Beim besten Willen, er wirkte nicht gerade überzeugt. Ich stand nach kurzem Überlegen auf. "Wie ist Nate drauf?", fragte ich forschend nach und Louis schien immer kleiner zu werden. "Er hat in etwa eine halbe Flasche Vodka getrunken. Ich glaube...nicht so gut."
Okay, jetzt verwandelte sich die schleichende Nervosität in meinem Inneren in einen Hurrikan. Oh scheiße. Das konnte nichts gutes bedeuten. Als hätte jemand meine Gedanken lesen können, hörte ich ein lautes Krachen aus dem Haus kommen und jemand fing an herumzubrüllen. Innerhalb von wenigen Sekunden war ich an der Tür und im Wohnzimmer. Das Bild, das sich mir bot ließ mir die Nackenhärchen zu Berge stehen. Mike und Louis fanden sich gehetzt neben mir ein.
Nate und Lucien lagen in einem fluchenden und knurrenden Knäul am Boden und schlugen aufeinander ein. Beide bluteten und waren offensichtlich stinksauer.
"Verdammte Scheiße! Hört auf!", schrie ich, aber niemand kümmerte sich um mich. Nates Gesichtsausdruck jagte mir eine höllische Angst ein und sein Wolf war verdammt nah an einer Verwandlung. Er befand sich gerade über Lucien, der grollend versuchte ihn abzuwerfen und seinen Schlägen auszuweichen. Seine Nase war bereits blutig und seine Lippe aufgesprungen. "Fick dich", zischte er wütend und biss Nate in den Arm, in das, was er gerade so erreichen konnte. Nate gab ein durchdringendes wölfisches Knurren von sich und schloss seine Hände um den Hals Luciens. Amber stand daneben und heulte wie ein Schlosshund, außerstande, etwas zu tun, und Randall kam gerade die Treppe hinunter gepoltert, platzte fassungslos in die Schlägerei hinein. Er würde ihn töten, sickerte es langsam, zu langsam, in meine Gedanken. Nate würde ihn töten. Ohne zu zögern. Er würde ihn zerfetzen wie Konfetti, denn er war ein Alpha, Lucien nicht, egal wie stark er sich auch gab. Der Erste, der sich von seinem Schock erholt hatte, war Randall. Er rannte los und warf sich auf Nate. Schnell nahm er ihn in den Schwitzkasten und drückte zu, so fest er konnte. Nate schüttelte sich, knurrte und schnappte, um ihn abzuwerfen, und lockerte seine Finger ein wenig. Er bleckte die Zähne und auch seine Fingernägel, die sich schon leicht zu Klauen verlängert hatten, bildeten sich zurück. Nach und nach fiel seine Gegenwehr in sich zusammen. Sein Griff um Luciens Hals, der langsam aber sicher schon nach Luft keuchte und nur noch um sein Leben kämpfte, wurde schwächer. Nate schien frustriert und seine Wut war immer noch spürbar, aber sein Körper gelangte an seine Grenzen, je länger Randall ihn festhielt und nicht mehr los ließ. Es kostete den anderen Alpha unglaublich viel Kraft und Ausdauer, das konnte man deutlich erkennen. Randalls Halsschlagader trat schon sichtbar heraus vor Anstrengung, doch er lockerte seine Arme um Nates Hals nicht und würgte ihm die Luft ab, bis dieser von Lucien abließ und beinahe zusammenbrach. Randall hielt ihn sicherheitshalber noch ein wenig länger in dem Griff, ließ ihn aber zu Atem kommen und zog ihn schließlich weg von dem malträtierten Lucien. Er redete leise auf ihn ein und Louis lief zu Lucien, half ihm auf.
Dieser fluchte bereits wieder wie ein Rohrspatz, wenn auch hörbar heiser. Und ich stand da, rührte mich nicht. Und anstatt zu Lucien zu rennen oder die beiden anzubrüllen, was in sie gefahren war, drehte ich mich einfach um und lief aus der Tür. An den anderen vorbei, die fassungslos da standen oder zu einer der Parteien wechselten. Einfach weg. In den Wald. Ich spürte, wie mir die Tränen die Wange hinab liefen, aber ich bewegte mich immer weiter, automatisch, bis ich fast rannte. Musste mich abreagieren. Lief davon, vor allem. Vor meiner Vergangenheit mit Nate. Vor einer möglichen, wie auch immer gearteten Zukunft mit Lucien, die vor meinem inneren Auge gerade zersplittert war wie ein kaputter Spiegel.Bis mich eine Stimme inne halten ließ, und von dieser war ich so perplex, dass ich tatsächlich stehen blieb und mir hastig über die Augen wischte.
"Amber, was willst du?" Ich klang leicht heiser. Sie bremste vor mir ab und hielt sich keuchend die Seite. In ihrem Blick stand flache Panik, gerade so im Zaum gehalten.
"Dess! Du musst deinen Freund beruhigen. Warum bist du einfach weggelaufen?" Ich wusste nicht wie ich ihr klar machen sollte, was ich fühlte. "Ich kann einfach nicht mehr. Wenn sie sich gegenseitig die Schädel einschlagen wollen, sollen sies tun. Ich hab dieses ganze Theater und Rumgezicke so satt. Egal ob von Nate oder von Lucien." Ich presste die Lippen zusammen und wandte den Kopf ab. Amber bekam große Augen. "Das heißt, du machst Schluss mit ihm?" Ich hätte ihr beinahe eine rein gehauen. Wir waren ja nicht einmal zusammen. Jedenfalls nicht wirklich. War ich die Einzige, die das so sah?
"Ich weiß noch nicht was ich tue. Nur so gehts nicht mehr weiter." Sie nickte und schlang sich die Arme um den Oberkörper. "Ich weiß auch, dass das alles für dich nicht leicht ist", fügte ich leiser, sanfter hinzu. "Du liebst ihn und er rastet wegen mir immer noch so aus. Das tut mir ehrlich leid..." Sie seufzte und strich sich ihr braunes Haar aus der Stirn. So, gerade, wirkte sie einmal nicht wie Nates Schoßhündchen. Sie wirkte stark, wie eine selbstbewusste junge Frau. Warum tat sie sich das freiwillig an? Werwölfe sind normalerweise nicht derart unterwürfig, und eine Omega war sie auch nicht. Ihr war die ganze Beziehung zu Nate nicht gewachsen, aber sie biss sich eisern daran fest und tat alles dafür, dass sie dennoch funktionierte. Gab sich selbst dafür auf. Einerseits bewunderte ich ihre Hartnäckigkeit, andererseits hatte ich Mitleid mit ihr.
Ich konnte das nicht, damals. Mir war mein Leben und meine Freiheit fern von jeglicher Kontrolle schon immer das Wichtigste gewesen, und das würde sich auch nie wieder ändern, wie ich mir selbst versprochen hatte. "Ich weiß", meinte sie bedrückt. "Er ist noch immer nicht über dich hinweg. Er braucht Zeit." Was er wirklich brauchte war ein richtiger Tritt in den Arsch, aber ich nickte. "Lass uns zurück gehen", lenkte ich ein und sie lächelte schon fast. Überraschend ging sie auf mich zu und umarmte mich. Leicht verstört bewegte ich mich kein Stück und tätschelte ihr leicht den Rücken. Leicht überfordert mit der Situation. Dann ließ sie mich los, ich kommentierte das gerade lieber nicht und wir traten den Weg zurück an. Innerlich wappnete ich mich vor dem, was gleich kommen würde.
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Wolf Pack - Completely Insane
LobisomemEin Rudel Werwölfe zu beaufsichtigen ist in etwa so, als wäre man Kindergärtnerin, nur mit mehr Zähnen und Fell, versteht sich. Und als weibliche Alpha ist die ganze Sache noch schlimmer, vor allem wenn der Kerl, mit dem du dieses Chaos eigentlich f...