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Bild: John Cadena

„Eines Tages wirst du erkennen, dass ich kaum lüge. Ausser es geht meinen Vater oder Quinn an..."

Um vom Thema abzulenken, fragte ich ihn bittend: „Kaufst du mir noch eine Tüte Honigmandeln? Bitte, nur noch eine, ich zahle es dir sogar zurück!"

„Auf keinen Fall will ich Geld von dir!", er lachte mich an, „Wir sind reich!"

Aber er kaufte mir trotzdem noch eine Tüte, wobei eigentlich er alles ass. Ich war zu beschäftigt mit den Werbeplakaten, den Boutiquen und den Ausstellungsfenstern. Mit der Tatsache, dass ich wirklich in diese Welt gehörte, wo alles verdammt verrückt war. Alles verwirrte mich, aber trotzdem gehörte ich dazu, war ein Teil des Puzzles, über welches Epona herrschte. Epona entschied, wer ausscheidet und wer bleibt. Sie entscheidet, wer grosse Macht besitzen soll und sorgt für Gerechtigkeit, welche man erst im Nachhinein erkennen kann.

Jannes hielt mir eine Mandel vor die Nase und ich öffnete lachend meinen Mund. Genau in diesem Moment sah ich einen blauen Punkt am Dach des Nordturmes. Für einen kurzen Moment leuchte er auf, dann wurde er unauffällig. Jannes hörte meine Gedanken und wie von einer Tarantel gestochen rannten wir beide los, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Wenn das wirklich das war, was ich dachte, dann würde hier bald die Hölle losbrechen. Mum gehörte hinter Gitter. Und der schwarze Punkt, welcher sich nun ebenfalls in einen Menschen verwandelte und an der Fahnenstange herumturnte, war auch nicht gerade besser. Verflucht, wussten die beiden denn nicht, was auf sie wartete?

Was machen sie hier?

Woher soll ich das denn nun schon wieder wissen?, antwortete ich Jannes keuchend und er seufzte genervt auf. Okay, wir beide mussten unbedingt einen neuen Partner finden. Wir nervten uns ja sowieso nur gegenseitig.

Dein Sarkasmus ist lobenswert, Pegasus. Aber eines Tages wird er dich in tödliche Schwierigkeiten bringen...

Dich dann nicht? Immerhin sitzt du 1/3 deiner Tage auf meinem Rücken!

Flieg einfach los und halt die Klappe!, kam es von rechts und wie schon bei meinem ersten Flug durchflutete mich ein Gefühl von Gleichgültigkeit. Sein Befehl war alles, was für mich in diesem Moment zählte und auch alles, wofür ich lebte. Noch während ich rannte, verwandelte ich mich in meine Pferdegestalt. Jannes scheuchte die anderen Adligen aus dem Weg, sodass ich mit meinen Flügeln schlagen konnte und schwang sich etwas ungelenk auf meine Schultern. Ein Sattel wäre definitiv eine gute Variante.

Nicht auf den Turm zu, Frances! Das fällt auf!

Kannst du nicht mal bitte und danke sagen, du Depp? Du verwendest Zwang an mir! Das ist sowas von unfair, ich will das auch können!

Höre ich da Eifersucht heraus? Sei doch froh, dass ich Zwang verwende und nicht du! Diese Kraft saugt dir Eisen und Magnesium aus, sodass du immer bald müde bist!

Ich stieg immer höher und segelte möglichst weit weg vom Turm, wo meine Eltern spielerisch herumturnten. Gott, die beiden waren sowas von peinlich.

Also hast du Eisenmangel?

Ich besitze Zwang, weil ich ein Nachkomme von Cole Collins bin. Meine Cousinen können das auch und sie leiden an Krankheiten, weil sie als Kleinkinder gegenseitig Zwang benutzt haben. Und wenn man als kleines Kind zu viel Zwang an seinen Eltern angewendet hat, wird man krank. Leider wusste mein Onkel nichts von der negativen Wirkung, deshalb gibt es keine Hilfe mehr für die drei...

Du hast meine Frage nicht beantwortet!

Gut. Ja. Wenn ich mehr als vier Menschen auf einmal mit Zwang gefügig mache, dann...werde ich total dünnhäutig, aggressiv, sensibel und total müde. Und wenn ich dich geistig beeinflusse, schwächt es auch dich. Weil ich damit das Band von uns beiden belaste und es unterdrücke, damit ich meinen Kopf durchsetzen kann. Zufrieden?

Ich grinste in Gedanken, während Jannes die Augen verdrehte. Er lenkte mich mit meinen schwarzen Haaren zum Turm, sodass wir wie Trainierende aussahen. Niemand schenkte uns einen zweiten Blick und wir beide landeten lautlos auf dem schrägen Dach. Die Ziegel rutschten unter meinen Hufen weg und für einige Sekunden tanzte ich auf wegrutschenden Steinen. Meine Eltern sahen panisch den Ziegeln hinterher und wenn Jannes nicht reagiert hätte, wären unten drei kleine Jungs von Ziegelsteinen erschlagen worden. Jannes winkte mit der Hand und die Steine zerfielen in blauen Sand und wurden mit dem Wind davongetragen. Zum Glück regnete es nicht mehr, sonst wäre ich den Steinen nachgestürzt.

„Sehr elegant, Sweatheart!", lobte Dad grinsend, während Jannes sich von meinen Schultern schwang und sich von meiner Mum umarmen zu lassen. Auf einmal fühlte ich mich an diese klischeehaften Filme erinnert, wo der Freund des Mädchens sich super mit ihren Eltern verstand. Genauso sah Jannes gerade aus, als Dad ihn ebenfalls in eine seiner Bärenumarmungen schloss. Er genoss die Umarmungen, weil die Königsfamilie keine Zeit für richtige Liebesbekundungen hatte. Besonders nicht in einer magischen Welt wie dieser. Der König hatte wichtigeres zu tun als sich mit Publicity zu befassen.

Frances Foster: Aufstieg des AdlersWhere stories live. Discover now