Des Bürgermeisters Sohn (Teil 2)

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Es war wohl mehr Glück als Schicksal, als Zayn auf halbem Wege zu dem Malereibetrieb mit dem Wagen neben mir hielt und mich aufsammelte. Anhand der besorgten Seitenblicke, die er mir immer wieder zuwarf, während ich meinen eigenen schweigend aus dem Fenster gerichtet hielt, konnte ich erkennen, dass ihm enorm viele Fragen auf dem Herzen brannten, aber taktvoll genug war, keine davon zu stellen. An seinem Arbeitsplatz angekommen stellte er Motor und Radio ab und wandte sich mir zu. „Willst du darüber reden?".

Ich seufzte – seit der kurzen Begrüßung das erste, das ich von mir gab. „Mein Vater".

Zayns Augen weiteten sich. „Er hat mich also erkannt".

Ratlos fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare, die Tatsache, dass ich meine Frisur somit dem Untergang weihte, komplett ignorierend, und nickte. „Er will nicht, dass ich mich mit dir abgebe".

„Aber er weiß nicht, dass wir ...", sprach Zayn vorsichtig weiter, doch ich unterbrach ihn schnell, bevor er sich selbst eine Schlussfolgerung zurechtlegen konnte. „Nein. Er denkt lediglich, dass du mich in krumme Geschäfte hineinziehen könntest". Verächtlich schnaubend betätigte ich den Türgriff. „So ein vermaledeiter Unsinn".

Zayn murmelte etwas Unverständliches, während er ebenfalls ausstieg und auf mich wartete, bis ich das Auto umrundet hatte, bevor wir gemeinsam auf den Eingang zuliefen. Im Arbeitsraum angekommen bedeutete mir Zayn, mich auf den Schreibtisch zu setzen, während er selbst sich vor einem am Boden liegenden Plakat niederließ, es kurz mit zusammengekniffenen Augen betrachtete und dann nach einem der untschiedlich dicken Bleistifte griff, mit dem er in Sekundenschnelle weiterzeichnete. Mit halb offen stehendem Mund verfolgte ich seine raschen Bewegungen. Himmel, wo hatte dieser Junge so gut Zeichnen gelernt? Zayn bemerkte meinen Gesichtsausdruck und grinste. „Es war neben der Musik schon immer mein Haupthobby".

Noch immer zu fasziniert, um einen grammatikalisch richtigen Satz von mir zu geben, nickte ich nur geistesabwesend und sah gespannt zu, wie er die „Skizze", wie er es nannte (für mich war das schon ein Kunstwerk), vollendete und das Plakat zu den unzähligen anderen legte, die sich bereits in einer Ecke des großen Raumes stapelten.

„Warum seid ihr eigentlich hierher gezogen?". Ich wusste selbst nicht, warum ich diese Frage stellte – vermutlich kam es mir nur seltsam vor, dass jemand wie Zayn in eine solch verpennte, überfromme Gemeinde ziehen sollte, nur um dort einen Job in einem Malereibetrieb zu bekommen. Zayn zuckte die Schultern und begann, die Stifte aufzusammeln. „Zu Hause konnte ich nicht bleiben".

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Wieso das denn?".

Er warf mir einen verzweifelten Blick zu. „Niall ... du würdest es nicht verstehen. Ich werde es dir erzählen, nur jetzt noch nicht".

Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Was hatte das zu bedeuten? Besorgt musterte meinen Freund, bis er leise zu lachen anfing, die Stifte in eine Schachtel fallen ließ und dann auf mich zukam, um sich neben mich auf die Schreibtischoberfläche zu setzen. „Du machst dir schon wieder viel zu viele Sorgen".

„Sollte ich mir denn keine machen?".

Er legte den Arm um mich und zog mich näher an sich heran. Ich genoss die Wärme, die von ihm ausging und atmete seinen wunderbaren Duft tief ein, in der Hoffnung, noch so lange wie möglich so sitzenbleiben zu können. „Um mich muss man sich im Normalfall keine Sorgen machen".

„Im Normalfall", wiederholte ich zweifelnd, was Zayn erneut zum Lachen brachte. „Abgesehen davon könntest du mir auch nicht helfen". Als sich meine Augenbrauen mit jedem Wort, das er von sich gab, ein Stück weiter näherten, richtete er sich auf. „Ach, lass jetzt gut sein. Bevor du mir noch zum Weinen anfängst".

One Shots (Larry, Ziall, Niam, Narry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt