Angélique Sophie Petiteau

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Am nächsten Morgen habe ich einen Kater. Einen Kater in meinem Körper und eine Katze in meinem Schoß. Als ich meine Beine ausstrecke, protestiert Cherry mit einem lauten Maunzen.
Ich scheuche sie achtlos fort und merke erst dann, dass ich das ganze Sofa belege und jemand mich in eine mir unbekannte Decke gewickelt hat.
Ich schwinge die Beine über den Couchrand und zucke zusammen, als ich Gelächter aus dem anderen Zimmer höre.
Zögernd wickel ich mir den rot-karierten Stoff um meinen Körper und hüpfe mehr als das ich gehe durch die Salontür. Jade lehnt an dem Tresen, hat ihr langes, pechschwarzes Haar hochgesteckt und eine Tasse Kaffee in der Hand. Ihr gegenüber, auf der anderen Seite des Tresens steht Nathan. Er hat breite Augenringe, eine völlig zerzauste Mähne und seine Hände zittern leicht. Auch er hält eine Tasse umklammert.
Fast im gleichen Augenblick erspähe ich die Kaffeemaschine, die in einer Ecke des Ladens am Boden zwischen Kleidungsstücken und Dekoration steht und an eine der wenigen Steckdosen angeschlossen ist.
,,Du siehst ja scheiße aus!", ruft Nathan putzmunter, wie eigentlich immer. Schon mal ein Grund, warum er für mich als potentieller Freund nicht in Frage käme. Geschweige denn als Ehemann. Nathan war schon immer nur ein Freund.
Er lacht ausgiebig und stellt schließlich die entscheidende Frage:,,Na, Katerchen? Kaffee?"
,,Hm-mh", brumme ich und stütze meine Stirn genervt gegen den Türrahmen.
,,Lass dir von dem nichts einreden! Du siehst aus wie immer!", versucht Jade mich voller Elan aufzubauen.
,,Sag ich doch!", stichelt Nathan weiter und weicht gekonnt dem Kinnhaken meiner Freundin aus. ,,Geh du duschen, ich mache Kaffee und Jade Frühstück!"
Ich nicke nur und verziehe mich in mein Luxus-Badezimmer. Ich lasse die Decke auf die Fliesen gleiten und werfe meine zerknitterten Klamotten gleich hinterher. Dann ziehe ich den dunklen Vorhang vor und drehe den Hahn auf.
Zwei Sekunden später prasselt siedend heißes Wasser auf meinen nackten Rücken nieder, doch ich bin viel zu müde und verkatert für irgendwelche Emotionen. Ich schraube einfach ein bisschen an den grau-silbernen Griffen herum, bis das Wasser eine halbwegs angenehme Temperatur hat. Währenddessen höre ich wie meine radioaktive Mikrowelle ab und zu ein ersticktes Pling von sich gibt. Ich ignoriere sie gekonnt, wasche mich und besonders meine fettigen Haare ausgiebig, trockne sie ab und stecke sie immer noch klitschnass in einem lockeren Dutt zusammen. Anschließend schlüpfe ich in eine weite, unförmige Jeans ein Shirt mit einem pinken Cupcake darauf und sonnengelbe Wollsocken.
Erst der verführerich beißende Geruch des frisch aufgebrühten Kaffees lockt mich aus meinem grandiosen Badezimmer. Ich tappse ungelenk auf Nathan zu, der mir mit einem breiten Grinsen, dass fast seine Augenringe erreicht, eine rote Tasse mit einem weißen Herz in die Hand drückt.
,,Passt doch super zu deinem Oberteil!", meint er und seine laute Stimme lässt mich ein zweites Mal an diesem Tag zusammenfahren.
,,Hätte ich die Kraft dazu, würde ich dich ohrfeigen", murmel ich und setzte mich zu Jade auf den Teppich. Sie hat drei Pappteller vor sich ausgebreitet, auf denen jeweils ein gigantischer Fertig-Cheesburger klebt.
Ich blicke kurz zu Filou hinüber, der friedlichen schnarchend in einem Haufen Zeugs liegt. Neben ihm eine Napfschale mit einigen Restbrocken Hundefutter.
Mit einem Nicken in Richtung meine Hundes, bedanke ich mich bei Jade.
,,Hey, morgen will Tess vorbeikommen. Sie will uns für die Spendengala richtig rausputzen", erzählt sie mir und beißt kräftig in das vor Fett triefende Fleisch.
,,Schleppt sie Back mit?"
,,Nein. Der ist vollauf damit beschäftigt einen Smocking zu organisieren... oder zumindest einen billigen Anzug. Ich bezweifle, dass er das bis morgen schafft."
,,Von mir aus. Aber dann muss ich heute noch unbedingt einen Anruf tätigen", kläre ich meine Freundin auf und beiße ebenfalls in meinen Burger, wobei sich eine meiner nassen, roten Haarsträhnen aus meinem Dutt löst und natürlich mitten im Ketchup landet. Im gleichen Moment setzt sich Nathan zu uns und hält mir mit diesem Glitzern in den Augen ein Taschentuch vor die Nase.
,,Was für ein Anruf?", fragt er.
,,Meine Tante hat mir eine bekannte Künstlerin empfohlen, die heute Abend zufällig in der Gegend ist. Sie will morgen auf die Spendengala kommen und ich möchte sie bitten sich vorher einmal Theresas Werke anzusehen", sage ich mit vollen Mund und wische mir den kaum auffallenden Ketchup aus den Haaren.
,,Glaubst du die macht das?"
Ich zucke unberührt die Schultern und stecke die Strähne zurück in meinen Dutt. Diesmal ziehe ich den Knoten etwas fester.
,,Meine Tante ist eine alte Freundin von ihr und sie hat gemeint, sie wäre eine nette Frau und würde einen Künstler unter Tausenden erkennen."
,,Klingt vielversprechend", meint Nathan und leckt sich die Finger einzeln ab.
,,Kommst du morgen eigentlich mit deiner Freundin?", lenke ich vom eigentlichen Thema ab.
,,Warum? Eifersüchtig?" Nathan schenkt mir ein spöttisches Schmunzeln.
,,Neugierig! Kenne ich sie?"
,,Haha. Jap. Du wirst Augen machen, glaube mir."
Jetzt bin ich wirklich neugierig geworden, doch ich weiß genauso das Betteln bei Nathan auf kalte Abweisung trifft. Und Sarkasmus.
,,Dein Bruder bringt übrigens auch seine Neue mit. Entweder will er das Kriegsbeil ausgraben oder er hat sie wirklich gern!"
,,Verdammt noch mal, Nathan! Hör auf damit! Mit deinen Hinweisen machst du mich noch irre!"
Mein Freund boxt mir spielerisch gegen die Schulter und zwinkert mir zu. ,,Das ist doch der Sinn der Sache, Katerchen."
,,Unglaublich! Du hast einen Spitznamen gefunden den ich noch mehr verabscheue als Rose." Ich kneife grinsend die Lieder zusammen und klatsche schwach Applaus.
,,Wer ist das eigentlich dahinten auf dem Foto?", fragt Jade plötzlich völlig zusammenhanglos.
Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen von welchem Foto die spricht, schließlich hängen in meinem ganzen neuen Zuhause nur zwei die Personen zeigen. Auf einem stehe ich und grinse mit Steve und Patrick um die Wette. Das dieses Bild aufgenommen wurde ist bestimmt schon zehn Jahre her. Ich hatte noch keinen Wachstumsschub, Steve noch seine Zahnspange und Patrick die fast schulterlangen Haare. Normalerweise finde ich längere Haare bei Männern ungepflegt und vernachlässigt, doch meinem Freund standen sie ungewöhnlich gut. Wie sie sich von den Spitzen nach oben Stück für Stück stärker kräuselten und sie ihm wie ein kurzes, ausgefranstes Pony über die Stirn fielen und seine damaligen Pickel verdeckten. Doch auf diesem Foto sind wir alle drei gut zu erkennen, deshalb gehe ich davon aus, dass Jade jenes meint, welches meine Mutter am Baggersee zeigt.
,,Das ist meine Mom", sage ich und bin ganz in Gedanken versunken.
,,Ach, das weiß ich doch. Ich meine den Mann da im Wasser. Der sie so anstarrt", erklärt mir Jade und erhebt sich. Sie geht auf das Bild zu und legt nachdenklich den Kopf schief.
,,Das ist mein Dad."
,,DAS ist dein Dad?"
Nathan kann über den Ausbruch meiner Freundin und meine Verständnislosigkeit nur Lachen.
,,Ja. Warum?", frage ich und knülle meinen Pappteller zusammen.
,,Mit ihm hat meine Mutter die Schulbank gedrückt. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass er dein Vater sein könnte."
,,Warum?", frage ich wieder und knöpfe mir gleich Nathans Teller vor.
,,Weil ihr... so grundverschieden seid", ruft Jade und wirbelt herum. Ich verfrachte die Teller in den Mülleimer und mustere meine Freundin anschließend mit hochgezogenen Augenbrauen.
,,Was soll den das bedeuten?"
Sie kratzt sich verlegen im Nacken. ,,Nun ja. Nimms nicht persönlich, aber er ist wohl eher der Muskelprotz, der in der Schule nicht aufgepasst hat, während seine Tochter das hübsche, sturköpfige Mädchen ist, das sich nichts sagen lässt."
Ich zucke die Schultern. ,,Ich habe mich viel mit meinem Vater gestritten. Wahrscheinlich gerade weil wir so verschiedenen waren... Im Nachhinein bereue ich, dass ich nicht mehr Zeit mit ihm verbracht habe."
Niemand spricht und die dramatische Stille, die sich über uns gesenkt hat, geht mit bereits gewaltig auf die Nerven.
,,Ich ruf dann mal Tess an", sage ich, nur um irgendetwas gesagt zu haben. Ich kehre zu meiner Couch zurück und wähle die Nummer meiner Freundin. Sie hebt ungewöhnlich schnell ab.
,,Cara?"
,,Jip. Hey, Theresa. Hast du vielleicht Lust mit mir die Vorlesung bei Herr. Signed zu besuchen?"
Sie ist sofort Feuer und Flamme und wir verabreden uns auf fünf Uhr vor dem Kunstzentrum.

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