38: Zwischensicht

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Bild: Königin Tara Collins

Zwischensicht Tara P.O.V


Tara entwich ein erschrockener Aufschrei und sie schlug die Hände vor den Mund. Durch das Fenster konnte sie beobachten, wie der wunderschöne, blaue Pegasus zusammen mit seinem Reiter im Innenhof aufschlug. Steine schossen in alle Richtungen, der Aufprall war bis hierhin zu hören.

„Tyr, komm schnell!", rief sie und sah zurück. Tyr erhob die Hand, sodass Hauptmann Bowen mit seinem Bericht innehielt, dann sah er zu seiner Frau hin. Sie stand völlig aufgelöst in ihrem mintgrünen Sommerkleid am Fenster, wie immer modisch der Trendsetter schlechthin. Das gestrickte Tuch schmiss sie auf die Fensterbank und sie deutete in den Innenhof. Er stand von seinem Sessel auf und trat neben sie.

Tara las in seiner Miene wie in einem Buch. Zuerst konnte sie blanker Schock erkennen, dann Verwundbarkeit und zum Schluss Macht. Seine Magie schoss in den Innenhof, schob die Schaulustigen beiseite und liess Cobie sanft landen.

Er ergriff Taras Hand, kletterte elegant auf das Fensterbrett und dann sprangen sie.

Dabei konnte sie die Glückseligkeit über ihre Berührung nicht unterdrücken, trotz der Angst um Jannes und Frances. Seit dem Besuch der Entflohenen Pegasi hatte sich alles verändert. Jackie hatte ihr von den Ängsten ihrer Tochter erzählt - und dass sich anscheinend Gefühle anbahnten. Auf beider Seiten. Jannes schien genauso Gefallen an der hübschen Rothaarigen zu haben wie sie an ihm und es war ihre Pflicht, dieses Geheimnis zu wahren. Genauso wie sie den Ring bewahrte und die Prophezeiung über das verbotene Liebespaar. Tyr durfte nichts erfahren, schon gar nicht, dass sie selbst eigentlich gegen ihn arbeitete. Natürlich liebte sie ihn über alles. Er war temperamentvoll, liebevoll und ein wundervoller Mann an ihrer Seite. Nur als König eignete er sich nicht unbedingt.

Sie beide landeten auf dem Steinboden und gingen mit schnellen, aber trotzdem gelassenen Schritten auf den Krater zu. Die Frauen wichen zurück, liessen sie durch. Einige der jüngeren weinten hinter ihren Fächern, andere versuchten, nach der Hand ihrer Königin zu greifen. Angewidert darüber, dass diese jungen Dinger sogar eine solche Situation ausnutzen wollten, damit sie mehr über ihre beiden Söhne erfahren konnten, riss Tara ihre Hand zurück. Die Magie ihres Gatten umschwirrte sie, sodass keine mehr auch nur einen Versuch startete, den König zu erzürnen.

Dieser schlitterte in den Graben hinunter, zu seinem Sohn. Der Anblick, der sich Tara bot, war einfach bizarr. Ihr Sohn lachte. Er lachte wie ein irrer, weinte Tränen trotz den Wunden, die seinen Körper übersäten. Er lag weich gebettet auf den Federflügeln von...Frances. Sie verwandelte sich nicht zurück in einen Menschen, noch rührte sie sich. Tara hielt ihren Mann zurück, als Jannes dies selbst erkannte. Natürlich wusste sie, dass Jannes auf gedanklicher Basis versuchte, sein Pegasus zu erreichen, doch es funktionierte nicht. Sie reagierte nicht auf ihn. Panisch rappelte sich der Prinz auf und stürzte zum Kopf des Pferdes, der in den feuchten schwarzen Locken ihrer Mähne lag. Vorsichtig legte er seine Hände an ihre Ganasche, versuchte, sie auf sich aufmerksam zu machen.

Wieder geschah nichts.

Taras Herz zog sich zusammen, als sie mitansehen musste, wie Jannes' Miene sich von panisch in Verständnislosigkeit verwandelte. Eine Träne rollte ihm über die Wange, doch er wischte sie nur unwirsch weg und schüttelte den Kopf seines Pegasus.

„Frances, bitte nicht! Du kannst doch nicht einfach sterben...bitte!"

Tara liess ihren verschleierten Blick zu ihrem Gatten schweifen, der selbst ein wenig resigniert dabei zusah, wie seinem Sohn gerade dasselbe zustiess wie ihm vor sieben Jahren. Wie Tyrs Pegasus Delilah Moss in seinen Armen starb. Als er sie ihm das Leben gerettet hatte, gab sie ihr eigenes für ihn. Mit leidender Miene zog Tara ihr Taschentuch hervor und schnäuzte sich leise. Ihren Sohn so unglücklich zu sehen, so verletzlich...das machte sie selbst krank. Hermine hatte sie vor diesem Tag gewarnt. Eines Tages würde auch Jannes erkennen, dass sich jede Frau für ihn opfern würde, auch sein Pegasus.

Frances Foster: Aufstieg des AdlersWhere stories live. Discover now