es nicht, wenn ich lächelte oder glücklich war. Also zerbrach er meinen Bogen in zwei Teile, schmiss mir die Teile vor die Füße und schrie mich an. Damals war ich 10 Jahre alt und völlig verängstigt in mein Zimmer gelaufen. 

Die Welt war schon immer unfair gewesen. Doch jetzt hatte ich die Chance mein Leben nach meinem eigenen Ermessen zu ändern. Vielleicht hatte die alte Schreckschraube von Hellseherin ja unrecht gehabt und es würde gar nichts schlimmes passieren. Das Schicksal konnte immer geändert werden. 

Ich ließ den Pfeil los und traf direkt in die Mitte der Zielscheibe. Grinsend zog ich den nächsten Pfeil und traf auch damit nicht weit von der Mitte entfernt. Ich stellte mich immer weiter weg und probierte es in den verschiedensten Positionen. 

Der Bogen war kühl und leicht in meiner Hand. Perfekt für mich gemacht und besser als ein Schwert. 

„Ich sehe du übst fleißig.", ertönte eine Stimme und ich drehte meinen Kopf. Arez kam Lächeln auf mich zu und ich bewunderte seine königliche Haltung ein ums andere Mal. Ohne auf die Zielscheibe zu schauen schoss ich den Pfeil ab, in der sicheren Ahnung ich würde die Mitte treffen. 

„So treffsicher.", sagte Arez daraufhin und zog eine Augenbraue hoch. Ich drehte mich zur Zielscheibe um und musste mir ein stolzes Lächeln verkneifen, als ich den Pfeil in der Mitte stecken sah. 

„Als junges Mädchen war Bogenschießen meine Lieblingsbeschäftigt. Bevor mein Adoptivvater mir alles genommen hatte, was mir auch nur ansatzweise Spaß gemacht hatte.", erwiderte ich und das alles sagte ich so beiläufig, dass sich ein Schatten über Arez Gesicht legte.

„Er war nicht gut zu dir, stimmts?", fragte er.

„Lass uns ein anderes Mal darüber sprechen.", antwortete ich nur und verdrängte die aufkommenden Erinnerungen. Ich hatte es nur Fae erzählt und das stellte sich als Fehler heraus. Wenn ich könnte würde ich das Gespräch mit ihr rückgängig machen. 

„Ihr hattet eine Versammlung?", fragte ich um das Thema zu wechseln und Arez Miene verfinsterte sich schlagartig.

„Ja, wir werden in den nächsten Tagen wohl mit einem Angriff rechnen müssen.", antwortete er und ich bemerkte die zwei großen Schwerter, die er sich auf den Rücken geschnallt hatte. Er war immer bereit für den Kampf. 

„Was?", fragte ich schockiert. 

„Einer meiner Späher hat Cyrian gesehen, wie er mit einer ganzen Armee auf unser Schloss zu marschiert. Doch wenn wir Glück haben, werden sie durch den verbotenen Wald gehen. Dort wo dir damals die Monster aufgelauert hatten.", antwortete er.

„Und was machen wir jetzt?", fragte ich und dachte wieder an die Hellseherin. Hatte ich vielleicht den bevorstehenden Kampf gesehen?

„Wir werden uns bereit machen und die Verteidigung erhöhen. Mehrere Ratsmitglieder holen Verstärkung aus ihren Provinzen ein und wir können nur hoffen, dass sie rechtzeitig ankommen. Cassiopeia hat ihren Mitgliedern eine Nachricht zukommen lassen, sie werden früher als alle anderen eintreffen. Wahrscheinlich heute Abend.", antwortete er und gemeinsam gingen wir zur Zielscheibe, damit ich meine Pfeile einsammeln konnte. 

„Oh, sie werden teleportieren?", fragte ich und konnte die Aufregung in meiner Stimme nicht verbergen. Es würde schön sein, weitere Zauberinnen und Zauberer kennenzulernen. 

„Ja.", lachte Arez und half mir die Pfeile einzusammeln. Nachdem wir alle eingesammelt hatten gingen wir zurück zum Schloss. 

„Werde ich auch mitkämpfen?", fragte ich, weil mir keine andere Frage in den Sinn kam. 

„Nein.", antwortete Arez schlicht und bei seinem Gesichtsausdruck verkniff ich mir jeglichen Widerspruch.

Schweigend gingen wir durch die Gänge des Schlosses und ich hielt suchend Ausschau nach Cassiopeia. 

„Ich hole dich später zum Essen ab.", sagte Arez als wäre es schon beschlossene Sache. Ich nickte und suchte in Gedanken meinen Kleiderschrank nach einem passenden Outfit ab. 

„Wir sehen uns dann später.", verabschiedete ich mich unsicher als wir vor meiner Zimmertür zum stehen kamen. Als ich meine Hand an die Klinke legte, drehte Arez mich um und drückte mich gegen die Zimmertür.

„Du denkst doch nicht, dass ich dich so gehen lasse.", schmunzelte er und kurz darauf trafen sich unsere Lippen. Ich ließ mich in den Kuss fallen und seufzte leicht gegen seine Lippen.

„Macht es doch in dem Zimmer, nicht außen.", murrte Jax neben uns und wir sprangen auseinander. Mit genervtem Gesichtsausdruck sah er uns nacheinander an und ich musste ein Lachen unterdrücken. Ich hatte ihn gar nicht in der Ecke bemerkt.

„Warum hältst du immer noch Wache? Ich kann mich gut selbst verteidigen.", sagte ich zu ihm und er zog eine Augenbraue hoch. 

„Ich glaube das beurteile ich lieber selbst.", erwiderte er und ich verdrehte genervt die Augen. Meine Augen wanderten wieder zu Arez, der seinen Bruder missbilligend musterte. 

„Bis später.", sagte ich zu Arez und sein Blick wurde sanft als er mich ansah. Ich schmolz innerlich dahin und brachte schnell die Zimmertür zwischen uns, bevor ich noch etwas Verrücktes sagte. 

Seufzend lehnte ich mich erst gegen meine Zimmertür. Doch dann schrak ich zusammen. Wer weiß, ob er es hörte? Engel hatten bestimmt auch so übernatürliche Sinne. Ich rannte zum anderen Ende des Zimmer und lehnte mich an die Wand dahinter. 

Er machte mich immer so nervös...

Ich raufte mir die Haare und unterdrückte einen Schrei. Um mich abzulenken ging ich zum Kleiderschrank und durchsuchte meine Sachen nach einem passenden Outfit. Doch ich fand keins. 

Aufgewühlt lief ich auf den Flur hinaus, wo mir eine Bedienstete entgegenkam. Wir knallten gegeneinander und die Handtücher, die die Bedienstete in der Hand hatte, verteilten sich auf dem Boden. 

„Es tut mir unendlich leid.", entschuldigte ich mich hastig, sammelte die Handtücher mit einem Schwung meiner Magie auf und rannte weiter zu Cassiopeia's Gemächern.

„Cassi!", rief ich außer Atem als ich durch die Tür stürmte. Sie saß an ihrem Schreibtisch und schrieb einen Brief. Doch als ich ins Zimmer platzte, erschrak sie und ihr Stift flog im hohen Bogen durch die Luft.

„Soley.", begrüßte sie mich und lachte erleichtert auf. 

„Was ist los?", fragte sie dann besorgt. 

„Es tut mir leid, dass ich so reingestürzt bin, doch ich brauche etwas zum Anziehen!", antwortete ich und sie brach in Gelächter aus. 

„Ich helfe dir, doch lass mich mich zuerst umziehen.", sagte sie und verschwand in einem weiteren Raum. Nach ein paar Minuten kam sie in einer wunderschönen Uniform heraus. Staunend öffnete ich den Mund um etwas zu sagen, doch ich schloss ihn sofort wieder. Cassiopeia trug ein schwarzes Oberteil mit wunderschönen, goldenen Verzierungen. Darüber hatte sie sich einen braunen Ledergurt geschnallt und über ihren Rücken schaute der Griff eines schönen Schwertes empor. 

Sie trug eine Lederhose, ebenfalls in schwarz und mit goldenen Stiefeln. Die schwarzen Stiefel rundeten das Outfit ab und ließen sie beinahe böse wirken. 

„Da du zu meinem Volk gehörst, bekommst du jetzt auch so eine Uniform. Natürlich nur, wenn du sie tragen möchtest.", sagte sie lächelnd und ich nickte begeistert.

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Ich hoffe es hat allen gefallen 💕

The Alphas ThroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt