„Heisst dass, dass du mich liebst?"
„Es heisst, dass ich dich interessant finde und ich dich bereits jetzt ins Herz geschlossen habe, Frances...", Jannes grinste mich schelmisch an, „Wollen wir Cobie einen Besuch abstatten?"
„Natürlich! Hoffentlich treffen wir aber nicht auf ihre Familie..."
„Warum nicht?", Jannes griff nach meiner Hand, um mir aufzuhelfen. Ich steckte noch immer in meinen Sportkleidern, was Jannes natürlich sofort erfasste und mich durch das Badezimmer in mein Zimmer schob.
„Jannes, mein Zeugs ist in meiner Tasche –"
„Weisst du nicht mehr? Ich sollte dich gestern eigentlich zu dein Schneidern bringen, oder? Nun, denen habe ich deine Masse heute Morgen, bevor du aufgewacht bist, bereits gegeben. Und jetzt besitzt du eine eigene Kleiderkollektion, alles auf mich abgestimmt und deinem Geschmack entsprechend...", demonstrativ riss Jannes die Schranktür auf und ich zuckte erschrocken zurück.
Hattet ihr schon einmal den kurzen Moment, in dem alles in euch zum Schlag aussetzt? Euer Hirn einfach nur mit einem Schock reagieren kann und ihr am liebsten so weit wie möglich wegrennen würdet? Genauso fühlte ich mich jetzt. Mein Schrank war gefüllt mit...Leder und Baumwolle, Strassensteinchen und goldenen Symbolen.
„Bist...du...IRRE?!", entfuhr es mir. Jannes drehte sich ruckartig zu mir um und seufzte einmal kurz.
„Du kannst als mein Pegasus nicht in Kapuzenpullis herumlatschen. Ich habe einen Ruf zu verlieren, musst du wissen!"
„Ach, was du nicht sagst!", ich rauschte zu ihm hin, griff nach einem hellblauen Stofffetzen und hielt ihm ihn unter die Nase, „Aber damit, damit willst du deinen Ruf auffrischen? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Ich hasse Ballkleider, ich will nicht wie ein Badgirl durch die Flure laufen und auch nicht in diesen Schuhen! Ich will Jeans, nichts Auffälliges und auch keine Markenware!!!"
Jannes schnaufte durch die Nase, dann packte er meinen –oder eher seinen – Shirtkragen und drückte mich mit all seiner Kraft an die Mauer neben mir.
„Ich lasse nicht zu, dass du dich wieder in dein graues Loch verkriechst, Frances! Du. Wirst. All. Das. Hier. Tragen! Selbst wenn ich dich dazu zwingen muss! Du bist der zweithöchste Pegasus in Grossbritannien, eine der hundert Ersten auf der gesamten Welt! Du. Kannst. Nicht. Einfach. Kneifen! Du hast keine Wahl!"
„Ich finde immer ein Hintertürchen, verlass dich drauf, Prinz!", sagte ich so unbeeindruckt wie möglich. Allerdings musste ich einräumen, dass diese Mauer echt hart war. Und sein Oberkörper ebenfalls.
Gott, reiss dich zusammen, ermahnte ich mich selbst und ich riss mich von Jannes los. Sein flammender Blick liess meine Haut kribbeln, aber ich ignorierte es und marschierte zum Badezimmer. Dort stürzte ich zur Tür, die in sein Zimmer zurückführte und daraufhin riss ich die Schanktüren auf. Jannes war mir misstrauisch gefolgt. Er beobachtete mich dabei, wie ich ein rotkariertes Hemd herausriss und aus meinem Shirt schlüpfte. Dann schlüpfte ich sein Hemd, stampfte zurück in mein Zimmer und suchte in meiner Tasche, die noch immer neben der Tür lag, nach einer gewaschenen Jeans. Als ich gerade aus meiner Sporthose schlüpfen wollte, berührte Jannes meinen linken Arm. Ich erstarrte. Seine Finger wanderten zum pulsierenden Adler und wickelten sich um mein Handgelenk.
„Ich will doch nur, dass du dich an meiner Seite wohl fühlst, Frances -"
Das tue ich...immer.
Jannes liess mich los, gewährte mir den Freiraum, den ich brauchte. Er verliess mein Zimmer, sodass ich mich umziehen konnte und kam schon fast blitzartig wieder zurück. Sein Blick war eigenartig scheu, als wir beide auf den Flur hinaustraten. Wir bahnten uns einen Weg durch die weiblichen Adligen, ich durfte sogar das Treppengeländer hinunterrutschen und ganz zum Schluss rannten wir sogar durch den Innenhof, um schneller beim Westturm anzukommen. Kurz bevor wir allerdings die Tür aufreissen konnten, wurden wir von einer schneidenden Stimme aufgehalten.
„Auf ein Wort, Adlerduo!"
Jannes drehte sich etwas schneller als ich um, weshalb er in seinen Gedanken auch zuerst knurrte: Diese verfluchte Hexe!
Wo du Recht hast, hast du Recht!
„Was willst du von uns, Nikita?!", fragte ich scharf und musterte sie von oben bis unten. Um ihren Hals hatte sie sich einen Verband mit Kühlpackung gewickelt, Dennoch wirkte sie durchaus so, als könnte sie uns gleich wieder einmal angreifen. Mit langsamen Schritten kam sie uns entgegen, wie ein Raubtier auf der Pirsch.
„Ich will wissen, warum euer Band so beständig ist. Ich will den Grund erfahren, warum Jannes dich gerettet hat. Und warum Cobie nicht anwesend ist...all das hier ist anders, seit ich wieder zurück bin!"
„Das liegt vielleicht daran, dass dein Reiter tot ist und du es überlebt hast, auf wundersame Weise!", fuhr Jannes sie etwas unfreundlich an. Ich packte ihn am Arm. Jannes wollte meine Wut an ihr auslassen, weil sie mich verletzt hatte.
Bleib doch diplomatisch, Jannes. Wenn du sie jetzt umlegst, kannst du es später nicht mehr tun!
Ach, das nennst du Diplomatie?!
Ich musste doch grinsen. Jannes schmunzelte, obwohl ich es nicht sehen konnte. Dann fragte er etwas ruhiger: „Warum bist du nicht tot? Sobald der Reiter stirbt, stirbt auch der Pegasus. Also, warum du nicht?"
„Das geht dich nichts an, Prinzessin!", fuhr Nikita ihn an. Ich achtete nicht darauf, dass Jannes sie mörderisch anblickte. In meinem Kopf schwirrten Jannes' Worte: Sobald der Reiter stirbt, stirbt auch der Pegasus...sobald der Reiter stirbt, stirbt auch der Pegasus. Deshalb kämpften wir Pegasi an der Seite der Adligen mit. Wir waren abhängig von ihrem Herzschlag, von ihrer Seele. Deshalb unterwarfen wir uns ihren, obwohl wir ohne ebenfalls überleben könnten. Sie waren der Mittelpunkt unseres Universums, ohne den wir keinen Lebenszweck mehr hätten. Sobald der Reiter stirbt, stirbt auch der Pegasus. Also wurde mein Lebensband zusammen mit dem von Jannes bereits verknüpft, seit ich geboren wurde? Seit er zur elften Stunde das Licht der Welt erblickte, brannte sich unser Adler in meine Gene, um zu meinem sechzehnten Geburtstag zu erscheinen. Sobald der Reiter stirbt, stirbt auch der Pegasus. Deshalb musste ich wie alle anderen Kämpfen lernen. Ich sollte ihn beschützen, wenn möglich mit meinem Leben. Mein Leben war nicht so viel wert wie seines. Ich konnte draufgehen, aber er sollte für immer überleben?
„Du widersetzt dich den Regeln!", stiess Jannes hervor und ich klinkte mich wieder in ihre Meinungsverschiedenheit ein. Die beiden stritten noch immer, während ich wie eine bekloppte geschnallt hatte, wie mein Leben ein Ablaufdatum hatte. Genau wie unsere Liebe.
Mein Reiter warf mir einen seltsamen Blick zu, ich wandte den Kopf. Ich wollte ihm jetzt nicht in die Augen sehen.
„Du dich auch – was denkst du, mit wem du unterwegs bist? Weisst du überhaupt, wer Frances' Eltern waren?!"
Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen: „Lass meine Eltern aus dem Spiel, Nikita!"
„Aber es ist wahr. Deine Eltern widersetzten sich jeder Regel, die es bisher gab. Und Jannes kann mir nicht aller ernstes vorwerfen, dass ihr beide euch um Regeln schert, oder? Immerhin – er hat dich gerettet, obwohl jeder Pegasus seine innere Stärke selbst finden muss. Und wenn er dabei verdammt noch mal draufgeht!!!"
Lass sie reden, Frances...es ist nicht so wichtig –
Sobald der Reiter stirbt, stirbt auch der Pegasus...das ist wohl auch nicht so wichtig, was?
Zerknirscht gab Jannes den Versuch auf, mich von Nikitas Hetzreden beeinflussen zu lassen. Ich hatte bereits zu viele offene Geheimnisse, die mir auf den Wecker gingen. Da brauchte ich nun mal eine vernünftige Informationsquelle, da Cobie...stimmt, Cobie wartete ja.
„Wir müssen zu Cobie...", ich griff nach Jannes Arm und zog ihn hinter mir her. Doch Nikita stellte sich mir in den Weg.
„Was ist mit Cobie?"
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Frances Foster: Aufstieg des Adlers
FantasyBand 1... Frances Forster; 16 Jahre alt und eine friedliche Künstlerin, die kurz vor ihrem Schulabschluss steht. Jannes Collins hingegen ein Prinz und der verhasste Sohn des Königreiches. Ihre Welten sind so verschieden. Beide leben ihr L...