Chapter 9

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Zuhause angekommen hieß es erst einmal Krisensitzung. Nur dass ich mir dabei reichlich dumm vor kam, da Nate und Amber fehlten. "Wo sind diese Vollidioten nur schon wieder?", knurrte ich und knallte meine Tasche auf den Tisch. Nick zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Als würden die mir was erzählen." Ich blickte den immer etwas verloren aussehenden Kerl schief an. "Das war jetzt nicht sehr hilfreich. Egal, dann eben ohne die zwei." Ich scheuchte alle ins Wohnzimmer. Inzwischen hatten wir sogar wieder Möbel. Heureka.
"Was soll eigentlich dieses ganze Theater?", fragte Emma und blinzelte. "Wir haben gerade eine Kriegserklärung von Kathrina erhalten. Eine offene war es nicht, da Noah nicht dabei war, aber ich denke er läuft ihr wie ein Hündchen brav an der Leine hinterher. Also nehmt euch in Acht. Ausflüge in den Wald nur noch zu zweit oder in größeren Gruppen, denn es kann richtig gefährlich werden wenn sie diese Hexe wieder auf uns hetzt. Ich denke sie wird warten, ob wir nicht doch noch einknicken und ihr das Revier überlassen. Also achtet ebenfalls auf fremde Wölfe." Ich machte eine Pause und blickte alle nach der Reihe an. "Ich werde Randall anrufen, vielleicht kommt sein Rudel eher, er ist auf jeden Fall auf unserer Seite." Mike legte den Kopf zur Seite. "Es schien mir keine leere Drohung, was sie da von sich gegeben hat." Zustimmend nickte ich und sah zu Kyle. "Kannst du möglicherweise Kontakt zu deinem alten Rudel aufnehmen? Vielleicht stehen nicht alle hinter Kathrina." Nachdenklich biss sich Kyle auf die Unterlippe. "Ich kann es zumindest versuchen." Ich lief auf und ab wie ein Wolf im Käfig. Genau so fühlte ich mich auch gerade. Ich konnte es nicht leiden, wenn jemand meine Familie bedrohte. "Gut. Aber sei vorsichtig. Wer weiß was Kathrina ihnen eingeredet hat."
In genau dieser Sekunde klopfte es an unserer Terrassentür und Lucien trat ein. "Hi, ich wollte nur-" Ohne Luft zu holen unterbrach ich ihn. "Nicht jetzt. Dein früheres Rudel hat uns indirekt den Krieg erklärt." Überraschung blitzte in seinen Augen auf. "Was?" Ich zuckte die Schultern. "Kathrina scheint schlimmer einen an der Waffel zu haben als ich dachte." Emma seufzte. "Warum hab ich nur geahnt dass das kommt?" Ich grinste halb. "Weil immer uns sowas passiert?" Lucien schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht glauben, dass sie es inzwischen schon soweit getrieben haben." Ich musterte ihn eingehend. Irgendwas kam mir an seinem Verhalten seltsam vor, aber ich konnte nicht den Finger darauf legen, was es war. "Weißt du aus irgendeinem Grund mehr als wir?" Lucien verdrehte die Augen. "Nicht wirklich. Aber es war relativ offensichtlich, dass sie euer Rudel nicht leiden können." Ich machte einen Schritt auf ihn zu. "Warum bist du dann gerade in unser Revier gekommen?" Er hob abwehrend die Hände. "Das war eigentlich nur Zufall. Und hey, Feinde meiner Feinde sind meine Freunde, so heißt es doch, oder?" Emma kniff misstrauisch die Augen zusammen, sagte aber nichts. Ich ließ es fürs Erste darauf beruhen. "Gut. Ich werde jetzt Randall anrufen. Und Nick, Riley - könnt ihr bitte mal Nate und Amber ausfindig machen? Dass sie ständig weg sind wenn etwas wichtiges passiert, nervt mich langsam." Der letzte Satz war ein halbes Knurren. Die beiden nickten, obwohl ihnen ihr Unmut anzusehen war. Besonders Nick hatte einen extrem leidenden Blick. Er hatte recht wenig übrig für Nate, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich sah Emma kurz an und gab ihr zu verstehen die anderen im Auge zu behalten und ging aus dem Raum, um mein Handy heraus zu kramen. Doch Lucien folgte mir aus irgendeinem Grund. "Dess", hielt er mich auf und ich verharrte. Seine dunklen Augen hatten mich fixiert und er kam mir ziemlich nah. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich es euch vorenthalten würde, wenn ich etwas wüsste, oder?" Ohne zu zögern erwiderte ich sein Blickduell. "Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Dafür kenne ich dich noch zu wenig. Ich weiß nur, dass ich mein Rudel beschützen muss."
