17

14 0 0
                                    

Bild: Nikita Sumer Warwick-Coltrane

Irgendwer schubste mich in Richtung Jannes, welcher sich noch immer total auf Quinn konzentrierte. Ich stellte mich rechts von Jannes hin, spürte, wie seine Schulter sich ganz entspannt hob und senkte, wie seine Ruhe in mich überging.

Entkrampf' dich mal, Pegasus. Das hier ist wichtig...

Du hast gut reden, du blöder...Prinz!

Ein Schnauben kam von Jannes als Antwort, welches Nikita sofort registrierte. Ich erwartete, dass sie irgendwie die Augen verdrehen würde. Aber ich erkannte in ihren Augen nur den Wunsch, es mir nachzutun. Dieser Eric hatte sie wohl ebenfalls aufgeheitert, wie Jannes mich gerade. Und wie ich hatte sie sarkastisch geantwortet. Was mich verstörte, war, dass sie sich wieder fasste und mich hasserfüllt anstarrte.

„Eure Königliche Hoheit wird gegen Eure Hoheit kämpfen. Die Pegasi hingegen...sie werden die Kämpfe beeinflussen. Die Schwingungen in der Luft sind überall zu finden und eigentlich kann man nichts mit ihnen anfangen, bis man in einem Kampf steckt. Ihr versucht diese Schwingungen gegen den Rivalen zu richten...los!"

Verwirrt schloss ich die Augen und versuchte, mich irgendwie zu konzentrieren. Was allerdings keine leichte Übung war, wenn Schwerter gegeneinander schlugen und eine aufgewühlte Menge mich gespannt beobachtete. Natürlich nahm ich das Sirren war, welches in der Luft lag. Aber es war eigentlich nur die Anspannung der Zuschauer.

Genervt öffnete ich meine Augen wieder. Das brachte mir sowas von nichts...anscheinend fand auch Nikita keinerlei Elektrizität, welche sie umleiten könnte. Aber sie strengte sich mächtig an, steigerte sich mehr rein als ich. Das erkannte ich an ihren krampfhaft zusammengepressten Lippen, der gerunzelten Stirn und der entspannten Haltung. Sie versuchte es wenigstens.

Also schloss ich meine Lider wieder und suchte weiter, obwohl die beiden Prinzen sich gerade duellierten wie die Wilden. Ich nahm auch ein Hintergrundgeräusch wahr, welches zwar irgendwie verwirrend war, dennoch genug Power besass, damit ich sie umwandeln konnte. Ich hatte wirklich keinen Plan, wie ich diesen Zauber zu mir hinziehen konnte, damit er mir half. Damit ich mitmischen konnte. Damit Jannes siegte. Ein Kribbeln breitete sich auf meiner Haut aus und ich riss meine Augen auf. Kaum eine Sekunde später war mir nach kotzen. Alles in mir füllte sich wie Luft, sorgte für Blähungen und den Wunsch, das Ganze wieder loszuwerden. Nikita und ich begegneten einander mit unseren Blicken.

Wie in Zeitlupe streckte sie ihre rechte Hand als Faust in meine Richtung und ich reagierte, indem ich mit meinen Händen Flügel bildete. Die Luft in mir begann zu knistern, wanderte in einer ungeheuren Geschwindigkeit meinen Arm hoch und auf einmal spürte ich eine Art glitschige Masse in meinen Händen. Sie war nicht materiell, dennoch bestand sie aus Luft und knisternder Elektrizität. Ich riss meine Hände auseinander, die eine Richtung Decke, die andere in die entgegengesetzte Richtung. Der Gummi zog sich in die Länge, dehnte sich vor mir und wehrte den Angriff von Nikita ab. Das Problem, ihr Schlag war zu stark. Er schob mich zurück, sodass ich über den Boden schlittelte und meine Turnschuhe über den Hallenboden quietschten.

Die anderen um uns herum keuchten überrascht auf, als ich schwer atmend meine Hände zusammenklatschte. Es war kein normales Geräusch, sondern bohrte sich in meinen Gehörgang, kreischte kurz wie ein kleines Kind, bevor ich Masse aus meinen Händen verschwand. Ich spürte ihre Anwesenheit, denn sie klatschte Nikita wie ein Belag zwischen sich zusammen. Und glaubt mir, wenn ich jetzt sage, ich will sowas nie wieder machen. Denn die Luft wurde aus ihrem Körper gepresst, ihr Adamsapfel drückte sich gegen ihre Kehle, ihre Wangen wurden hohl und ihre Augen verdrehten sich auf eine unnatürliche Weise. In mir drehte sich mein Magen um und bildete einen Knoten. Verdammt. Sowas war nicht nur grauenhaft, sondern auch die reinste Folterung. Ich dachte, sie würde eingeklemmt sein. Nicht so gefoltert werden wie jetzt gerade.

STOPP ES!, befahl Jannes mir. Seine Stimme drang in mich ein, sorgte für eine Willenlosigkeit wider Natur und ich riss meine Hände wieder auseinander.

Nikita holte rasselnd Luft, ihre Brust hob und senkte sich hastig. Alles an ihr zitterte, ihre Nasenlöcher blähten sich heftig. Und ihre Wut und Angst bildete mit ihrer eigenen Elektrizität einen Angriff, welchen ich nicht abwehren konnte. Er warf mich zu Boden, stach in mich hinein und sorgte dafür, dass meine Haut nachgab. Mein Gummi entglitt mir, die aufgestaute Luft der Elektrizität verschwand wie Rauch. Ich war ihr schutzlos ausgeliefert.

Auch Jannes erkannte dies. Ich hörte in meinem Kopf das wirre Gerede seiner inneren Stimmen. Einerseits wollte er Quinn vernichten, aber...er wollte mich beschützen. Ich hörte sein Blut pochen, als Nikita unbarmherzig ihre Magie dazu verwendete, mir die Haut aufzureissen.

Der Captain beobachtete uns einfach nur.

Als sie es schaffte, mir mein Handgelenk zu brechen, schrie ich auf. Der Schmerz durchfuhr mich wie tausend Stecknadeln, fühlte sich teilweise taub und dann wieder messerscharf an. Alles in mir schrie nach Erlösung, als etwas Warmes über meine Hand floss.

Glaubt mir, ich wollte mich wehren. Aber ich konnte irgendwie nicht. Ich versuchte mich stöhnend wieder aufzustemmen, aber Nikita kam bedrohlich näher und zog ihre Magie auseinander, sodass meine Haut nachgab. Überall blutete ich, überall war dieses zum Sterben animierende Schmerzensgefühl. Selbst das Atmen fiel mir schwer.

Ich drehte meinen Kopf zu Jannes hin – doch er war nicht mehr bei Quinn. Er stand zwischen mir und Nikita.

„Jannes...nicht...", hustete ich und versuchte, mich irgendwie selbst zu heilen. Mein Mal pulsierte wie verrückt und die Selbstregeneration arbeitete ununterbrochen. Aber Jannes durfte nicht meine Kämpfe ausfechten.

Wieder suchte ich nach der Elektrizität, sog sie in mich hinein und zwang den Gummi zitternd, mehrere Schilde um Jannes zu bilden. Die erste Schicht wurde von Nikita durchbrochen, aber Jannes geschah nichts. Er schwang sein Schwert in einem aggressiven Bogen und die Spitze bohrte sich in Nikitas Shirt, bis tief zu ihrer Halskuhle.

Pass auf – Quinn!!!

Ich rollte mich auf den Rücken und schon spürte ich die Schwertspitze, die über meinem Gesicht schwebte. Sie zitterte nicht, sondern näherte sich meiner Nase auf eine bedrohliche Weise. Quinn hielt sein Schwert mit besonderer Sicherheit, sodass ich nichts tun konnte. Ich hob meine rechte Hand, griff nach der scharfen Klinge – und liess mein letztes Quäntchen Magie hindurchfliessen. Jegliche Kraft verliess mich mit einem einzigen Schlag. Jannes' Erde wanderte über das Schwert hoch, blubbernd und langsam. Sie schimmerte in einem aquamarinblauen Ton, welcher wahrscheinlich wegen mir war.

Mein Kopf sank zur Seite, wo Jannes Nikita die Kehle aufschlitzte, diese mit schmerzverzehrter Miene niederkniete und Jannes sein Schwert fallen liess. Er marschierte auf mich zu, griff nach meiner Hand. Quinn über mir wurde zu einem Erdklumpen und etwas bröselte auf mich nieder – das zu Erde gemachte Schwert. Dieser Staub brannte höllisch in meinen Wunden, ehrlich.

Bist du wahnsinnig? Du hast dich gerade selbst geopfert, für mich!

Das...ist meine Pflicht..., antwortete ich ihm schwach, während um uns herum ein riesiger Tumult ausbrach. Die Pegasi rannten zu Nikita, versuchten, sie zu heilen. Der Adel beklopfte den Klumpen, welcher Quinn darstellen sollte. Und der Captain? Der kniete sich neben mich und seufzte: „Wie schaffst du das nur, Adler? Selbst wenn du verlierst gewinnst du noch!"

Darauf konnte ich ihm nicht mehr antworten, denn Jannes strich mir eine losgelöste Locke aus dem Gesicht. Sanft hob er meinen unverletzten rechten Arm und legte ihn um seinen Hals. Die andere Hand betete er zwischen mir und seiner Brust ein, bevor er mich hochhob und aus der Trainingshalle trug.

Dabei lehnte ich meinen Kopf an seine breite Brust. Alles in mir brodelte, schmerzte und wollte irgendwie befreit von all dem Leid werden. Jannes' Herzschlag raste wie wild, aber auf mich wirkte er beruhigend und einlullend. Bei ihm war ich sicher. Wir waren Seelenverwandte, wir gehörten zusammen. Und nur dieses eine Mal wollte ich mich seinem Schutz hingeben.

Leider war genau das der Fehler, den ich beging.




Frances Foster: Aufstieg des AdlersWhere stories live. Discover now