Kapitel 9 - freier Fall

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Seit zwei wochen hielt ich ein wenig Abstand von meiner Clique.Ich fand immer irgendeine Ausrede, um mich nicht mit ihnen zu treffen, denn Zeit mit der Clique zu verbringen hieß, in Kontakt mit Dardan zu kommen und das wollte ich vermeiden. Ich musste meine Gedanken und Gefühle noch ein mal neu ordnen, bevor sie wieder wegen Dardan komplett durcheinander geworfen wurden. In der Zeit unternahm ich viel mit anderen Freunden und recherchierte über mögliche Ausbildungsplätze. Ich begann mich noch mehr für Modejournalismus zu interessieren. In große Städte reisen und über Mode schreiben, Fashionshows besuchen, neue Leute kennenlernen. Dieser Beruf sprach mich wahrhaftig an.

Mein Handy leuchtete auf. In der Whatsappgruppe von den Mädels und mir schrieb Leandra, ob wir alle Lust auf einen Ausflug ins Phantasialand hätten. Ohne nachzudenken stimmte ich zu, denn ich liebte dieses Achterbahnfahren und das Gefühl, wenn Adrenalin durch meine Adern floss. Außerdem freute ich mich wieder Zeit mit meinen besten Freundinnen zu verbringen. Wir einigten uns auf einen Tag und eine Uhrzeit und konnten es kaum abwarten dort hin zu fahren.

Samstag, ich packte meine Tasche mit all dem wichtigen Zeug, was eine Frau immer bei sich haben sollte. Schminke, Taschentücher, Labello, Parfüm, Deo, Ladekabel, Bonbons, Portmoinnae, Kaugummi,... Okay, das ein oder andere war wahrscheinlich nicht wirklich wichtig, aber sicher ist sicher.

Es schellte an der Tür. Leandra stand grinsend vor mir, herzlich umarmte ich sie. Auch wenn wir uns in der letzten Zeit sehr angezickt haben, blieb sie stets meine beste Freundin. Als ich dann über ihre Schulter blickte, runzelte ich die Stirn. ,,Wieso stehen da zwei Autos? Ich dachte wir fahren nur zu fünft?" -,,Achja, habe ich vergessen zu erwähnen. Mike, Kaan, Emre und Dardan kommen auch! Das wird doppelt so viel Spass machen. "
Ist klar Leandra, so etwas vergisst man auch nebenbei zu erwähnen. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich doch niemals zugestimmt. Genau das war der Grund, weshalb ich Abstand von meinen besten Freundinnen hielt. Seitdem Dardan in der Stadt war, klebten sie ihm am Arsch und ich musste natürlich mit dabei sein. Doch was hatte ich für eine andere Wahl? Lea zog mich schon zum Wagen, packte meine Tasche in den Kofferraum und fuhr los, ehe ich es mir anders überlegen konnte.

Nach einer Weile im Auto, fragte ich Leandra endgültig, wieso sie mir nichts von einem gemeinsamen Ausflug mit den Jungs erzählte. ,,Mein Gott Dafina. Wir merken alle, dass du Dardan nicht wirklich magst und seine Gegenwart nicht aushalten kannst. Aber ich mag ihn wirklich sehr und will Zeit mit ihm verbringen, ihn besser kennenlernen... Also bitte, verzieh dein Gesicht doch nicht so."
Auweia. Die Mädchen haben mein Verhalten total falsch interpretiert und vor allem Lea. Sie hatten keine Ahnung, dass mich Dardan ansprach und ich in seiner Gegenwart nicht abgeneigt, sondern nervös bis zum geht nicht mehr war. ,,Dafina, glaubst du wir merken das nicht?" ,,Ja gut Leute. Ich habs verstanden",log ich. Natürlich verwirrte mich Leandras Aussage sehr. Mich wunderte es, dass sie glaubte, ich würde ihn hassen.

Man konnte ihn nicht hassen!

Als wir das Phantasialand betraten, blickten wir direkt in viele Menschenmengen überall vor den Achterbahnen und Essensständen verteilt.
Die Jungs hatten wir auf der Autobahn verloren, weshalb wir vor ihnen ankamen. ,,Weisst du wann Dardan und Co. hier sind?", fragte Aleyna. ,,Nein, aber die meinten, dass sie uns schon finden würden", antwortete Leandra etwas enttäuscht.

