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Erst, als der Regen gegen die Fenster klatschte und Jannes einen goldenen Ring mit Drachenverzierung gefunden hatte, war ich auf der letzten Seite. Und ich kann sagen, bis dahin dauerte es echt Ewigkeiten. Keiner suchte nach uns, keiner vermisste uns. Vor einer Weile hatte Jannes seinen Beobachtungsposten an einem noch ganzen Fenster eingenommen und auch wieder aufgegeben. Anscheinend trainierten unten nur die Pegasi ihren Laufschritt und das Fliegen im Regen.

Die letzte Seite...so war es doch in jedem Film, oder? Zuletzt findet man das wichtigste. Sie war besonders klein geschrieben, genauso die Überschrift. Sie war nicht unterstrichen, damit sie nicht so auffiel. Ich beugte mich näher heran und erkannte, wie die Überschrift durchgestrichen worden war.

Ich warf Jannes einen heimlichen Blick zu, der gerade einige Schriftrollen auseinander rollte und vertieft wirkte. Die Rollen enthielten auch ganz kleine Bilder, die wie Fensterbilder einer Kirche aussahen. Jannes zog ein braunes Notizheft aus seiner Hosentasche und schrieb etwas von einer der Rollen ab. Gut.

Ich setzte mich hin und begann, obwohl es vom Stockwerk über uns heruntertropfte, zu lesen.

Himmelszungen verkünden seine Geburt mit Freude,

seine Mutter kaum nennenswert,

Vater Rücken zu ihm kehrt,

Nicht ein' einzige Münze für ihn vergeude.

Ungeliebt und doch beliebt,

Pegasus gestohlen,

Geschützt von Mutter scharf befohlen,

Für seine Liebe er einfach alles gibt.

Schwerste Entscheidung,

Freund begeht Verrat, der ihn bitter schmerzt,

Alles beginnt mit einem Scherz,

Alles endet mit Hingebung!

Ich versuchte, daraus schlau zu werden. Was, wenn es sich hier um meinen Dad handelte? Er hatte ja eine menschliche Mum gehabt, die ihn immer beschützt hatte vor dem wütenden Pegasus von Vater.

Oder...ich seufzte, vielleicht hatte es ja mit-

„Jannes, kommst du mal?!", sagte ich in einem Ton, der ihn sofort aufhorchen liess.

Er legte den Stapel Einhörner-Figuren aus der Hand und kam zu mir. Als er sich über meine Schulter beugte, kribbelte sein Atem auf meiner Haut und ich versuchte, das Zittern in meinen Händen zu kontrollieren.

„Und was ist das?"

„Ein Gedicht. Über dich und deine Zukunft..."

Jannes lächelte mich an und wollte sich wieder wegdrehen, da las ich ihm die Zeile mit seinem Vater vor. Sofort wurde er ernst und las die vier kleinen Gedichte mehrere Male durch, bis er sie sich verinnerlicht hatte. Erst dann wandte er sich zu mir zu und seufzte genervt.

„Eigentlich wollte ich dich hoch auf das Dach bringen, wo du dich am besten unauffällig verwandeln kannst. Ich will nämlich sehen, ob du wirklich so bist, wie man uns immer prophezeit hat!"

Oh nein. Ich soll mich verwandeln? In dieses...Pferd...äh ich meine natürlich den Pegasus. Und was dann? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie sowas geht und abläuft. Jannes hat gut reden, er konnte sicher kämpfen wie ein Gott. Ich aber, ich wurde nicht mal auf die Verwandlung vorbereitet. Es war etwas, was so überhaupt nicht für diese Schnösel von Adelig passt. Nicht die Leute noch besser zu machen, meine ich.

Etwas nervös folgte ich Jannes, der wieder zu den Treppen hinging und die nächste - nach oben - nahm. Und dabei musste ich ihm immer auf die Arme schauen, die muskulös sind und vor allem verdammt sexy. Halt!, befahl ich mir selber, Er ist ein tabu. Er geht mich rein gar nichts an! Nun, ich konnte jetzt schon sagen, dass das nicht leicht werden würde. Schon gar nicht mit einem Typ wie diesem, den ich ab heute nun tagtäglich um mich herumhaben würde.

Frances Foster: Aufstieg des AdlersWhere stories live. Discover now