Kapitel 11

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Ich war gerade fertig damit, die Küche ein wenig zu putzen, als es klingelte.
Die Jungs waren bis zur letzten Sekunde damit beschäftigt, die Schuhe zu ordnen. Sie hatten aber auch mehr Paar, als ich in meinem ganzen Leben hatte!
''Ich mach auf!'', meinte ich und eilte zur Tür.
Doch noch bevor ich meine Eltern irgendwie begrüßen konnte, drückte mein Vater mir das 'kleine' Geschenk in die Hände.
''Mum? Hast du nicht gesagt, es wäre klein?''
''Da hab ich mich wohl versprochen, tut mir leid. Hallo erst mal'', entschuldigte sie sich und umarmte mich, soweit es eben mit dem riesigen Geschenk in meinen Armen ging.
''Hallo Dad'', begrüßte ich ihn und bemerkte dann, dass er ein wenig lachte. ''Dafür liebe ich deine Mutter.''
Kopfschüttelnd ging auch er, wie meine Mutter es bereits getan hatte, an mir vorbei durch
den Flur und betrat das Wohnzimmer.
Ich ging ihnen nach, darauf achtend, nirgendwo mit dem Geschenk hängen zu bleiben, was bei diesen vergleichsweise niedrigen Decken echt schwer war.

''Willst du nicht mal dein Geschenk auspacken?'', fragte meine Mutter nach einer halben Stunde, in der meine Eltern die Zeit genutzt und mit meinen Mitbewohnern geredet hatten, während ich mich größtenteils im Hintergrund hielt.
Nickend nahm ich mir mein Geschenk, was ich vorher sorgsam beiseite gestellt hatte, und fing an das Geschenkpapier langsam und vorsichtig zu entfernen.
Plötzlich hielt ich in meiner Bewegung inne, als ich erkannte, was das war.
''Das ist nicht euer ernst! Das muss doch bestimmt total teuer gewesen sein!''
Nun konnte ich mich nicht mehr zügeln und zerriss das Papier gewaltsam.
''Ach Quatsch, das war nicht teuer. Nicht ist uns zu teuer, wenn wir dir damit eine Freude machen können'', sagte mein Vater mit einem Lächeln.
''Und wie ihr mir damit eine Freude macht!'', quietschte ich aufgeregt und sprang auf um meine Eltern zu umarmen und ihnen zu danken.
''Du hast immer so gerne gespielt, und auch so schön. Und da dachten wir uns, da du jetzt keinen Flügel mehr hast, auf dem du spielen kannst, brauchst du wenigstens einen kleinen Ersatz. Das war das Mindeste, was wir hätten tun können.''
''Du kannst Klavier spielen?'', fragten mich die Jungs alle beinahe gleichzeitig.
Anstatt, dass ich antwortete, tat meine Mutter das für mich: ''Sie ist eine Göttin an diesem Musikinstrument.''
''Übertreib nicht, Mum'', erwiderte ich und fühlte, dass ich etwas rot wurde.
''Nooonaaa? Willst du uns nicht was vorspielen?'', bettelte Jungkook.
''Das ist eine gute Idee!'', pflichtete ihm meine Mutter bei.
''Ich hab doch gar keine Noten'', versuchte ich mich heraus zu reden, doch meine Mutter durchkreuzte meine Pläne: ''Ich weiß, dass du mehrere Lieder auswendig spielen kannst..''
''Wenn mir jemand das Dingen an den Strom anschließt, meinetwegen'', meinte ich und sofort meldete sich Suga. ''Ich mach das schon!''
Und dann schnappte er sich den Karton, der immer noch auf meinem Schoß lag, machte ihn auf, holte Stromkabel und Keyboard raus und schloss das Instrument an eine Steckdose an.

Ich holte mir einen kleinen Hocker und setzte mich vor das Keyboard.
Es hatte so viele Oktaven, im Vergleich mit anderen Keyboards. Zwar nicht so viele, wie der Flügel, der in meinem alten Zuhause stand, aber ausreichend viele um sich daran ausleben zu können.
''Und? Was spielst du?'', fragte mich V aufgeregt. Wieso war er aufgeregt? Ich musste doch spielen, nicht er?
''Ich habe keine Ahnung'', gab ich zu. Es schwirrten mehrere Melodien in meinem Kopf umher, und ich hatte das Verlangen jede dieser Melodien zu spielen, ich konnte mich aber nicht für eine entscheiden.
Dann kam meine Mutter auf mich zu und flüsterte mir einen Titel ins Ohr.
Ich nickte, das würde ich hinkriegen. Nur müsste ich mich zurückhalten nicht zu weinen.

POV Suga
Nachdem ihre Mutter ihr irgendwas ins Ohr geflüstert hatte, begann sie zu spielen.
Ihre Eltern sahen stolz auf sie herunter, lächelten und hatten bereits nach den ersten paar Tönen Tränen in den Augen.
Wir übrigen sahen Min gespannt zu und staunten nicht schlecht. Ihre Finger flogen förmlich über die Tasten und ließen wunderschöne Töne erklingen, die sich zu einer engelsgleichen, aber traurigen, Melodie vereinten.
Da die meisten direkt hinter ihr standen, im Gegensatz zu mir, konnten sie nicht erkennen, dass auch bei Min einzelne Tränen die Wangen hinunter liefen.
Warum sie so traurig war, wusste ich nicht, allgemein fiel mir erst in dem Moment auf, dass wir relativ wenig über sie wussten.
Wir wussten, wie sie hieß, wie alt sie war und, dass sie tanzte. Dass sie Klavier spielen konnte, wussten wir bis zu dem Tag auch nicht. Wir hatten ja noch nicht einmal eine Ahnung, wann sie Geburtstag hatte. Außerdem wussten wir nicht, wieso sie bei uns arbeitete. Das einzige, was uns gesagt wurde war, dass wir eine neue, junge Tanzlehrerin bekamen, sollte sie den Job annehmen und der Manager mit ihr einverstanden sein.
Man sollte definitv etwas an dieser Situation ändern.

I Need U (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt