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Bild: Ezra Forster

Wieder drehte ich mich auf die andere Seite und versuchte, einzuschlafen. Aber alles drehte sich und meine Haut kribbelte, als würden Feuerameisen darauf herumkrabbeln und versuchen, mir eine unruhige Nacht zu bescheren. Natürlich waren da keine Ameisen, doch es fühlte sich so an. So echt und völlig unwohl.

Selbst als ich das Fenster vor einer halben Stunde geöffnet hatte, hatte es rein gar nichts geholfen. Nur dass mir jetzt auch noch kalt war. Mein Nachthemd klebte an mir, als würde ich schwitzen, aber ich fror eher als das ich vor Hitze fast verging.

Als ich es nicht mehr aushielt, warf ich meine Decke zurück und schwang mich aus dem Bett. Alles schwankte und meine Beine wollten sich für einen Moment lang nicht bewegen. Gleich darauf war dieses Gefühl wieder vorbei und ich ging zum flatternden Vorhang. Dann kletterte ich aus meinem Zimmer, per Fenster. Ich landete zwar im Gartenbeet meiner Mum, aber mir war das egal. Ein kalter Luftzug umfing mich und zum ersten Mal sah ich die Sterne, seit ich in London war. Der Himmel war klar, so klar wie schon lange nicht mehr. Der Schmerz verging, sobald ich anfing, zu rennen. Zwar fühlten sich die Beine an, als würden sie sich schmerzhaft strecken, aber es war ein befreiendes Gefühl.

Plötzlich durchfuhr mich ein Schlag, wie von einem Blitz. Der Boden leuchtete aquamarinblau, so wie es meine Augen immer taten. Licht tanzte um mich herum, die Luft fühlte sich plötzlich so angenehm und wohltuend an. Alles an mir wurde anders. Zuerst mein Körper, der streckte sich und streckte sich. Die Arme hob ich zu einem neunzig Grad Winkel an, ich verlor kurz die Kontrolle über mich selbst. Meine Sicht wurde schärfer, meine Beine verdoppelten sich. Ich roch noch viel besser als vorhin schon, jedes Geräusch aus meiner Umgebung nahm ich in mir auf. Und dann explodierte irgendetwas tief in meinem Inneren und ich wieherte.

Warte, was? Ich wieherte?

Ich drehte meinen Kopf zu meiner rechten und konnte ein Paar Flügel sehen, die einfach ein Traum waren. Mit einer Länge von zweieinhalb Metern und voller Federn aus aquamarin. Die Längsten, die äussersten, waren pechschwarz. Als ich meinen Kopf senkte, um an mir hinunter zu sehen, sah ich einen Pferdekörper. Ebenso blau wie auch meine Flügel, die Beine sehr muskulös und doch anders als die eines normalen Pferdes. Mir fielen meine Haare ins Gesicht-sorry, meine Mähne, die ebenfalls pechschwarz war. Mein Schweif peitschte gegen meinen Hintern, als ich zwei Gestalten auf mich zukommen sah. Zuerst wollte ich verschwinden, doch ich war wie angenagelt. Erst, als sie näher kamen, konnte ich meine Eltern erkennen. Meine Mum kam ohne Scheu näher und streckte ihren Arm aus, damit sie mich an den Nüstern streicheln konnte. Ich wich zurück, aber dann hörte ich Dad sagen: ,,Wundervoll...so mächtig war noch kein Pegasus..."

,,Deine Flügelspannweite ist unglaublich, Frances! Ganze sechs Meter!"

Ich wich immer mehr zurück und schnaubte wie ein Pferd. Das schien meine Mum daran zu erinnern, dass ich keine Ahnung hatte, dass gerade mit mir abgelaufen war. Oder was ich war. Ein Pferd wohl kaum, die hatten keine Flügel. Zumindest nicht die, die ich kannte. Und ich kannte leider viel zu viele.

,,Frances...beruhige dich!"

Ich wieherte vorwurfsvoll und Dad verbeugte sich vor mir, keine Ahnung, wofür. Dann sah er zu mir hoch und obwohl ich es albern fand, verneigte ich mich ebenfalls vor ihm, indem ich ein Vorderbein ausstreckte und das andere anzog, als wollte ich springen.

,,Frances, du bist ein Pegasus. In dir vereinen sich zwei Linien, die Schwarze und die Blaue. Denk' daran, dass du ein Mensch wirst, denk an deine Locken...fühle wie ein Mensch..."

Ich faltete meine Flügel zusammen und begann, weniger heftig zu atmen. Dad konnte ich vertrauen. Er wollte mir nichts tun, sondern einfach nur helfen.

Ich tat wie geheissen und fühlte, wie ich wieder schrumpfte, nicht mehr auf meinen Dad herab sah, sondern wieder ein Stück kleiner war als er. Mum kam auf mich zu und griff nach meinem linken Handgelenk, wo mein Adler brannte.

,,Ezra, wir müssen sie ins Himmelsschloss bringen, so schnell es geht. Wenn der Prinz noch wach ist, können wir-"

,,Du willst ihm unsere Tochter bringen?", die beiden begannen, zum Auto zu hasten - im Pyjama! Vorgemerkt, ich in einem Nachthemd, das mir bis zu den Knien reichte und dünn wie Satin war.

Dad hievte mich mit einem Ruck ins Auto hinten rein, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Mum rannte ins Haus und war fünf Minuten später wieder zurück, unter ihrem Arm trug sie eine prallgefüllte Tasche.

,,Deine Sachen!", sie warf sie mir auf den Schoss (durchs Fenster!) und setzte sich auf den Beifahrersitz, während Dad startete.

,,Dad, sag mir endlich, was es sich mit diesem Gedicht auf sich hat!"

,,Es ist kein Gedicht, sondern eine Prophezeiung, von Epona ausgesprochen. Es bedeutet, dass zwei Pegasi ohne einen Reiter ein Kind in der Mondnacht bekommen, das überhaupt nicht zu zähmen ist. Unbeugsam, wie es heisst. Und mit sechzehn wirst du sehr viel taugen, will heissen, dass du - weil du zwei Pegasi als Eltern hast, wahrscheinlich auch bessere und ausgeprägte Gaben haben wirst. Deine Haare seien fuchsrot und die Augen aquamarin..."

,,Warum werde ich in einer Prophezeiung angekündigt?", frage ich und atme tief und fest durch, um nicht noch einmal zu einem Pegasus zu werden. Das schaffst du, Frances! Du bist eine mutige, coole Person, sage ich mir und atme noch einmal tief durch. Das beklemmende Gefühl verschwindet, ebenso mein Drang, zu Kotzen.

,,Wir fahren nach Stonehenge, dort ist der Himmelspalast, vor den Augen der Menschen verborgen!"

War der Kommentar von meinem Dad, dann erklärte Mum mir die Frage mit dem Grund meiner Prophezeiung. Warum war ein gutes Wort, wirklich. Aber wenn ich ab jetzt immer alles hinterfragen musste, würde ich irgendwann noch platzen vor unterdrückter Wut.

,,Darüber gibt es ebenfalls eine Prophezeiung-"

,,Sag sie mir, bitte!"

Mum seufzte und sagte dann auf:

,,Geboren zu elfter Stund',

hellgrau die Augen und rot der Mund.

Adler so gross wie eine Hand,

immer gedrückt an eine Wand.

Eigensinniger Kopf,

Aquamarin-Blut-Tropf'.

Im Herzen aber ganz rein,

ganz gute Pegasi-Bein'.

Gemeinsam sollen sein ein Duo,

Können nicht einen in einem Trio.

Eine Schlacht um die andere,

Wandere,

Prinz mit braunem Haar,

Gebrochen das Herz ganz und gar,

Aquamarin leuchtet hell,

Schlachtruf klingt durch die Nacht grell.

Hauch des Todes schleicht umher,

Jemand ist nicht mehr.

Liebe überwindet alles,

Doch noch gebroch'n das Herz,

Durchschlagen mit viel Schmerz!"

Wenn jemals fragt, was du von Prophezeiungen haltest, halt einfach die Klappe. Wäre auch besser für mich gewesen. Ehrlich.

,,Frances...wir werden uns sicher bald wieder einmal sehen. Aber wenn du wirklich die bist, die in jedem Gedicht erwähnt wird, dann wirst du auf der Schule bleiben. Wir werden uns wieder den Einhörnern widmen!"

,,Wie? Einhörner?"

,,Die Quelle der Magie und der Ursprung der Welt...", seufzte Dad und ich ebenfalls. Warum musste alles immer so über mich hereinbrechen?



Frances Foster: Aufstieg des AdlersWhere stories live. Discover now