Kapitel 1

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POV Minjee

''Ich bin wieder da!'', rief ich durch das Haus und bekam prompt eine Antwort von meiner Mutter: ''Wir essen schon! Geh eben duschen und komm dann auch!'
Gesagt getan.
Mein Weg führte mich in mein Zimmer, um meine Tasche abzulegen und um mir frische Kleidung auszusuchen. Danach ging ich ins Bad und duschte mich.
Bisher ein ganz normaler Donnerstag Abend.

Als ich mit nassen Haaren und im Pyjama in die Küche kam, hatten meine Eltern bereits aufgegessen und mein kleiner Bruder aß gerade seinen letzten Bissen.
''Setz dich zu uns'', bat mich mein Vater und ich kam seiner Bitte nach.
Auf dem Tisch stand bereits eine Schüssel mit dampfendem Inhalt: Bibimbap, mein Lieblingsessen.
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht bedankte ich mich bei meiner Mutter für das Essen und fing an.

Während ich aß, verschwand mein Bruder bereits wieder in sein Zimmer und meine Mutter fing an den Abwasch zu machen. Mein Vater guckte ziemlich oft auf sein Handy, was normal war, denn immerhin war er einer der Führungspositionen in seiner Firma, die rund um den Globus herum agierte.

''Wie war die Arbeit, Minjee?'', fragte meine Mutter und ich brauchte kurz Zeit um zu antworten, denn ich hatte gerade eben meinen Mund mit Essen vollgestopft.
''Anstrengend, aber erfolgreich. Ich bin heute mit der Choreo weitergekommen, die ich selber machen möchte, und die Kleinen aus der Hip-Hop Gruppe haben sich auch gut geschlagen'', antwortete ich fröhlich, woraufhin mein Vater mir ein stolzes Lächeln zuwarf.
''Das ausgerechnet dir das Tanzen so liegt... Und das obwohl wir beide so gar nichts damit am Hut haben oder jemals hatten'', meinte er und trank aus seiner Teetasse.
Ich lachte nur leise und widmete mich wieder meinem Essen.

Nachdem auch ich aufgegessen hatte und gerade dabei war auch den letzten Schluck Tee, der in meiner Tasse verblieben war, zu trinken, seufzte meine Mutter laut und frustriert.
''Ist was?'', fragte ich besorgt woraufhin meine Mutter mir einen traurigen Blick zuwarf und dann meinte: ''Dein Vater und ich müssen dir was sagen..''
''Okay?''
''Ich will nicht lange um den heißen Brei herum reden... Min? Wir werden umziehen'', sagte mein Vater, der mittlerweile sein Handy in die Hosentasche verschwinden lassen hatte.

''Was ist daran so schlimm? Ich meine, dass ich es nicht weiter tragisch finde, dass mein Weg zur Arbeit unter Umständen länger wird.''
''Nein, ich meine wir ziehen aus Seoul raus. In eine andere Stadt.''
''Und.. in welche?''
''London.''
Meine Kinnlade klappte runter und ich schaute von meinem Vater zu meiner Mutter und wieder zu meinem Vater.

''Nach..London?'', fragte ich perplex.
''Ja, deinem Vater wurde ein unschlagbares Stellenangebot gemacht. Der einzige Haken daran war, dass er dann in London arbeiten würde'', mischte sich nun auch meine Mutter ein.
''Aber ich hab doch hier gerade erst eine Arbeit gefunden und... was ist mit meinen Freunden? Yuna zum Beispiel?''
Yuna, meine beste Freundin, und ich waren unzertrennlich, schon seit der Vorschule, und ich wusste nicht was ich tun sollte, müsste ich sie zurücklassen.

''Deswegen haben wir uns ja auch gedacht dir eine andere Möglichkeit offen zu lassen, außer, dass du mit uns mitkommst.''
''Und die wäre?''
''Da du fast volljährig bist, wenn wir wegziehen, würden wir es dir erlauben, dass du hier in Seoul wohnen bleibst, nur halt alleine. Dann würden wir beide, und dein Bruder, in London leben und du hier. Wir würden dir auch monatlich eine gewisse Summe an Geld überweisen, von der du, zusammengerechnet mit deinem Gehalt, gut leben dürftest.''
Ich war geschockt. Zwar wollte ich schon ausziehen, sobald ich endlich 20 war, doch ohne die Eltern in der Stadt, die einem notfalls aushelfen würden, sollte was sein... Das klang doch ziemlich risikoreich.

Es war still im Esszimmer und eigentlich wollte ich was dagegen tun, aber ich fand irgendwie keine passenden Worte.
''...Bis wann muss ich mich entscheiden?'', fragte ich unsicher und starrte auf meine Teetasse.
''Da das alles recht kurzfristig war, hast du nur 1-2 Tage Zeit es dir zu überlegen. Wir fliegen am 25.05.'', antwortete mein Vater mit trauriger Stimme.
Zwei Tage waren wirklich wenig Zeit, aber ich verstand, dass ich mir nicht so viel Zeit lassen durfte. Meine Eltern mussten eine neue Wohnung suchen, den Flug buchen, all unser Hab und Gut in Kartons verstauen und schlussendlich noch das ganze Haus auf Vordermann bringen. Das alles in weniger als einem Monat.
Ich nickte und fragte höflich, so, wie sie mich erzogen hatten, ob ich in mein Zimmer durfte.

Eigentlich war ich komplett übermüdet und hätte auf der Stelle einschlafen können, doch diese Entscheidung, die ich unbedingt treffen musste, lag mir schwer im Magen.
Deshalb beschloss ich meine beste Freundin anzurufen, vielleicht würde sie mir weiterhelfen können.

''Min? Solltest du nicht schon längst schlafen?'', meinte sie besorgt.
''Ja Mama, ich weiß'', witzelte ich, doch gelang es mir nicht wirklich die Trauer aus meiner Stimme zu kriegen.
''Du hörst dich nicht gut an, MinMin. Alles okay bei dir?''
''Nein, nichts ist okay...'' Und da kamen mir die ersten Tränen, ein Szenario, was ich eigentlich
unbedingt vermeiden wollte.
''Oh oh.. Nein Min.. Nicht weinen... Erzähl mir erst mal, was los ist'', sie redete so, wie meine Mutter früher immer mit mir geredet hatte, wenn ich hingefallen war.

Ich atmete tief durch und versuchte so meine Emotionen ein wenig unter Kontrolle zu bringen, doch es brachte nichts, weshalb ich einfach anfing zu reden und hoffen musste, dass Yuna verstand, was ich ihr sagen wollte...

...''Oh scheiße'', war der erste Kommentar, den Yuna brachte, als ich ihr meine Situation erklärt hatte.
''Das kannst du laut sagen'', murmelte ich, woraufhin meine beste Freundin ihre Worte wiederholte, nur um einiges lauter.
''Du bist doof Yuna...'', sagte ich mit gespielt beleidigter Stimme und ich meinte, man konnte mein kleines Lächeln klar und deutlich heraus hören.

Dann sagte kurz keiner was und meine Gedanken verdunkelten sich wieder.
''...Weißt du denn schon so ungefähr, was du machen willst?'', fragte mich Yuna vorsichtig und ich seufzte.
''Nicht wirklich... Ich möchte dich nicht verlassen und mein Job macht mir auch mega Spaß. Andererseits..''
''Andererseits möchtest du auch deine Familie um dich haben. Ich weiß Min.. Und ich würde es auch vollkommen verstehen, wenn du mit nach London gehen würdest. Egal, was du machst. Ich steh immer hinter dir!'', sagte sie mit etwas brüchiger Stimme, was mir Sorgen machte, denn sonst war ich immer diejenige, die weinte. Sie war immer die Starke. Die große Schwester, die ich nie hatte.

''Du gehörst auch zur Familie Yuna! Freunde sind die Familie, die man sich aussuchen kann... Deswegen fällt mir die Entscheidung auch so schwer!''
Jetzt war es vorbei, bei uns beiden. Wir schluchzten in das Telefon und kriegten uns nicht mehr ein.

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I Need U (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt