Schnuckelhasi, Knuffel...

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Noch vor dem Morgengrauen bin ich auf den Beinen, stopfe hastig ein aufgewärmtes Käse-Salami-Sandwich in meinen Mund und suche mir auf Matthews Laptop meinen Tagesplan zu Recht. Wie sich herausstellt, hat er bereits zu jedem Tag der Woche einen Plan erstellt und bis Ende des nächsten Monats Besonderheiten, wie Feiern und Geburtstage, für mich niedergetippt.
Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Vielleicht gab es doch einen guten Grund Matt heiraten zu wollen, nur habe ich ihn durch den Unfall vergessen. Vielleicht ist Matts wahres Ich, durch den Tod von Steve, tief in ihn hineingeschleudert worden und liegt nun unter Trauer und Groll begraben. Vielleicht war er mal anders. Freundlich, spontan und offen, zum Beispiel. Vielleicht hat er mich gestützt, mir Selbstvertrauen eingehaucht und mich getröstet und ist nur so ein Kontrollfreak geworden, weil er Angst hat mich durch einen groben Fehler, wie Steve, zu verlieren. Vielleicht möchte er mich nur beschützen.
Warum sollte er sonst für mich so weit vorausplanen? Sich die Zeit nehmen um all dies abzutippen?
Ganz kurz klammere ich mich an die Hoffnung, dass Matthew nicht von Natur aus so ist. So verschlossen, kontrollsüchtig, kleinkariert, stolz und manchmal sogar richtig bösartig. Nicht sein Verhalten macht ihn bösartig, sondern das Funkeln in seinen Augen. Als wolle er sich immer und überall über mich hinwegsetzen.
Ich schüttel den Kopf um diese düsteren Gedanken vorerst abzuschütteln und drucke die Pläne für Mittwoch und Donnerstag aus. Das erste was mir ins Auge sticht ist das ich an beiden Tagen keinen Kunstunterricht habe. Enttäuscht schnaufe ich auf.

Mittwoch:
1: 10.00 - 11.00 Uhr - Walking mit Kate
2: 12.00 - 15.00 Uhr - Ehrenamtliche Arbeit

Ich mache Walking?
Unter Punkt zwei hat Matt sich eine Anmerkung gemacht und sie doppelt unterstrichenen: Rose daran erinnern neue Gardinen zu kaufen.
Schwach erinnere ich mich daran, dass Filou das letzte Paar Gardinen angepinkelt hat. Er ist nun mal schon etwas älter, habe ich ihn vor Matt verteidigt.
Ich entscheide mich noch vor dem 'Walking mit Kate' bei dem nächstgelegenen Gardinenladen vorbeizuschauen.
Da mein Verlobter noch felsenfest schläft, schnappe ich mir seine Autoschlüssel und mache mich auf den Weg. Und siehe da! Der Laden hat tatsächlich schon offen.
Ich watschel durch die vielen Gänge und traue mich bei all den edlen Stoffen gar nicht zu atmen.
Wage beschreibe ich der Verkäuferin die Einrichtung und Farben meines Hauses und lasse mich anschließend von ihr in die passende Abteilung führen. Mit erhobenem Kopf gehe ich an all dem neumodischem Schnickschnack vorbei und finde mich schnell bei den etwas altmodischen Vorhängen wieder.
Weiße Gardinen mit orange durchzogenen Leinen und kleinen Rüschen am unteren Ende.
Tiefdunkelrote Gardinen mit breiten, goldenen und schwarzen Nähten, aber ohne sichtbare Aufhängung.
Gelblich bis rötlich oder grünlich bis bläulich gestreifte und karierte Gardinen, mit einfachen Schleifen zur Befestigung.
Goldene Gardinen mit goldenen Sonnen bestickt und zierlichen Raffungen.
Und einfarbige Gardinen, am unteren und oberen Ende umgeschlagen.
Ich wähle nach Absprache mit der Verkäuferin die goldenen mit den hübschen Sonnen. Die alte Dame packt sie mir vorsichtig ein, weshalb ich mich sogar ein Stück weit schäme, als ich sie im Anschluss achtlos in den Kofferraum werfe.
Daheim angekommen, lege ich die Autoschlüssel zurück an ihren Platz und beginne mit dem Aufhängen der federleichten Stoffe.
Mit einem Paar schmücke ich den Torbogen ohne Tor der zum Wohnzimmer führt. Die Sonne fällt durch die großen Fenster, wird von den teuren, lackschwarzen Möbeln reflektiert und bestrahlt den breiten Bogen mit seinen neuen, goldenen Einspännen so herrlich, dass es aussieht als würden die kleinen Sonnen darauf leuchten.
Nach getaner Arbeit, schleiche ich auf Zehenspitzen zu Matts Schlafzimmer. Beim Öffnen der Tür, offenbart sich ein fürchterliches Quitschen.
Ich ignoriere Matts gestöhne, da er eh langsam aufstehen sollte, ziehe die sterilen, weißen Gardinen - die ich schon beim ersten Anblick zum Kotzen fand - von der metallenen Stange und werfe die Goldenen darüber.
Matt richtet sich auf und fährt sich müde über die Augen.
,,Wow...", murmelt er verschlafen.
Ich mache es mir auf der Bettkante bequem.
,,Die Verkäuferin hatte recht. Die passen super zu Holzboden und wenn die Sonne durch die Fenster scheint, kommen die Gardinen erst richtig zur Geltung", schwärme ich.
Doch Matts Blick liegt nicht auf den wunderschönen Gardinen; er liegt auf mir. Auf meinem Gesicht.
Schweigen senkt sich über uns und in dem Moment, indem es nervig zu werden droht, surrt die Klingel.
Erleichtert springe ich auf und renne zur Tür.

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