Wir waren auf einigen Achterbahnen und im Gruselhaus, bis ich dringend auf die Toilette musste. Die Mädels versprachen mir, sie würden vor der Pommesbude gegenüber den Damentoiletten warten, doch als ich wieder raus kam, traf ich sie nicht wieder. Ich lief umher und suchte sie, doch ich hatte sie verloren. Genervt darüber, dass meine Freundinnen ihr versprechen, mickrige fünf Minuten auf mich zu warten, nicht hielten, schaute ich auf mein Handy. Ich hoffte, dass sie mir wenigstens eine Nachricht hinterlassen haben. Und siehe da: Eine neue Nachricht von Aleyna. ,,Fina, wir sind beim freien Fall und warten hier auf dich. " Ich atmete tief ein und suchte den Weg zum freien Fall. Als ich ein Schild mit Pfeil und Aufschrift "Zum freien Fall hier entlang" fand, lief ich in die entsprechende Richtung.
Plötzlich stieß ein Typ, der konzentriert auf seinem Handy herum tippte, gegen meine Schulter. Der Kerl hatte echt Kraft und ich fiel zu Boden. Er stattdessen lief einfach weiter und bemerkte nicht, dass ich mich durch ihn leicht verletzt hatte. ,,Au! Sag mal kannst du nicht aufpassen?!", entging es mir entsetzt von den Lippen. ,,Oh, sorry, war keine Absicht", der Kerl mit der Cap kam auf der Stelle zurück und hielt mir seine Hand entgegen, die ich auch dankend annahm, bis ich in seine Augen schaute. ,,Dardan?!", mein Herz begann zu rasen, reflexartig zog ich meine Hand zurück. ,,Dafina", er grinste mich an, statt sich vernünftig zu entschuldigen. ,,Was guckst du so blöd ?", fragte ich frech. ,,Du hast meinen Namen gesagt, zum ersten Mal nicht Specki." Ich blinzelte ihn zunächst irritiert an, bis ich bemerkte, dass er Recht hatte. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. ,,Na komm, hilf mir jetzt hoch." Und mit einem Ruck stand ich wieder auf meinen Beinen. ,,Hast du dich verletzt?", fragte er mich besorgt. ,,Mein Hintern tut weh, aber sonst alles bestens", lachte ich. ,,Wo sind die anderen Mädels? Jungs, kommt her, ich habe Dafina gefunden!" , er rief Mike, Kaan und Emre zu uns, die mich mit einem ,,Hey", begrüßten. Nachdem ich ihnen erzählte, sie warteten beim freien Fall auf mich, waren sie total begeistert. Ich stattdessen hatte schon ein bisschen Angst. Bisher war ich nur ein Mal auf diesem Ding gewesen, als ich 14 war, doch das war vor einer ganzen Weile und ich konnte mich an das Erlebnis noch kaum erinnern.

Als sich auch alle begrüßten und wir dann auch noch an der Reihe waren, überkam mich die Panik. ,,Ich gehe zurück Leute, ich hab echt Angst", gab ich offen zu und ging ein paar Schritte zurück. Völlig unerwartet nahm Dardan meine Hand und suchte meinen Blick. Natürlich schaute ich ihm sofort in seine unglaublich schönen Augen. Seine Hand drückte sanft meine und verlieh mir ein Gefühl von Sicherheit. ,,Dir wird nichts passieren, vertrau mir" , versicherte er mir. Wie als wäre ich in Trance gewesen, ließ ich mich von Dardan zum Sitz führen. Er setzte sich hin, rechts von ihm nahm Leandra Platz, die mich aufgeregt betrachtete. Ich zwang mich zu einem Lächeln, obwohl mir noch auf festem Boden schon übel wurde. Allein der Gedanke daran, von 60 Metern Höhe plötzlich zu fallen, drehte mir den Magen um.
Dardan zog mich zu dem Sitz zu seiner linken. Wortlos setzte ich mich hin und ließ mir den Gurt von dem Mitarbeiter verschließen.
Als das Gerät dann langsam in die Höhe fuhr, überkam mich erneut die Panik. Dardan bemerkte dies und nahm meine Hand. Er verschränkte seine Finger mit meinen und drückte fest. Schon wieder verspürte ich dieses Kribbeln von meinen Fingerspitzen bis in meinen Magenbereich. ,,Dir wird nichts passieren", versicherte er mir erneut.
Dann, in 60 Metern Höhe, schaute ich über den ganzen Platz des Freizeitparks. Nicht nur die Höhe machte mich verrückt, sondern auch Dardans fürsorgliche Art. Es war fantastisch, bis das riesige Teil auf dem wir saßen plötzlich nach unten schoss und ich laut
aufschrie.

Als wir wieder auf festem Boden waren, hielt Dardan immer noch meine Hand fest. ,,Und? Umsonst Angst gehabt?", er sah mich lächelnd an. –,,Ja, es war unglaublich. Ohne dich hätte ich mich das nie getraut, danke."

Liebe, Ehre & etliche Hindernisse (🇦🇱)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt