Weitere zwei Wochen vergingen und ich hatte mittlerweile eine alltägliche Routine. Wie jeden morgen stand ich nun um sieben Uhr in der Früh auf. Völlig müde bereitete ich mich für die Arbeit vor. Als ich in der Küche ankam, erwartete mich meine Mutter schon mit einer Tasse Kaffee in der Hand. ,,Mirmengjes Mami (guten Morgen)", wünschte ich ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Meine Mutter stand jeden Tag so früh auf, um den ganzen Haushalt zu schmeißen, obwohl sie erst um zwei Uhr nachmittags zur Arbeit gehen musste. Aber wie war das bei den albanischen Frauen eben? Genau, früh aufstehen, auch sonntags, und den Haushalt schmeißen, denn man weiß ja nie, ob einen spontan Besuch erwartete, dann das Haus soll immer sauber und gemütlich aussehen.
,,Ich habe dir Croissants in die Tasche gepackt", sie deutete auf den Stuhl, auf dem meine braune Handtasche lag. ,,Mama, ich bin doch kein kleines Kind mehr, du brauchst das nicht machen", sagte ich lieb. –,,Für mich bleibst du immer meine kleine Dafina." ,,Aw."
Nach ein paar Minuten Schaute ich auf mein Handy, da ich eine guten Morgen Nachricht von Dardan empfangen habe. ,,Dafina ist alles ok bei dir?", fragte sie plötzlich. Irritiert blickte ich auf. –,,Ja, wieso?" Sie setzte sich gegenüber von mir. ,,Dich bedrückt doch irgendwas, mein Schatz", besorgt betrachtete sie mich. Mütter. Sie wissen immer, wann es dem Kind nicht gut ging, jedoch ging es mir gut. Gesundheitlich. Diese Geheimnistuerrei bereitete mir zwar nur noch ab und zu Gewissensbisse, doch sie waren stets da. Ob ich die Sache meiner Mutter anvertrauen sollte? Sie würde mich doch verstehen, dachte ich. Sie fasste meine Hand. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich kurzzeitig in meine Gedanken versunken war. ,,Qika jem (mein Mädchen), wenn etwas ist, ob gut oder schlecht, dann sag es mir, wenn du bereit dafür bist" , sagte sie fürsorglich, ,,mach einfach keinen Scheiß", fügte sie hinzu. Keinen Scheiß? Sie meinte ich solle keinen Scheiß mit Jungs machen. ,,Und was wenn doch?", fragte ich im Spaß. ,,Dann kannst du das mit deinem Vater klären", sie zwinkerte mir zu. ,,Oh Mam!", lachte ich.
Nachdem ich mich verabschiedete, nahm ich den Bus zu meiner Arbeitsstelle. Ich sah die Autos vorbeifahren. Wie sehr ich mir ein Auto wünschte. Es war mir egal, ob es ein kleines gewesen wäre. Oder ein Smart. Ich wollte fahren wann ich wollte, ohne auf eine Busverbindung abhängig zu sein. Unabhängig sein. Doch der Traum vom Auto war erst einmal nicht zu erfüllen, dafür musste ich sparen. Obwohl meine Eltern mir die Hälfte zahlen wollten, konnte ich das Angebot nicht annehmen, da sie mir meinen Führerschein schon finanziert haben. Ich konnte noch warten. Geduldig sein war schon immer gut, nicht? Außerdem wollte ich dieses Gefühl verspüren, dieses Gefühl, wenn man sich das erste Mal etwas teures von seinem eigenem Geld kauft.
Mittlerweile war ich schon auf der Arbeit und bereitete meiner vorgesetzten einen Kaffee. Herr Kryeziu kam in die Küche und wollte sich auch einen machen. ,,Ich mache das schon", bot ich freundlich an. ,,Danke." –,,Kein Problem." Als ich ihm die Tasse gab, bedankte er sich und wollte wieder in sein Büro, doch am Türrahmen hielt er kurz inne. ,,Dafina, ich habe ein paar unterlagen bei Frau Schmitts liegen lassen, können sie mir sie bitte bringen? Sie weiß welche das sind." –,,Klar", entgegnete ich, ,,ich muss sowieso zu ihr." Er nickte und ging raus.
Bei meiner Vorgesetzten Frau Schmitts holte ich die Unterlagen ab. Diese war wieder total vertieft in ihre Arbeit, sodass ich sie mehrmals fragen musste, bis sie überhaupt verstand, was ich wollte. Als ich ihr den Rücken kehrte, verdrehte ich die Augen. Diese Frau nervte mich so gewaltig. Dafina tu dies, Dafina tu das. Mach mir einen Kaffee. Mach mir einen Zweiten. Doch da musste ich durch. Geduld war das Zauberwort. Ich war ja noch ziemlich neu in dieser Branche.
Ich klopfte an Herr Kryezius Tür. Ein dumpfes ,,Herein", ertönte von der anderen Seite der Tür. Ich sah eine junge Frau am Fenster stehen. Sie trug einen eng anliegenden schwarzen Rock, eine weiße Bluse und ebenfalls schwarze Pumps dazu. Sie war sehr attraktiv. Herr Kryeziu lehnte sich an seinen Bürotisch an. Er sah ebenfalls attraktiv aus, doch das und wer die Frau war, interessierte mich nicht, seitdem ich Dardan hatte, kümmerte mich kein anderer Mann mehr. ,,Störe ich? Ich kann auch gleich wieder kommen." –,,Nein, komm ruhig rein. Ich brauche die Unterlagen", sagte er freundlich.
Ich legte die Mappen auf seinen Tisch und mein Blick huschte beim zurückgehen zu der Frau am Fenster. Vom Nahen war sie noch hübscher, doch die betrachtete mich mit einem durchbohrendem Blick, sodass mir ein kleiner Schauer über den Rücken lief. Was sie wohl hatte? Als ich wieder aus dem Büro kam, war mir das auch wieder egal. Ich hatte bessere Dinge zutun, als mich wegen eines Blickes zu wundern, zum Beispiel Kaffee machen ...Feierabend, endlich. Erleichtert darüber, dass ich mich immer besser auf der Arbeit anstellte, zog ich mir meine Jacke über und fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss.
Ich lief die Treppen zu Dardans Wohnung hoch. Wir haben uns eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen, weshalb meine Sehnsucht nach ihm auch von Stunde zu Stunde immer größer wurde, vor allem, wenn ich wusste, dass er nicht weit entfernt von mir war.
Ich klopfte an die Tür und hörte seine Schritte schon gedämpft auf die Tür zukommen. Verschlafen öffnete er diese. Seine Müde Mimik verwandelte sich in eine positiv überraschte. Er zog mich eng an sich und ließ mich erst nach ein paar Minuten los. Hatte ich erwähnt, dass er nur eine Boxershort anhatte? Mir wurde warm, sodass ich meine Jacke auszog. Das Kribbeln würde niemals vergehen.
,,Willst du einen Kaffee?", fragte er. ,,Nein, ich brauche nichts. Nur dich", ich zog seine Hand zu mir und schlang meine Arme um seinen Hals. Seine muskulösen Arme schlangen sich um meinen zierlichen Körper. Ich zog seinen Duft ein. Ich war wieder im siebten Himmel. ,,Du hast gar keine Ahnung wie sehr ich dich vermisst habe", hauchte er in mein Ohr.
Wir setzten uns auf das Sofa. ,,Was hast du die Tage so ohne mich gemacht", fragte ich neugierig. ,,Dies und das." –,,Dardan", ich kniff in seinen Arme. ,,Au!", er hielt sich seinen Arm mit der anderen Hand. ,,Sag schon", bat ich lieb. ,,Kannst du vergessen nach der Aktion", gespielt beleidigt wendete er seinen Kopf von mir. Ich lachten ,,Dardan, jetzt ernsthaft ... ", doch er hörte nicht. Ich wurde ungeduldig. ,,Specki!" Nun sah er mich an. ,,Specki? Sehe ich wie ein Specki aus?", er deutete auf seinen Oberkörper, dabei begann er mit seinen Brustmuskeln zu wackeln. ,,U lala, Dardan", ich setzte mich auf seinen Schoß, drückte ihn einen Kuss auf die Lippen. ,,Okay, jetzt kannst du es wissen", seine Grübchen kamen zum Vorschein. Wie ich das liebte!Er erzählte von seiner Arbeit und von seinen Freunden, vor allem Kaan. ,,Was ist mit ihm?" –,,Er regt mich auf! Dafina hier und da, du gehörst mir Zemer (Schatz)", er zog mich näher zu sich. ,,E di (Ich weiß) ... Diese Geheimnistuerrei überfordert mich langsam", meine Mutter kam mir in den Sinn. Ich wollte es ihr anvertrauen. Ich konnte sie nicht auch noch anfangen zu belügen. ,, Ich will es meiner Mutter sagen. Den anderen auch", gab ich zu. Überrascht betrachtete er mich. ,,Woher der plötzliche Sinneswandel?" ,,Plötzlich?", verwirrt schaute ich in seine Augen und positionierte mich gegenüber von ihm. ,,Ich kann das schon seit Wochen nicht mehr. Was spricht denn dagegen Schatz?" Er schien nachzudenken. ,,Ich denke es ist noch nicht der passende Zeitpunkt", er bückte sich leicht und zog eine Packung Zigaretten aus dem unteren Fach des Tisches. Er zündete diese an und ging zum Fenster. ,,Es ist meine Mutter. Es sind meine besten Freundinnen, hast du eine Ahnung wir scheiße ich mich fühle? Du wirst dich auch nicht mehr über Kaan aufregen müssen, wenn das mit uns erst mal raus ist, werden sich alle bisschen aufregen, aber auch wieder legen. Sie werden es alle verstehen." Er schüttelte den Kopf. ,,Wieso Dardan? Du warst doch derjenige, der meinte, dass sie es alle verstehen würden!", nun stand ich auf. ,,Ich finde nur, dass wir vielleicht noch etwas Zeit brauchen." –,,Wofür denn?", fragte ich, doch dann kam mir plötzlich schon eine mögliche Antwort in den Sinn. Ich hielt kurz Inne. ,,Brauchst du ... Zeit, um nachzudenken? Um nachzudenken, ob das hier richtig ist?", empört fuchtelte ich mit dem Finger zwischen uns hin und her. ,,Nein Dafina, so war das nicht gemeint! Ich wollte sagen, hab Geduld-" ,,Nein, du hast genug gesagt", unterbrach ich ihn. Geduld. Auch dafür. Er kam auf mich zu. Die Zigarette stinkte. ,,Ich dachte du willst aufhören?" , erst jetzt vielen mir die vielen Zigarettenstümmel im Aschenbecher auf. ,,Stress. Aber Dafina, darum geht es doch nicht –" ,,Nein, lass. Ich muss jetzt sowieso nach Hause", unterbrach ich ihn erneut. Ich packte meine Jacke und Tasche. Dardan wirkte sehr unsicher. Mehrmals versuchte er mich zum Bleiben zu bringen, doch ich winkte ständig ab. Wortlos ließ ich ihn stehen und begab mich auf den Weg nach Hause.
Hatte ich überreagiert?
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Liebe, Ehre & etliche Hindernisse (🇦🇱)
Romance,,Ich sog die frische Luft tief ein und begann den Brief erneut zu lesen. Dann noch ein Mal. Und noch ein Mal. Zeile für Zeile, jedes einzelne Wort, wieder und wieder. Ich wollte weg. Ich wollte mit ihm weg. Mein Inneres schrie nach ihm. Mein Herz...