,,Das war schön, Jungs", gestehe ich und werfe Nathan, der auf der Rückbank Platz genommen hat, einen kurzen Blick zu. Er empfängt ihn mit einem schiefen Grinsen.
,,Schau mal", meint Back plötzlich und rüttelt an meiner Schulter.
Ich schaue wieder nach vorne und kann meinen Augen kaum trauen. Vor meiner geschlossen Boutique prügeln sich zwei Kerle. Es sind nicht die Arbeiter. Die haben ihre Arbeit vollendet, lehnen nun an der Hauswand und feuern die Kämpfenden an.
Sobald das Fahrzeug halbwegs zum Stehen gekommen ist, steige ich aus.
Einen der beiden habe ich schon aus fünfzig Metern Entfernung erkannt. Die goldene, wild abstehende Mähne, die teure, leuchtend blaue Weste und die gelben Arbeiterschuhe wie mein Vater sie immer getragen hat.
Er hat einen anderen Mann zu Boden gerungen, hält ihn mit seinen Knien fest und schlägt unverwandt auf sein Gesicht ein. Ich beuge mich vor, will ihn von dem Mann herunterzerren, doch erstarre mitten in der Bewegung. Zwar hat er seine Augen geschlossen, doch seine dunkelbraunen Haare, der Anwaltsaufzug und die verkorkste Nase lassen mich wissen wer da vor mir liegt. Wer sich da unter Patricks schweren Körper windet. Wessen Nase durch einen gut gezielten Schlag unaufhörlich blutet.
,,Bist du verrückt geworden!", kreische ich.
Patrick zuckt zusammen und sieht mich entsetzt an.
,,Geh runter von ihm! Du tötest ihn noch!"
So falsch liege ich mit meinen Worten gar nicht, den die Farbe von Matthews Gesicht wechselt von einem dunklen rot zu einem gruseligen blau.
Zögernd rutscht Patrick von seiner Brust herunter und richtet sich zitternd auf.
Seine Finger umschließen meine Oberarme und er flüstert: ,,Das ist nicht das wonach es-"
Mein Körper handelt ohne das ich etwas dagegen unternehmen kann. Meine linke Hand verkrampft sich zu einer Faust, während die andere nach vorne schnellt. Diese Ohrfeige muss, trotz all meiner Erschöpfung, höllisch weh getan haben. Das Geräusch, als meine Handfläche seine Wange traf, war wirklich laut und selbst zwei Minuten später tut mir noch der ganze Arm weh.
In Patricks wunderschönem, ebenen Gesicht prangt nun ein glühend roter Abdruck und seine Lippen sind zu einer schmerzverzerrten Linie zusammengepresst. Ich leide allerdings nicht weniger. Mein Herz ist wieder ein Teil meines Körpers und meiner Organe geworden, was soviel heißt, dass ich auf der Stelle bereue was ich getan habe. Noch vor einer Viertelstunde habe ich vorgehabt Patrick alles zu verzeihen und ihm zumindest zu sagen, dass ich ihn ebenfalls gern habe. Dass es mir leid tut und dass ich ihn doch... ihn doch liebe. Habe ich immer und werde ich immer.
Doch mit dieser kleinen Showeinlage hat Patrick diesen Entschluss zunichte gemacht. Mein frisch erblühtes Herz gerät unter einen riesigen, schlammigen Elefantenfuß, wird nochmals von meinem alten Freund dem Laster überrollt und schlussendlich von einer noch unentdeckten Spezies, nähmlich den herzfressenden Zombies mit verdammt spitzen Zähnen, verspeist.
Wir starren einander an. Erst Matts qualvolles Stöhnen reißt mich aus meinen Gedanken.
,,Geh!", fauche ich Patrick an und schüttle das Déjà-vu-Gefühl einfach ab.
Mein alter Freund senkt den Blick und geht, ohne eine weitere Silbe zu sagen. Back und Nathan schauen unterdessen in eine andere Richtung.
Ich beuge mich zu meinem Ex-Verlobten hinunter, hebe seinen Kopf an und tupfe mit einem Taschentuch sein Gesicht ab.
,,Ich weiß noch, vor wenigen Jahren wärst du bei dem Anblick von Blut einfach umgekippt", erinnert er mich und ich kann nur nicken. Es fällt mir atemberaubend schwer die Tränen zurückzuhalten.
,,Können wir dir helfen?", fragt Back und beugt sich über meine Schulter.
Ich nicke wieder und drücke ihm die Schlüssel meiner Boutique in die Hand. Er versteht sofort und schließt auf. Dann trägt er Matthew mit Nathans Hilfe hinein und setzt ihn auf den gestreiften Sessel.
Die Arbeiter gucken sich nervös und etwas dümmlich an, dann stelle sie sich in den Türrahmen. Anscheinend trauen sie sich nicht meinen Laden zu betreten. Ich gebe den beiden die rechte Anzahl an Geldscheinen, ohne ihre Arbeit vorher zu überprüfen. Das ist wirklich das letzte worauf ich nun Lust hätte. Am liebsten wäre mir jetzt eine heiße Dusche.
,,Warten Sie! Verlegen Sie nicht auch Rohre oder wie war das? So Anschlüsse für Duschen zum Beispiel?"
,,Wir sind für fast alle Arbeiten in und am Haus zu gebrauchen", behauptet der Größere der beiden.
,,Klar. Gut. Toll. Ähm... also ich hätte im Hinterzimmer gerne eine Anschluss für eine Dusche, weil ich da sozusagen wohne."
,,Warum nur einen Anschluss und nicht grad eine ganze Duschkabine?", fragt der Kleinere.
,,Ähm... machen Sie das etwa auch?"
Die beiden mustern mich als hätte ich einen gewaltigen Sprung in der Schüssel.
,,Auch egal. Das wäre ganz toll, wenn Sie das machen würden... Also das mit der Duschkabine", stottere ich. Ich fühle mich unwohl, diese zwielichtigen Typen in meinen Laden, mein Haus zu lassen, doch ich bezweifle, dass ich noch vor dem Wochenende einen besseren Klempner finde.
,,Klar! Machen wir", meint wieder der Größere.
,,Und... Und wie lange wird das dauern? Bis ich mich waschen kann?"
,,Einen, höchstens zwei Tage", klärt mich der Kleinere und anscheinend auch Jüngere auf.
,,Okay danke... wann fangen Sie an?" Ich beginne nervös auf meiner Unterlippe herumzukauen.
Der Ältere wirft einen Blick auf seine Uhr und sagt: ,,In einer Stunde, wenn Sie so wollen. Dann werden wir vielleicht noch heute fertig."
,,Abgemacht." Ich gebe den beiden die Hand, dann knalle ich ihnen die Tür vor der Nase zu.
,,Du kannst heute gerne bei mir duschen", schlägt Back grinsend vor.
,,Danke... Wie geht's dir Matt?"
Matt presst sich mein Taschentuch fest gegen die Nase und atmet schwer.
,,Den Umständen entsprechend", zischt er.
,,Was ist eigentlich passiert?" Nathan schiebt den Teppich vor den Sessel und lässt sich darauf gleiten.
Back hingegen bleibt lieber stehen.
,,Ich bin hergekommen, um mit euch wandern zu gehen, doch ihr wart schon fort. Ich wollte gerade wieder gehen, da ist Patrick aufgetaucht. Er hat gefragt was ich hier mache und gesagt ich soll Cara in Ruhe lassen. Dann hat er meinen Kopf gegen die Scheibe gehauen."
Ich weiß sofort das er lügt. Instinktiv.
Zuerst einmal ist Matt noch nie mit wandern gekommen. Er hat entweder keine Zeit oder keine Lust. Zweitens tickt Patrick nur aus, wenn es einen wirklich guten Grund gibt. Wozu nicht gehört, dass er stur in mich verliebt ist. Selbst dann würde er Matt nicht einfach so zusammenschlagen. Absolut sicher bin ich mir aber erst, als ich meinem Ex-Verlobten in die Augen sehe. Er weicht mir aus und wirkt nervös. Seine Augen spiegeln seine Lüge so deutlich, dass ich große Mühe habe meinen Wut zu unterdrücken.
Ich stütze meine Hände links und rechts von ihm auf den breiten Armlehnen ab und fordere ihn auf mir gut zu zuhören. ,,Entweder du sagst mit jetzt die Wahrheit oder ein Körperteil deiner Wahl schmerzt dreifach so stark wie deine Nase! Und das schwöre ich dir!"
,,Ich sollte gehen", knurrt er nur und ich lasse ihn widerwillig passieren.
Als er den Laden verlassen hat, prügel ich auf den Sessel ein.
Während Nathan sich erhebt und drei Toasts in der Mikrowelle toastet, lässt Back Filou aus dem Auto raus und breitet für die etwas unterkühlte Cherry eine Decke auf dem Boden aus. Jetzt stelle ich auch fest, warum weder meine Katze noch mein Hund mir Nachts Gesellschaft leisten. Die beiden kuscheln sich nämlich lieber gemeinsam in eine Ecke.
Ich seuftze und sinke auf den Sessel.Eine Stunde später, Back hat mich bei sich duschen lassen, bin ich alleine mit den beiden Arbeitern. Sie eröffnen mir, dass bereits ein brauchbarer Anschluss da ist und dass sie nur noch die Duschkabine einbauen müssten. Nach einigen Verhandlungen wollen die Kerle mir sogar noch eine Waschmaschine und die Katzenklappe anbringen.
Als es vier Uhr schlägt, rufe ich bei einer Pizzeria an, sodass ich mir keine halbe Stunde später mit den zwielichtigen Arbeitern eine Familienpizza teile.
,,Den Kerl musst du halten", schmazt der Große, dessen Name, wie ich inzwischen erfahren habe, George ist.
,,Wen? Den Pizzaboten?"
Auf Dauer sind die beiden doch nicht so schlimm wie ich vorerst dachte.
Zwielichtig? Ja.
Schlimm? Nein.
,,Ne. Der Kerl der sich geprügelt hat."
,,Matthew?"
,,Doch nicht die Null!", lacht der Kleinere, mit dem Namen Stanley. ,,Wir meinen den Blonden."
,,Patrick?"
George und Stanley beißen zeitgleich in ein Stück Tunfischpizza und nicken schließlich.
,,Warum? Weil er Matthew vermöbelt hat?" Neugierig lehne ich mich vor und lege mein Pizzastück zur Seite.
,,Auch. Aber der hat wirklich Mumm in den Knochen. Hat zu dir gestanden", klärt George mich mit vollem Mund auf.
,,Zu mir gestanden?" Ich runzel die Stirn.
,,Hat der Braunhaarige dir das nicht erzählt?"
,,M-A-T-T-H-E-W! WAS hat er mir nicht erzählt?"
Stanley schluckt den letzten Bissen herunter. ,,Na, dieser Matthew ist hergekommen, hat mit seinem Feuerzeug rumgespielt-"
,,Er hat was!?"
,,Mit einem Feuerzeug rumgepielt. Mit so einem widerlich pinken, mit weißen Herzchen. Sah aus als wollte der Schwule den Laden hier abfackeln-"
,,WAS!?", kreische ich.
,,Den... Laden... abfackeln... Bist du schwerhörig?"
,,Langsam, langsam." Ich strecke die Hände in die Luft. ,,Matthew wollte wirklich meine Boutique in Brand stecken?"
,,Sag ich doch als!"
Ich rutsche ein Stück näher an die Arbeiter heran. ,,Und dann?"
,,Der Blonde ist aufgetaucht und hat ihm das Feuerzeug weggenommen", erzählt George.
,,Und dann haben sie sich geprügelt?"
,,Nein, nein. Erst hat Matthew ne Menge schlimmer Schimpfwörter und Beleidigungen über dich abgefeuert. Dann hat sich Patrick auf ihn geschmissen."
,,Okay, nochmal zum Verständnis. Ihr wollt mir weismachen, dass Matthew hergekommen ist um meine Boutique abzufakeln, Patrick zufällig zur Stelle war, ihn aufgehalten und nur verprügelt hat, weil Matt mich beschimpft hat."
Die beiden nicken.
Zwar klingt das schon eher nach der Wahrheit, doch es fällt mir sichtlich schwer das zu glauben. Doch warum sollten mich zwei wildfremde Arbeiter anlügen? Noch dazu nachdem ich ihnen eine Pizza spendiert habe?
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Our Second Chance
Teen FictionRoman: Charisma und Patrick haben in ihrem gesamten Leben nur einen einzigen wirklich schweren Fehler gemacht. Sie haben beide für den anderen entschieden. Und sie haben diese Entscheidung nicht im Vorteil für sich getroffen. Sie haben nur an den an...