"Ich weiß", erwiderte er und stützte die Hände neben mir an der Wand ab. "Was wird das?", fuhr ich ihn an, halb aus Verwirrung, halb weil ich immer noch ein wenig sauer war, warum auch immer. Seine Lippen kräuselten sich amüsiert. "Halt einfach mal für fünf Minuten die Klappe, Alpha." Wie gebannt schaute ich auf seine Augen, konnte mich einfach nicht davon losreißen. Ich öffnete leicht den Mund, wollte etwas sagen, aber kein Wort verließ meine Kehle.
Dann küsste er mich. Mein Gehirn arbeitete noch kurz weiter, lange genug, um mir zu sagen was für eine wirklich, wirklich dumme Idee das hier war, dann verabschiedete es sich mit einem Jauchzen in den Urlaub. Luciens Lippen fühlten sich weich auf meinen an und ich seufzte leise. Scheiß drauf. Ich hatte einen wirklich miesen Tag gehabt. Also gab ich nach und erwiderte den Kuss, lehnte mich an ihn. Es war kein sanfter Kuss, und das war auch gut so. Es schien fast, als verstünde er, dass ich ein Ventil für meine Sorgen und Gedanken brauchte. Mein Herz klopfte hektisch in meiner Brust, und ich legte ihm die Arme um den Hals. Mit einem leichten Knurren biss ich ihm in die Unterlippe und er drückte mich fester gegen die Wand, gegen seinen harten Oberkörper, und ich konnte sein wildes Lächeln an meinem Mund spüren. Er zog eine Spur von Küssen bis hinunter zu meinem Hals, und seine leicht verlängerten Reißzähne kratzten an meiner Haut entlang. Verdammt, dieser Kerl ging mir echt an die Nieren und ich musste einen gezischten Fluch unterdrücken. Ich konnte sehen, dass Luciens Augen einen goldenen Schimmer angenommen hatten, das Tier in ihm lauerte dicht unter der Oberfläche. Mein eigener Wolf reagierte untypisch heftig auf ihn und ein leises Stöhnen entwich meiner Kehle, ich ließ den Kopf gegen die Wand sinken. Er biss leicht zu, direkt an meinem Hals und ich knurrte, diesmal lauter als zuvor und spürte, wie sich meine Fingernägel zu Krallen veränderten, sich in seinen Nacken bohrten. Es machte mich verrückt, dass er mich nicht weiter berührte.
Das Nächste...was ich hörte war ein Räuspern. Emma stand mit verschränkten Armen und einer hochgezogenen Augenbraue in der Tür. Wir fuhren auseinander, doch Luciens breites Grinsen sprach Bände. "Ähm, ja. Eigentlich wollte ich fragen ob du Randall schon erreicht hast, störe ich etwa?" Ich atmete einmal tief durch. "Nein. Nein. Weil ich jetzt telefonieren wollte. Allein." Ich sortierte mich und warf Lucien einen wütenden Blick zu. Er zwinkerte mir äußerst zufrieden zu und schob sich an Emma vorbei. "Ich gehe dann mal dein Rudel besser kennenlernen, Dess..."

"Was zur Hölle war das gerade?", fragte meine beste Freundin und musste sichtlich ihr Lachen unterdrücken. "Da bin ich mir auch nicht so sicher", grummelte ich mit einem leichten Schmollen. "Er hat mich einfach geküsst!" Sie kicherte. "Und du konntest dich natürlich nicht wehren. Wahrscheinlich hat dich dieser Kerl mit Sixpack einfach angefallen."
"Genau so war es", meinte ich gespielt beleidigt und deutete auf Emma, deren dunkelroter Pferdeschwanz belustigt wippte. "Ich geh jetzt Randall anrufen. Und du sorgst dafür, dass Lucien keinen Blödsinn anstellt, okay?" Ihre Augen funkelten. "Blödsinn habt ihr ja für heute schon genug angestellt..." Ich stöhnte gequält. "Raus jetzt!" Ich konnte immer noch ihr Lachen hören, als sie schon längst aus der Tür war.

Wolf Pack - Completely InsaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt