Die Menschen liefen hektisch umher, telefonierten, setzten sich erschöpft auf die Bänke oder hörten einfach Musik, um die Zeit totzuschlagen.
Bahnhöfe - man sah immer dasselbe Geschehen. Trotzdem hatten Bahnhöfe etwas interessantes. Ich sah Menschen, die sich glücklich in die Arme fielen. Menschen, die sich erleichtert küssten. Menschen, die mit Tränen in den Augen Abschied nahmen.Die Straßen zogen an meinen Augen vorbei. Im Zug hörte man leise Gespräche. Ich sah ein Mädchen schräg gegenüber von mir auf ihrem Handy tippen. Sie schmunzelte die ganze Zeit und ließ meine Mundwinkel auch kurz in die Höhe zucken. Ich vermutete, dass sie mit einer geliebten Person schrieb. So verliebt wie sie aussah. Vielleicht hatte sie eine Fernbeziehung, oder sie hat einfach jemanden besucht. Wer weiß. Sie sah aber wirklich verliebt aus.
,,Nächster Halt: Köln Hauptbahnhof", ertönte es aus den Lautsprechern. Ich zog langsam meine Jacke an, packte mein Handy und Kopfhörer in meine Tasche und holte meinen Koffer, der zum Glück nicht schwer war, aus dem Fach über meinem Sitzplatz. Auch das Mädchen, das ich heimlich beobachtet habe, stand auf.
Der Zug wurde langsamer und ich wartete darauf, dass der Bahnhof erschien und wir zum stehen kamen. Wenige Minuten später hielt der Zug und ein alter Mann drückte den grünen Knopf, damit sich die Türen öffneten. Das Mädchen ging mit ihrem Koffer aufgeregt aus dem Zug und sprang einem jungen Mann in die Arme. Sagte ich doch. Sie küssten sich und ließen sich lange nicht mehr los. Auch wenn sie mich nicht kannten oder gar wahrnamen, wünschte ich, dass die zwei sich niemals trennen sollten. Niemand verdient Herzschmerz.
Ich zog meinen Koffer hinter mir her und ging aus dem Bahnhof. Mein Blick schweifte umher und suchte meine Cousine Adelina. Ich habe vor ein paar Tagen mit ihr telefoniert und gemeinsam haben wir beschlossen, dass ich sie über die Weihnachtszeit besuchen komme. Ich hatte sie ziemlich lange nicht mehr gesehen und dementsprechend sehr vermisst.
Orientierungslos ging ich auf dem Platz umher und wollte sie gerade anrufen, als ich sah wie sie aus ihrem silbernen Familienwagen stieg. ,, Adelin!", rief ich und ging mit großen Schritten auf sie zu. Sie entdeckte mich und kam mir entgegen. Eine feste Umarmung folgte darauf. ,,Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen", sagte ich. -,,Zu lange Schatz."
Bei ihr Zuhause wurde ich direkt von ihren zwei kleinen Söhnen angefallen. Sie umarmten meine Beine, sodass ich erst mal gar nicht weiter gehen konnte. Ich lachte. ,,Hab euch auch vermisst meine Prinzen. " Ich wuschelte ihre Haare durch. ,,Lasst Tante Fina jetzt mal rein kommen, ihr Bengel", Adelina zog sie sanft von mir weg. Dann kam auch ihr Mann Agon aus der Küche. ,,Eeej, kush na ka ardh (wer kommt denn da)! Krejt je hup bre (Du bist ganz verschwunden)", lachte er und zog mich in eine Umarmung. ,,Pse? Qe ku jam (Wieso? Ich bin doch hier)", grinste ich. Es war schön sie alle wieder zu sehen. Hier konnte ich außerdem abschalten...
Am Esstisch schwärmte ich vom essen. ,,Agon, wieso kannst du so gut kochen?", fragte ich, bevor ich mir noch ne Gabel Spaghetti a l'Agon in den Mund schob. ,,Na, wenn die Frau schon nicht dazu kommt...", scherzte er. Adelina boxte ihm daraufhin auf den Oberarm. ,, Tze, das erklärt aber deinen Rettungsring." ,,Ich weiß, dass du meinen Bauch liebst", lachte er. Wir alle lachten.
Agon und Adelina waren ein Traumpärchen. Ihre Blicke verrieten trotz kleiner Späße, wie sehr sie sich liebten. Es war sehr, sehr schön das mitanzusehen. Außerdem waren die kleinen Affen auch ein Beweis dafür, dass sie zusammengehörten.
Am nächsten Morgen entschied Agon mit den Jungs zu seinen Eltern zu gehen, damit Adelina und ich Zeit für uns hatten. Wir waren sehr dankbar für diese Geste. Er war wirklich der perfekte Mann.
Adelina und ich begannen uns zu schminken und die Haare zu frisieren. Ich habe dieses auftakeln auch vermisst, denn die einzigen mit denen ich solche Mädchentage hatte, waren meine Mädels. Aleyna, Bleona, Lindita und Leandra. Das letzte Mal, wo wir was richtig miteinander gemacht haben, war Aleynas Geburtstag. Dann ging alles den Bach runter. Stückchen für Stückchen. Bedingt durch meinen Leichtsinn, Qendrims auftreten und Leas -arrangierte- Ehe. Das musste man bedenken. Nur weil Lea Gefühle für Dardan hegte, hieß es ja nicht, dass die Ehe nicht arrangiert war.
Als wir fertig waren, betrachtete ich Adelina. Sie sah mit ihren 26 immernoch aus, wie mit 19, als sie heiratete. Bloß etwas blonder. Und etwas runder um den Bauch, aber im Gesicht blieb sie immernoch sehr jung.
Wir fuhren in die Innenstadt und setzten uns in ein Café, wo wir uns Waffeln und Latte Macchiato bestellten.
,,Schieß los, Fina, du hast am Telefon etwas über einen Dardan und Streit mit den Mädels erzählt?" Ihr Blick war leicht betrübt. Ich zog die Luft ein und erzählte alles von Anfang bis zu diesem Zeitpunkt. Jedes Detail erzählte ich ihr, dabei änderte sich ihr Blick von aufgeregt, belustigt und gespannt zu bemitleidend, fassungslos und geschockt. Als ich die letzen Sätze aussprach, nahm sie einen letzten Schluck aus ihrer Tasse und suchte schon passende Worte, als Antwort. Das sah ich in ihren konzentrierten Blick. Ich schaute sie verunsichert an. Ich wusste, dass ich einiges falsch gemacht hatte und sie würde mir sofort sagen, was.
Sie nahm mitfühlend meine Hände in ihre. ,,Das muss schlimm für dich gewesen sein." -,,Ist es noch."
,,Dass du das vor den Mädels verheimlicht hast war falsch, aber es war genauso falsch von Dardan, dass er dir die Verlobung verschwiegen hat. Und Lea verhält sich auch total daneben, genau wie die anderen Mädels, aber ich denke die anderen trotten ihr nur so hinterher... " Ich nickte nachdenklich. ,,Was soll ich machen? Ich will ihn nicht sehen, das würde alles nur erschweren und jetzt sind wir Silvester bei denen. Das ist schlimm!" ,,Ja... Da musst du durch Schatz. Wenn du nicht gehst, wird sich jeder fragen weshalb. Vielleicht kannst du ja wenn du ihn siehst Abschied nehmen." Wieder nickte ich. Das war schwer. Das war wirklich sehr schwer für mich. ,,Du glaubst gar nicht, wie befreit ich mich jetzt fühle, jetzt, wo ich dir das erzählt habe. Zuhause habe ich nur noch Besijana bei mir, aber sie ist erst 14, sie versteht die Auswirkungen noch nicht wirklich." -,,Mh.. Aber hau mir ja nicht mit ihm ab, sonst folge ich dir und reiß dir und ihm den Arsch auf! ", sie fuchtelte mit dem Zeigefinger vor meiner Nase herum. Ich lachte und sagte, dass das niemals geschehen würde...Wir liefen die Kölner Einkaufsstraße entlang. Es war total befüllt, denn morgen war schon Weihnachten und heute der letzte Tag, um Erledigungen zu machen. Wir gingen in einen Laden voller Spielzeuge. ,,Ich will was für die Jungs kaufen", sagte sie. Mit einem fragenden Blick schaute ich zu ihr. Sie fasste den Blick auf und gab mir sofort eine Antwort: ,,Ich weiß, dass wir kein Weihnachten feiern, Fina, aber die Kinder im Kindergarten werden über ihre Geschenke sprechen und meine Jungs werden einfach daneben stehen. Das möchte ich nicht. Wenigstens etwas Kleines, verstehst du? Wenn sie älter werden, erkläre ich ihnen, dass Weihnachten kein Fest unserer Religion ist und sie werden schon besser damit umgehen können. " -,,Du bist eine tolle Mutter", schwärmte ich. Von da an suchte auch ich Geschenke für die Prinzen. Ich fand Spielzeugautos, Masken von den Ninja Turtles und ein Legoset. Ich kaufte die Geschenke, obwohl Adelina immer wieder sagte, dass es nicht nötig sei. Ich wollte aber, die Jungs glücklich zu sehen, machte mich glücklich.
Mit vollen Tüten liefen wir die Straßen entlang, bis wir in der Altstadt waren. Hier war zwar nicht viel los, aber es war trotzdem schön.
Doch irgendwann sah ich einen Laden, der geschlossen hatte, dessen Schaufenster mich dennoch ansprach. Bei näherem Hinsehen blieb mir die Sprache weg und ich blieb stehen. ,,Was ist los?", fragte Adelina mich, als sie bemerkte, dass ich stehen geblieben bin. ,,Das ist diese Moderedaktion, bei der ich angenommen wurde." -,,Und?" ,,Ich habe abgelehnt." -,, Was Fina, wieso? Du wolltest doch immer was mit Mode machen! " -,, Ja, aber... Köln ist zwei Stunden von zuhause entfernt . Die Redaktion in der ich bin ist außerdem nicht übel. Ich verdiene nicht schlecht und die Arbeitszeiten sind auch ok." -,,Aber es ist nicht das, was du willst, Dafina." Ich schaute zu Boden, denn sie sprach die Wahrheit. Wir standen uns ein paar Minuten stumm gegenüber, bis sie die Worte aussprach, die ich damals für so absurd hielt. ,,Ich habe die Idee! Du kündigst bei deiner Redaktion!" -,, Was, nein! " -,,Doch, weil du nämlich hier hin kommst! Diese Moderedaktion könnte dir niemals absagen, so eine Frau wie dich, die lässt man nicht einfach gehen. Du hast Köpfchen, Geschmack für Mode und kannst fantastisch schreiben, nimm dir diese Chance, doch nicht selbst. Solange kannst du bei mir wohnen, ich rede mit deinen Eltern und kläre das!", völlig euphorisch gestikulierte sie mit ihren Händen umher, sodass sie die Tüten fast fallen ließ. ,,Nein, Adelin, dass muss nicht sein... " -,,Außerdem... Bist du dann fern von dem Stress, fern von Ärger und fern von Dardan..." Ich blickte hoch. Sie hatte Recht.
,,Denk drüber nach."____________________
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Liebe, Ehre & etliche Hindernisse (🇦🇱)
Romansa,,Ich sog die frische Luft tief ein und begann den Brief erneut zu lesen. Dann noch ein Mal. Und noch ein Mal. Zeile für Zeile, jedes einzelne Wort, wieder und wieder. Ich wollte weg. Ich wollte mit ihm weg. Mein Inneres schrie nach ihm. Mein Herz...