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Zahnärzte waren irgendwie noch nie mein Ding. Als ich noch jünger war, musste ich fast wöchentlich in dessen Praxis, da ich meine Zahnspange niemals richtig trug und man kein passendes Modell machte. Bei Arztbesuchen versuchte ich, von der Tatsache abzusehen, dass mein Arzt mich in Unterwäsche sah, obwohl mein Hausarzt schon über fünfzig war. Mit meiner Frauenärztin verstand ich mich erst recht nicht, besonders nicht, seit sie mir angemessene Rezepte für meine Haut verschrieben hatte.

Ähnlich stand ich zu Friseursalons, Shoppingtouren oder Beautyartikelläden. Da gab es meiner Meinung nach einfach zu viele Leute, die mehr über all das wussten als ich. Wenn eine Beraterin mich fragen würde, welcher Lidschatten mir den gefiele, würde ich fragen: „Was soll ich denn damit anfangen? Ich hab doch schon unter meinen Augen Schatten genug!"

Es war einfach nichts für mich, in einer Welt voller Magie und vor allem Partys zu leben. Genauso deshalb gehörte ich zu jenen, die an einem schönen Tag im Skatepark auf der Halfpipe meine Künste verfeinerte. Wohl kaum würde man mich in einer der Boutiquen finden, besonders nicht in der Modestadt Paris. Mum brachte mir Kleidung vom Secondhandshop mit, sodass ich nicht selbst suchen musste. Selbst mein Abschlusskleid von der achten Klasse war ihr altes.

Ich wand mich innerlich, als wir den Salon betraten, indem schon ein buntes Treiben von Düften und Plauderei spielte. Der Salon befand sich hinter den Nordtoren, wie ich gerade feststellen musste. Diese Tore führten nämlich nach einer Steintreppe, welche von nostalgischen Strassenlaternen gesäumt fast zehn Minuten nach unten führte. Vom Tor aus konnte ich nur verschiedenfarbige Ziegeldächer erkennen, aus deren Kaminen Rauch aufstieg. Zwischen den dicht zusammenstehen Hausdächern konnte ich verschiedene Lichter erkennen und die Punkte, die die Besucher darstellten. Selbst die Musik war von hier oben zu hören. Zwischendurch stand am Wegrand ein Verkäufer, die einen boten Heissluftballons an, andere einen Becher mit dampfendem Tee an. Jeder trug Regenmäntel aus Leder, alles in verschiedenen Farben und sogar mit Initialen bestickt. Eine alte Dame hielt mir eine Papiertüte voller gebrannten Mandeln mit Honiggeschmack entgegen und bevor ich ablehnen konnte, nahm Jannes die Tüte entgegen und bezahlte die Frau grosszügig. Ich schenkte ihr ein Lächeln, bevor ich die Tüte aus Jannes' Hand nahm. Der Regen hatte sich ein wenig gelegt, nur noch einige Tropfen fielen aus den grauen Wolken.

„Warum hast du sie gekauft?", ich musterte den Inhalt. Die Mandeln schimmerten leicht golden, wie flüssiger Honig. Etwas skeptisch nahm ich mir eine und schob sie mir in den Mund.

Jannes lachte über meine Miene. „Ich will dir zeigen, wie schön es in unseren Strassen ist – und wie abhängig Honigmandeln machen!"

Ich biss in die kleine Nuss und ich wäre fast in Ohnmacht gefallen. Dieser Geschmack war so göttlich, dass man einfach noch eine weitere nehmen wollte. Es war viel besser als die normalen gebrannten Mandeln, denn statt brauner Zucker schmolz der Honig auf meiner Zunge.

„Gott, was haben mir meine Eltern in all den Jahren nur vorenthalten!", rief ich aus. Jannes schmunzelte, dann hängte er sich bei mir ein und ich hielt ihm die Tüte hin. Immerhin hatte er bezahlt. Die letzten Stufen führte er mich quasi, während ich immer tiefer grub, um an die letzten Mandeln zu kommen.

„Sieh dir das an, Frances...", forderte er mich leise auf und ich hob meinen Blick. Häuser, dichtaneinandergedrängt und in verschiedenen Grössen erhoben sich vor mir zu einem seltsamen Dorf, priesen ihre Ware mit farbigen Tafeln und in Schaufenstern. Und bitte, wenn ihr jetzt an ein Schaufenster denkt, nicht an so eines ohne kleine Bälkchen. Die Leute liefen zwischen den Häusern hindurch, lachten, schrien und genossen das Spektakel, welches Strassenmusiker abgaben.

„Hör genau hin", flüsterte Jannes dicht an meinem Ohr, während er mich um den riesigen Springbrunnen herumzog, wo ein gigantisches Marmorpferd Wasser ausspie, „Geige..."

Frances Foster: Aufstieg des AdlersWhere stories live. Discover now