Flüssiges Metall

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Jade wirkt zuerst überrumpelt, doch schließlich senkt sie die Lider und schlingt die Arme um seinen Hals.
Widerwillig und den Tränen nahe reiße ich mich von diesem wunderschönen Anblick los und scheuche Theresa, Back und Marian vor mir her; weg von den Liebenden.
,,Werde ich auch so geliebt werden?", fragt die junge Marian verträumt und zupft an meinem Kleid herum.
,,Irgendwann bestimmt. Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel", bekräftige ich sie zuversichtlich.
,,Und du? Hast du jemanden der dich so sehr liebt?"
Ich öffne den Mund, nur um ihn gleich wieder zu zuklappen, denn im selben Moment kommt er zur Tür herein.
Sein blondes Haar ist vom Wind zerzaust, seine Pupillen huschen unruhig hin und her und sein schlanker Körper passt überhaupt nicht in diesen dunkelblauen Anzug.
Ich kann nicht anders als verliebt zu lächeln.
Das dunkle Blau seines Anzugs passt hervorragend zu den Blautönen meines Kleides, als hätten wir uns aufeinander abgestimmt.
Marian bemerkt wie ich Patrick anstarre.
,,Du liebst ihn", stellt sie fest. Sie formuliert den Satz nicht als Frage.
Ich sehe zu ihr herunter.
,,Weißt du was?", flüstere ich. ,,Ja, ich liebe ihn!"
Ich gebe Marian an Back ab und dränge mich schließlich durch die Menge. Bald habe ich den Sichtkontakt zu Patrick verloren und stoße stattdessen fast eine Frau zu Boden. Mein Puls beschleunigt sich und mein Herz bleibt stehen, als ich sie erkenne.
Kate Lining.
Ausschließlich ihre Wimpern sind getuscht und ihre Nägel lackiert. Sonst hat sie sich nicht aufgestylt, von Kleid und Schuhen mal abgesehen.
Ihre rabenschwarzen Haare hat sie auf das drastischste reduziert und den Schuhen fehlen die hohen Keilabsätze. Das Kleid, das sie trägt, ist einfach. Nichts gewagtes. Es ist weiß mit einem blauem Blumenmuster, knielang und an der Taille eng und leicht gerafft, was ihre sportliche Figur außerordentlich gut zur Geltung bringt.
,,H- h- hi", stottert Kate nervös und auch ich finde nicht die richtigen Worte.
,,Was machst du hier?", platzt es aus mir heraus.
,,Oh. Hat Joshua es dir nicht erzählt?"
Sofort bildet sich ein kleiner Knoten in meinem Bauch.
,,Nein... hat mein Bruder anscheinend nicht."
,,Was hat dein Bruder anscheinend nicht?", fragt Joshua, der plötzlich neben mir aufgetaucht ist.
Kate wippt ungeduldig von einen Fuß auf den anderen.
,,Oh! Ach das!", ruft mein Bruder aus und schlägt sich mit der bloßen Hand gegen die Stirn. Er wendet sich mir zu. ,,Habe ich dir schon gesagt wie atemberaubend schön du heute aussieht?"
Der Knoten in meinem Bauch wird größer.
,,Joshy", knurre ich gefährlich leise und Kate weicht sofort ein Stück zurück.
,,Komm schon, Schwesterherz! Du weißt doch bereits was los ist."
Er hat recht. Spätestens jetzt, wo mir die Bedeutung von Nathans Worten aufgeht.
Entweder will er das Kriegsbeil ausgraben oder er hat sie wirklich gern!
Ich ziehe meinen Bruder außer Reichweite von Kates Ohren und zische dann: ,,Bist du verrückt geworden?"
,,Cara", versucht er mich zu beruhigen. ,,Sie hat sich geändert... mir zu Liebe."
Ich ziehe skeptisch die Brauen zusammen.
,,Sie spricht immer noch wie ein Wasserfall, doch sie ist sanfter geworden. Nicht mehr so tussig. Freundlicher. Gib ihr eine zweite Chance. Hat nicht jeder eine zweite Chance verdient?"
Die Worte meines Bruders bohren sich wie flüssiges Metall durch mein Fleisch und fließen heiß in meine Adern.
,,Von mir aus. Wenn sie dich glücklich macht..."
Und da sehe ich Patrick wieder. Eine hübsche Frau schawenzelt um ihn herum und macht ihm schöne Augen.
,,Ich bin gleich wieder da", verabschiede ich mich von Joshua und schlage mir den Weg frei.
Nach fünf Minuten, die sich wie eine ganze Ewigkeit anfühlt, stehe ich nur noch ungefähr zehn Meter von Patrick entfernt.
Genervt versucht er die junge Dame abzuwimmeln, da hebt er den Kopf... und sieht mich.
Sein Blick wandert verblüfft an meinem langen Kleid herauf, über die tiefen Ausschnitte an meinen Seiten und stockt an meinem Hals.
Er lässt die Frau links liegen und kommt schnellen Schrittes auf mich zu. Keine Elle breit vor mir legt er eine Vollbremsung ein.
,,Die Kette...", haucht er liebevoll und streckt seine Hand nach ihr aus. Doch dann zögert er und lässt die Hand wieder sinken. Seine Miene ist voller Trauer.
,,...ist wunderschön", vollende ich seinen Satz mit bebender Stimme. Ich klammere mich an meinem Rock fest, um einerseits nicht draufzutrampeln und andererseits weil meine Arme zittern wie Espenlaub. Ich straffe die Schultern und recke das Kinn um etwas würdevoller auszusehen.
,,Sie passt zu deinem Kleid", sagt Patrick monoton.
Ich kann nur nicken. Sein gelangweilter Tonfall lässt mich zusammenzucken und meine Augen feucht werden.
Ich habe es versaut!
Es ist zu spät!
Er liebt mich nicht mehr!
Es ist meine Schuld!
Ich bin so eine blöde Ziege!
,,Du bist atemberaubend schön", spricht er trocken weiter.
,,Das habe ich heute irgendwo schon mal gehört", kichere ich steif und langatmig.
Eigentlich wollte ich Patrick ein wenig zum Lachen oder zumindest zum Schmunzeln bewegen, doch das Einzige was mein Witz bewirkt ist, dass seine Stimmung noch düsterer wir, als sie eh schon ist.
,,Glaube ich dir gerne", brummt er.
Eine winzige Pause entsteht.
,,Dir steht blau mindestens genauso gut wie mir", lobe ich seinen Aufzug.
Und da fällt mir auf, dass selbst aus seinen Augen das stolze, fröhliche Leuchten verschwunden ist.
Ich möchte noch irgendetwas sagen, aber ich fürchte die Lage damit noch schlimmer zu machen.
,,Ich... Ich sollte dann wohl besser gehen", schluchze ich verzweifelt und spüre wie mir eine heiße Träne die Wange herunterrollt. ,,Damit ich dir nicht weiter im Weg stehe."
Patricks Gesichtszüge regen sich einen Moment, nur um danach wieder einzufrieren. Aus kalten, blauen Augen mustert er mich, seine Miene ist starr und seine perfekten Lippen zu einer schmalen Linie zusammen gepresst.
Ich erwische mich bei dem Gedanken, wie sie sich wohl auf meiner Haut anfühlen mögen. Ich schüttel mich unauffällig.
Es ist zu spät!
Ich habe zu lange gewartet!
Ich war zu anmaßend!
Ich war zu dickköpfig und stur!
Jetzt bekomme ich es doppelt und dreifach heimgezahlt...
Ich blöde Kuh!
In dieser Minute fehlt mir meine innere Stimme so sehr wie noch nie. Sie soll mir sagen, was ich tun kann. Wie ich das Problem lösen könnte. Wie ich diese misslige Lage retten könnte. Oder sie soll mir einfach mitteilen, wie bescheuert ich war. Mich anschnauzen, dass ich es hätte besser... anders machen sollen. Dass ich mein Hirn hätte einschalten sollen. Oder dass ich einfach mal mit Patrick hätte reden sollen. Bevor ich Matt das Jawort erteilt habe. Bevor Patrick Kyla geheiratet hat. Bevor sie beschlossen haben Kinder zu bekommen.
Wo ist die Stimme, wenn man sie am meisten braucht?
Ich bemerke, dass ich die Wand anstiere und drehe mich um. Still lasse ich die Tränen fließen. Ich achte nicht darauf wohin ich schreite und das brauche ich auch nicht. Die Männer weichen mir meines langen, geschwungenen Kleides wegen aus und die Frauen aus Mitleid. Sie sehen mein verheultes, aufgeqollenes Gesicht, wollen sich jedoch nicht in Gefahr begeben mich zu fragen, ob sie mir helfen können.
Ich will ihr Mitleid nicht! Ich will, dass man mir anzüglich hinterher pfeift, mich auslacht oder mich mit einem spöttischen Grinsen besieht. Alles nur kein Mitleid! Das habe ich nicht verdient!
,,Du stehst mir nicht im Weg", höre ich jemanden wie durch Watte sprechen, doch ich ignoriere alles um mich herum. Es gibt nur noch meine Tränen, meine Trauer, meine Dummheit und mein gebrochenes Herz. Ich bin nicht mehr fähig rational zu denken.
Da umfasst mein linkes Handgelenk plötzlich etwas warmes... starkes. Ich werde festgehalten und habe keine andere Wahl, als mich meinem Verfolger zu stellen.
Ich weiß nicht wen ich erwartet habe. Vielleicht doch eine fremde, besorgte Frau... Jade.. Theresa. Vielleicht sogar meinen Bruder. Ich kann es nicht sagen, denn mein Kopf ist augenblicklich wie leer gefegt und mein Körper hat verlernt zu reagieren.
Eine zweite Hand greif sanft in meinen Nacken, tief dunkelblaue Augen beobachten mich und jede meiner Bewegungen und dann... legen sich brennende, weiche Lippen auf die meinen.
So schnell es ihm möglich ist pumpt mein Herz das flüssige Metall durch meine Adern. Mein Puls rast, mein Atem hat gestoppt. Wir ist gleichzeitig warm und kalt und meine Lider flimmern, wie ein Fernseher bei Unwetter.
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und drücke mich an seine muskulöse Brust bis ich seinen Herzschlag spüre, der so schnell durch seinen Körper jagt, dass ich kurz Angst bekomme er könnte an Herzversagen sterben. Doch nur kurz, denn dann wird Patricks Kuss drängender... vordernder. Und ich kann ihn verstehen.
Solange haben wir darauf gewartet!
So viele Steine wurden uns in den Weg gelegt!
So viele Hürden haben wir gemeistert!
Die gaffenden Blicke der Leute sind mir völlig egal, auch wenn ich einige davon als die meiner Freunde ausmachen kann.
Ich fühle nichts als Liebe, Freude und Dankbarkeit.
Ich danke Gott und ich danke Champion für meinen Unfall. Dafür, dass sie mich wieder in die richtige Richtung geleitet haben.
Dafür, dass sie mich am Ende aller Strapazen und Qualen doch in Patricks Arme geführt haben.
Im Leben gibt es mehr als genügend Tiefpunkte, aber wo wären wir, wenn jeder auf der Stelle aufgeben würde?, flüstert meine innere Stimmme, sodass sich auch der letzte Rest Knoten in meinem Bauch verflüchtigt. Versagen, Trauer, Eifersucht und Hass machen uns menschlich; machen uns stark. Ist es nicht oft so, dass der steinigste und steilste Weg zu der schönsten Aussicht führt?
Und wieder fließen die Tränen. Diesmal jedoch, sind es Freudentränen. Mein ganzes Herz, mein ganzer Körper ist voller Freude; voller Dankbarkeit.
Ich spüre nichts als Freude, Dankbarkeit und... Liebe.
Wahre Liebe.

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