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Erinnerst du dich an diese glänzenden kleinen Dinger, die du Hoffnung nanntest? Diese wunderschönen Rasierklingen. Du fühlst dich verloren? Du bist es. Verloren.

Sind wir nicht eigentlich am Leben, um zu lieben und zu sein? Wieso lebe ich?

Na? Zweifelst du an dir selbst? Du denkst es wird alles besser. Es ist alles besser. Aber das stimmt nicht. Diese Dreckswelt ist verdammt nochmal scheiße und schlimm.
Versuchst du, das Vorbild zu sein, für alle, perfekt zu sein? Du bist nicht perfekt. Niemand ist das. Doch du bist anders. Du verfaulst von Innen nach außen. Du bist ein nichts.

Warum kommen solche Gedanken? Warum genau jetzt?

Diese Schicksalsschläge, die Schlimmen, die werden noch kommen. Glaub mir.

"Kathy!", die Tür wurde von Jay aufgerissen. Ich versuchte, meim Gesicht trocken zu bekommen. "J.. ja?", fragte ich schluchzend. "Du weißt es schon?", fragte mich Jay fassungslos. "Was?", fragte ich. "Das mit Jonathan." Vollkommen aufgelöst kam Jay langsam auf mich zu. Sein Gesicht war voller Trauer, und er sah schockiert aus. Es war etwas passiert. Etwas schlimmes.
"Er..", fing Jay an. "Ich will es eigentlich gar nicht erst hören.", sagte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Beinen. "Er hatte einen Autounfall. Er musste einen Auftrag erfüllen und hatte einen scheiß Autounfall.", sagte Jay. Man konnte leichte Tränen in seinen Augen erkennen.

Denk an Mason. Du wirst alles zweimal durchleben. Jonathan wird sterben.

Ich fing an zu heulen. Vollkommen aufgelöst und zitternd konnte ich mich nicht bewegen. Ich hatte das dringende Bedürfnis, mir jetzt einfach die Pulsadern durchzuschneiden. Dann wäre alles vorbei. "Er liegt im Koma.", sagte Jay. "Im Krankenhaus." Ich konnte nicht mehr. Wieso Jonathan? Ich konnte mich nicht mehr beruhigen. Ich versuchte, tief und langsam einzuatmen. Es ging nicht. Ich musste schluchzen und die nächsten Tränen kamen. "Ich fahr dich zu ihm."
Vollkommen aufgelöst und als ein Häufchen Elend folgte ich Jay durch die vielen Gänge. Ich bekam Mitleidige Blicke von den anderen ab. Heulend setzte ich mich in Jays Auto.
Ich will jetzt auch einen Autounfall haben. Anstatt Jonathan im Koma liegen.
"Ich weiß, was du denkst.", sagte Jay leise. Plötzlich legte er den Kopf auf dem Lenkrad ab. "Scheiße Kathy.", schluchzte er. "Ich glaube er überlebt es nicht. Es steht schlecht um ihn." Ich sah, wie Tränen auf seinen Schoß fielen. Er weinte. Er zeigte sonst nie Gefühle. "Ich kann nicht noch jemanden in meinem Leben verlieren, der mir wichtig ist.", sagte Jay und wischte sich über die Augen. "Scheiße.", sagte er leise und schluchzte. Ich wischte mir auch übers Gesicht, doch es kamen direkt wieder neue Tränen. Ich unarmte Jay von der Seite und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. "Jay, ich kann nicht mehr leben, wenn Jonathan stirbt." Das war mein voller Ernst. Jonathan war das einzige, was mir geblieben ist. Ich löste mich von Jay. "Lass jetzt einfach zu diesem verkackten Krankenhaus fahren.", sagte ich leise. Schluchzend fuhr Jay los. Er weinte die ganze Fahrt über, genauso wie ich.
Als wir endlich am Krankenhaus ankamen, war es stockdunkel. Wir stiegen aus und gingen beide mit verheulten Gesichtern in das Krankenhaus rein. An der Rezeption fragten wir nach Jonathan. Erst wurden wir fragend angeschaut. "Nachname?", fragte sie gleichgültig. Ich schaute beschämt zu Boden. Ich wusste nicht einmal, wie Jonathan mit Nachnamen hieß. "Cartens. Jonathan Cartens.", sagte Jay. Ich war nicht wirklich überrascht. Natürlich wusste Jay alles über Jonathan. "Ah ja. 2. Stock Raum 013.", sagte sie und konzentrierte sich wieder auf ihre Unterlagen. Vollkommen aufgelöst stiegen wir in den Fahrstuhl ein. Im zweiten Stock angekommen, liefen wir eine Weile, bis wir endlich vor Zimmer 013 standen. Jay öffnete langsam die Tür. Er ging rein. Ich ging auch langsam in den Raum und schloss die Tür hinter mir. Und dort lag er. Im Koma. Wie als würde er schlafen.
Er war an viele Geräte gebunden und atmete leicht ein und aus. "Oh Jonathan.", schluchzte ich. "Mein Jonathan. Ich liebe dich über alles. Ich hoffe, du kannst mich hören. Du wirst wieder gesund.", sagte ich weinend. Ich setzte mich auf den Hocker, der neben dem Krankenhausbett stand. Ich war nur noch ein Stück Elend. "Ich hätte dich besser lieben sollen. Ich bin ein egoistisches Miststück, Jonathan. Ich habe Leo ins Elend getrieben, meine Mutter. Ohne dich bin ich ein Nichts. Bitte wach auf." Doch Jonathan regte sich nicht. Ich stützte meinen Kopf in meinen Händen ab und heulte wie noch nie zuvor. Er musste aufwachen. Er musste. Er konnte nicht einfach so sterben, das konnte - das durfte er einfach nicht. "Du darfst nicht sterben! ICH VERBIETE ES DIR! STIRB NICHT!", schrie ich ihn verzweifelt an. "Kathy..", versuchte Jay mich zu beruhigen. "Jonathan.. ich liebe dich." Ich nahm seine Hand. "Das ist so unfair.", flüsterte ich. Jay stellte sich neben mich. Er schaute traurig auf Jonathan. "Hey. Ich hoffe, du kannst mich vielleicht hören.", sagte er leise. "Ich wollte dir sagen, dass du mein bester Freund bist. Warst. Ach keine Ahnung. Ich befehle dir, nicht zu sterben. Das ist ein Befehl von deinem Chef.", sagte er streng, doch ein leichtes, sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen und Tränen kullerten seine Wangen hinunter. "Wir wollten ein neues Leben anfangen.", sagte ich. Die Verzweiflung trieb mir wieder Tränen in die Augen. Was soll ich bloß tun? Ich war todmüde, wollte aber bei Jonathan bleiben. Ich schloss die Augen. Nur kurz. Gleich mache ich sie wieder auf.

Ich war eingeschlafen. Mit dem Kopf lag ich auf Jonathans Bett. Jay hatte seine Jacke über mich gelegt. Als ich die Augen öffnete, griff ich zuerst nach Jonathans Hand. "Jonathan?", fragte ich leise. Er regte sich nicht. "Er regt sich nicht. Er liegt im Koma.", sagte Jay. "Jay. Er wird doch aufwachen?", fragte ich ihn verunsichert. "Ja.", sagte er unsicher. Wissend nickte ich. Es stand alles noch offen. Er wird nicht aufwachen. Halt die Fresse, innere Stimme. Du weißt es gut genug, dass er nicht mehr aufwachen wird. "Halt's Maul", schrie ich. Jay zuckte zusammen. "Jonathan verdammte scheiße!", schrie ich ihn wütend an. "WACH DOCH AUF!", brüllte ich regelrecht. Ich sprang vom Stuhl auf. Ich spürte nur noch die Wut in mir. Wut auf mich, auf Jonathan, auf das Krankenhaus. "Meine Fresse! Du liebst mich doch! Du hättest jede haben können! Doch du hast mich genommen! Warum bist du so blöd und musst im Koma liegen!", schrie ich ihn voller Verzweiflung an. "Ich weiß nicht mehr weiter..", sagte ich mit brüchiger Stimme und sank zu Boden. "Ich will sterben.", flüsterte ich.

The Badboy and the suicide girl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt